Page images
PDF
EPUB

thums insbesondere beschäftigen, in unsern Tagen gestiftet wird, wirksamer gesteuert werden könnte, als durch die Confiscation derselben in den Staaten Ew. Chur Fürstl. Durchl. geschehen kann. Dieser Wunsch wird immer lebhafter, je öfter sich jetzt Schriftsteller von mancherley Art, und insonderheit die Anhänger der kritischen Philosophie Aeusserungen erlauben, die, wir wollen nicht sagen, mit der Offenbarung, sondern selbst mit der natürlichen Religion unverträglich sind, und dem Atheismus auf eine Art zu Statten kommen, wie er noch nie vertheidigt und befördert worden ist. Je kühner und unverholener man Behauptungen vorträgt, welche den Glauben an Gott als etwas unvernünftiges, oder doch überflüssiges vorstellen; ie entscheidender der Ton ist, in welchem man spricht, und die, welche Religion und Offenbarung noch vesthalten, für Abergläubische und Schwärmer erklärt, hiermit aber auf den Umsturz nicht bloss des Christenthums, sondern der Religion überhaupt hinarbeitet: desto nöthiger wird es, dass einem Unfuge, bey welchem alles Gefahr läuft, was Menschen wichtig seyn kann, kräftig gesteuert und entgegen gearbeitet werde.

Ew. Chur Fürstl. Durchl. erlauben also, dass wir von einer mit solchen schädlichen Grundsätzen angefüllten Schrift, wo der Verfasser und die Herausgeber sich zu nennen nicht gescheuet haben, Gelegenheit nehmen, ein anderes Mittel, als das bisher gewöhnliche der Confiscation, die sie ohnediess mit vollem Recht verdient, in ohnmassgeblichen Vorschlag zu bringen.

Es ist ein in beyliegendem Heft des von den Professoren zu Jena, Fichte und Niethammer, herausgegebenen Philosophischen Journals S. 21 ff. befindlicher, und von dem Rector zu Saalfeld Forberg herrührender Aufsatz, welcher uns zu gegenwärtiger unterthänigster Vorstellung veranlasst hat. Wir haben darinn folgende den grössten Unwillen erregende Sätze aufgestellt gefunden:1)

Seite 22. Die Religion könne eben so gut mit dem Polytheismus, als mit

dem Monotheismus, eben so gut mit dem Anthropomorphismus als mit dem Spiritualismus zusammen bestehen. Wenn nur Moralität die Regel der Welt Regierung bliebe, so wäre es übrigens gleichgültig, ob man sich eine monarchische oder eine aristokratische Welt-Constitution dächte, und hätten die überirdischen Menschen, die sich die Alten als Götter gedacht, nur moralischer gehandelt, so wäre auch von Seiten des Herzens nichts gegen sie einzuwenden gewesen. Die Speculation, die ihre Gränzen kenne, hätte ohnehin nichts gegen sie einzuwenden, und die Kunst möchte wohl eher ihre Entfernung beklagen.

Seite 26. Würde eine Lob-Rede auf die moralische Ordnung einer Welt, die im Argen liegt, nicht eher wie eine Satyre auf die Gottheit, als wie eine Demonstration ihres Dayseyns lauten? Könnte es in der Welt wohl schlimmer aussehn, als es aussieht, könnte es

1) Das hier folgende Verzeichnis anstössiger Stellen ist beträchtlich ausführlicher als das von Immanuel Hermann Fichte in der Lebensbeschreibung seines Vaters, 2. Aufl, II, 79 f. mitgeteilte.

wohl ärger hergehen, als es hergeht, wenn ein feindseeliges, wenn ein übelwollendes Wesen die Herrschaft der Welt führte, oder sich wenigstens darein mit einem guten Genius theilte? Würde eine Vertheidigung des Satans wegen Zulassung des Guten wohl weniger gründlich ausfallen, als die Vertheidigungen der Gottheit wegen Zulassung des Bösen bisher ausgefallen sind? und wäre der Schluss von dem Daseyn einer lasterhaften Welt auf das Dasein eines heiligen Gottes nicht zum Mindesten sehr ungewöhnlich, sehr unnatürlich?

