Page images
PDF
EPUB

seiner ehre hinter männer wie Roth, Schrader und Stisser zurück und scheint er überhaupt den conflicten des tages als eine leidenschaftslosere natur ferner gestanden zu haben auch in der ge

hässigen Wolffschen denunciation verhielt er sich neutral, so hat er doch nicht umhin gekonnt, in diesem handel partei zu ergreifen, und da treffen wir ihn denn unter Franckes gegnern. in der am 15 märz 1699 an die kursächsisch-brandenburgische regierung eingereichten beschwerde ist er neben neun andern mitunterzeichnet. auch Franckes äuszerungen beweisen, dasz der gegensatz nicht ganz harmlos gewesen ist. in seiner rechtfertigungsschrift vom 27 april desselben jahres führt er unter anderem auch die unziemliche predigtweise der Hallischen prediger an, welche ihm zum tadel veranlassung gegeben habe. da geht nun auch Semler, der etwas von der art eines Abraham von St. Clara gehabt zu haben scheint, nicht ganz leer aus. so wirft ihm Francke vor, dasz er an einem charfreitage bei der materie, wie kinder ihre alten eltern nicht sollten verachten, zum gelächter des ganzen auditorii diese formalia gebraucht haben soll: ja willst du nicht alt werden, so lasz dich jung hängen' (Kramer neue beiträge s. 92). er beschuldigt ferner Semler geradezu, dasz dieser in einer predigt über tit. 8, 17 seine eigne methode angegriffen habe; er habe 'zu etlichen malen invehiret auf unsere heutigen jungen quäker und schleicher usw. . . noch neulich hat eben derselbe von dem aufschlagen der bibel in der kirchen, welches gottlob sonderlich in der schulkirchen einige zu ihrer desto besseren erbauung von selbsten zu thun pflegen, höchst ärgerlich und schmählich geredet: die leute wühlten in der bibel wie säue' (a. a. o. s. 94). wir sehen also, dasz in jener zeit von einem freundschaftlichen verhältnisse der beiden männer nichts zu merken ist; für die späteren jahre entbehren wir jeder nachrichten. möglich, dasz sich bei der allmählichen beruhigung der geister auch zwischen ihnen ein erträglicher modus vivendi hergestellt hat, von einer intimeren beziehung kann gar keine rede sein. in dem ungeheuer umfangreichen briefwechsel Franckes auf der Berliner bibliothek findet sich nicht ein blatt von Semler, was bei der rede- und schreibseligen zeit des 18n jahrhunderts um so wunderbarer ist, wenn ein geistiger verkehr zwischen den beiden männern bestanden hätte. endlich ist auch seiner in den von mir nachgesehenen briefen des Joachim Lange, Lysius und Buddeus der letztere war Semler freundlich gesinnt an Francke auch da, wo schulfragen gestreift werden, mit keiner silbe gedacht.

"So steht Chr. Semler unabhängig von Francke, nur auf den voraussetzungen und bestrebungen seiner zeit basierend mit seinem ersten versuche einer realschule selbständig da.' nach dem dürftigen vorbilde entwickelte Heckers energisches streben und volkstümliche neigung im centrum des erstarkten Preuszens einen solideren bau. BERLIN. ALFRED HEUBAUM.

10.

LATEINISCHES ÜBUNGSBUCH FÜR DIE MITTLEREN CLASSEN HÖHERER LEHRANSTALTEN IM ANSCHLUSZ AN STEGMANNS LATEINISCHE SCHULGRAMMATIK. BEARBEITET VON DR. FERDINAND HOFFMANN, PROFEssor am realGYMNASIUM ZU gera, und dr. WILHELM VOTSCH, Oberlehrer an DER GUERICKE-SCHULE (REALGYMNASIUM UND OBERREALSCHULE) ZU MAGDEBURG. ERSTER teil. Leipzig, B. G. Teubner. 1891. 257 s.

*

Es gehört ein gewisser mut dazu, in einer zeit, wo dem lateinischen voraussichtlich noch mehr unterrichtsstunden werden entzogen werden, ein neues übungsbuch den fachgenossen zur prüfung und eventuellen befürwortung vorzulegen, sobald es sich um abschaffung der alten als unbrauchbar oder weniger brauchbar erkannten übungsbücher dreht.

Diesen mut haben die verfasser Hoffmann und Votsch gezeigt. wer das meiste oder bessere zu diesem buche geliefert hat, läszt sich aus dem titel nicht erkennen, ebenso wenig wie aus der umstellung der namen bei angabe der bogenzahl des werkes. an sich ist diese frage auch nebensächlich, wenn nur in der stilistischen darstellung durch ein solches zusammenarbeiten keine zu schroffen unterschiede zu tage treten. die hauptsache ist doch die, dasz ein brauchbares übungsbuch geschaffen ist.

Die gründliche durcharbeitung nun, wozu mich weniger die sucht, überhaupt ein