Seite 40. Religion sey allerdings, sobald man sich den Religions Glauben als einen theoretischen Glauben denke ein Nothbehelf menschlicher Schwäche.

Am Schlusse dieses Aufsatzes werden mehrere dem Verfasser verfänglich scheinende Fragen vorgelegt und beantwortet, die insgesamt den Atheismus in Schutz nehmen.

Die erste derselben Seite 41. Ist ein Gott? wird beantwortet: Es ist und bleibt ungewiss. Denn diese Frage ist blos aus speculativer Neugierde aufgeworfen, und es geschiehet dem Neugierigen ganz Recht, wenn er bisweilen abgewiesen wird.

ibid. Kann man jedem Menschen zumuthen, einen Gott zu glauben? Antwort: Nein.

Seite 42. Ist die Religion eine Uiberzeugung des Verstandes, oder eine Maxime des Willens? Antwort: Sie ist keine Ueberzeugung des Verstandes, sondern eine Maxime des Willens. Was von Uiberzeugung des Verstandes dabey ist, ist Aberglaube.

ibid. Wieviel giebt es Glaubens Artikel der Religion?

Antwort:

Zwey; Glaube an die Unsterblichkeit der Tugend, und Glaube an ein Reich Gottes auf Erden.

Nicht einmal die Lehre von der Unsterblichkeit der menschlichen Seele rechnet also der Verfasser zu den Glaubens Artikeln der Religion; und nimmt man seine Behauptungen nach ihrem wahren Sinn und Zusammenhang, so gehört sogar die Lehre von einem einzigen wahren Gott nicht unter diese Artikel, weil das Reich Gottes, von welchem er redet, nichts anders ist, als die Herrschaft des moralischen Guten über das Böse. Seite 43. Kann man rechtschaffen seyn, ohne einen Gott zu glauben? Antwort: Ja. Denn in der Frage ist ohne Zweifel von einem theoretischen Glauben die Rede.

ibid. Kann ein Atheist Religion haben? Antwort: Allerdings. Von einem tugendhaften Atheisten kann man sagen, dass er denselben Gott im Herzen erkennt, den er mit dem Munde verläugnet. Praktischer Glaube und theoretischer Unglaube auf der einen, so wie auf der andern Seite theoretischer Glaube, der aber dann Aberglaube ist, und praktischer Unglaube können ganz wohl beysammen bestehen.

Seite 44. Ist die Religion ein Hilfsmittel der Tugend? Antwort: Nein. ibid. Ist die Religion ein Schreck Mittel des Lasters? Antwort: Auch nicht. Der Aberglaube kann ein Schreck Mittel des Lasters seyn, aber nie die Religion.

Seite 45. Wird jemals ein Reich Gottes als ein Reich der Wahrheit und des Rechts auf Erden erscheinen? Antwort: Es ist ungewiss, und wenn man auf die bisherige Erfahrung bauen darf, die jedoch in Vergleich mit der unendlichen Zukunft eigentlich wie nichts zu rechnen seyn möchte, sogar unwahrscheinlich.

ibid. Könnte nicht statt eines Reichs Gottes auch wohl ein Reich des Satans auf Erden erscheinen? Antwort: Das eine ist so gewiss und so ungewiss als das andere.

ibid. Wäre demnach die Religion der Hölle nicht eben so gründlich, als die Religion der guten Menschen auf Erden? Antwort: Die eine hat vor dem Forum der Speculation allerdings nicht mehr und nicht weniger für sich, als die andere.

ibid. Ist die Religion Verehrung der Gottheit? Antwort: Keinesweges. Gegen ein Wesen, dessen Existenz erweislich ungewiss ist, und in Ewigkeit ungewiss bleiben muss, giebt es überall nichts zu thur. Wer das Mindeste bloss und allein um Gotteswillen thut, ist aberglaubisch. Es giebt keine einzige Pflicht gegen Gott, ausser man müsste mit Worten spielen wollen.

ibid. Ist der in dieser Theorie aufgestellte Begriff der Religion auch der wahre und richtige? Antwort: Ohne allen Zweifel; vorausgesetzt nämlich, dass der Begriff der Religion der Begriff von etwas Vernünftigen und nicht von etwas Unvernünftigen seyn soll. Wäre von Religion kein anderer Begriff ausfindig zu machen, als der gemeine und seit Jahrtausenden gewöhnliche, eines Cultus übermenschlicher Wesen, so wäre die Religion eine Schimäre, und es dürfte von ihr unter Leuten von Verstand hinfort nicht mehr die Rede sein.

Wir lassen es itzt an seinen Ort gestellt seyn, Durchlauchtigster Chur Fürst und Herr, wie Lehrer auf Schulen und Universitäten, welche sich nicht entblöden, solche Grundsätze öffentlich vorzutragen, und der Jugend einzuflössen, anzusehen und zu bestrafen seyn dürften, da wir versichern können, dass unsers Wissens (und wir haben es uns zur Pflicht gemacht, mit der geschärftesten Aufmerksamkeit alles zu beobachten) noch kein in Höchst-Dero Staaten angestellter Lehrer sich so weit vergessen, und uns in die traurige Notwendigkeit, über die Bestrafung einer solchen Frechheit nachzudenken, versetzt hat. Allein von der Nothwendigkeit, wider ein Verderben, welches sich um so schneller und mächtiger verbreiten muss, je mehr es dem jugendlichen Leichtsinn und den wilden Lüsten des Herzens schmeichelt, die wirksamsten Maassregeln zu ergreifen, sind wir so lebhaft überzeugt, und finden ein nachlässiges Stillschweigen bey demselben mit unserm Gewissen so wenig vereinbar, dass wir es hiermit wagen Ew. Chur Fürstl. Durchl. in aller Unterthänigkeit einen Vorschlag vorzulegen, von welchem wir uns noch die meiste Wirkung versprechen. In unserer Macht ist nichts weiter, als den Aufsatz, dessen Inhalt vorhin angezeigt ist, und ähnliche Schriften zu confisciren, sobald sie zu unsrer Kenntnis kommen. Allein zu geschweigen, dass sie, wenn diess geschieht, gemeiniglich schon zu weit verbreitet sind, als dass die Confiscation die erwünschte Wirkung thun könnte: so ist hiermit auch

die Quelle des Uibels nicht im mindesten verstopft, vielmehr werden Schriftsteller solcher Art nur noch frecher und wirksamer, wenn sie durch Maassregeln gereitzt werden, die ihnen keinen Schaden zufügen. Bey solchen Umständen bleibt uns nichts übrig, als unsre Zuflucht zu Ew. Chur Fürstl. Durchl. Selbst zu nehmen, und Höchst demselben anheim zu geben, ob es nicht heilsamer und zweckdienlicher seyn dürfte, wenn Höchst derselben geruhen wollten, bey den Fürstlich Sächsischen Höfen, auf deren Akademie zu Jena die gefährlichen Grundsätze, von welchen die Rede ist, am lautesten gelehrt, und am eifrigsten verbreitet werden, darauf anzutragen, dass diejenigen Lehrer jener hohen Schulen, welche sich dabey am geschäftigsten beweisen, darüber in Anspruch genommen, und nach Befinden bestraft werden möchten.

Unsers Erachtens würde es nicht unnützlich seyn, wenn dabey geäussert würde, dass, woferne nicht wirksame Maassregeln gegen dieses Uibel ergriffen werden sollten, Ew. Chur Fürstl. Durchl. Sich genöthiget sehen würden, Ihren Unterthanen das Besuchen jener Akademie zu untersagen; auch stellen wir Höchst Dero erleuchteten Ermessen unterthänigst anheim, ob es nicht rathsam seyn dürfte, auch mit der Königlich Preussischen Regierung einer so wichtigen Sache wegen in Communication zu treten, und dadurch dem um sich greiffenden Unglauben desto nachdrücklicher Gränzen zu setzen.

Wir werden übrigens, sobald wir mit höchster Entschliessung versehen sind, die Confiscation des erwähnten Aufsatzes zu verfügen nicht ermangeln, und beharren in pflichtschuldigster Treue und Devotion Ew. Chur Fürstl. Durchl.

Dresden,

am 29. Oktober 1798.

unterthänigste gehorsamste Diener,
Heinrich Ferdinand von Zedtwitz.

Carl Friedrich Bohrisch D.
Carl Christian Tittmann D.
D. Franz Volkmar Reinhard.
Joh. Christoph Rädler D.

Dem Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich August, Herzoge zu Sachsen, pp. pp.

Natorps Einführung in den Idealismus

durch Platos Ideenlehre."

Von A. Görland.

Vor beinahe drei Jahren erschien Natorps Werk. Bei seinen 472 Seiten stellt es sich als eingehendste Arbeit über das Gesamtgebiet der Ideenlehre Platos dar. Mit einer kurzen Einleitung beginnend, führt es sogleich über in die Besprechung der Apologie, des Krito, Protagoras, Laches und Charmides (— pag. 28). Im Meno beginnt dann das Wirken des gewaltigen philosophischen Genius. Gorgias, Phaedrus und der bedeutsame Theaetet folgen (- pag. 116). Euthydem, Kratylus, Phaedo, Gastmahl und Staat (- pag. 215) zeigen den Weg zur ersten Gipfelhöhe des platonischen Denkens: zum Parmenides (— pag. 271); ein kurzes Ausruhen im Sophist ( pag. 296), dann ist die Höhe des Platonismus im Philebus erreicht (— pag. 331). Dem Staatsmann folgt der Timaeus (— pag. 358), der am Ende der platonischen Gedankenarbeit das erkenntniskritische Problem der reinen Raumanschauung entdeckt. Die Gesetze beschliessen die Reihe der Dialoge (- pag. 366). Innerhalb der philologischen Kreise wird diese Abfolge mannigfache Erörterungen noch hervorrufen, weil aus dem philosophischen Sachkriterium der Problemhöhe innerhalb der einzelnen Dialoge auch das zeitliche Nacheinander derselben konstruiert wird. Dies philologische Interesse soll uns aber auf den folgenden Zeilen nicht massgeblich sein. Wir wollen sehen, wie der Erkenntniskritiker Natorp die Genesis des Urerkenntniskritikers Plato zeichnet, um ihm dann zu folgen in seine beiden Schlusskapitel (— pag. 437) „Aristoteles und Plato“ und „die aristotelische Kritik der Ideenlehre", in denen die Unzulänglichkeit des Dogmatismus, das Problem und den Arbeitsweg des „methodischen Idealismus“ zu begreifen, an jener weltgeschichtlichen Befehdung des Plato durch Aristoteles zur lichtvollen Kennzeichnung gelangt.

Das Werk will die Rechtfertigung der Ansicht sein, dass der platonische Idealismus den strengen Begriff „der Philosophie" inauguriert. Dazu ist der Nachweis nötig, dass die „Ideen“ nicht „Dinge", sondern Gesetze bedeuten. Dieser Grundansicht sind ältere Forscher zwar nahe gekommen, aber ihr zumeist durch die aristotelische Autorität wieder ab

1) Natorp, Paul, Platons Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus.

[ocr errors]
« PreviousContinue »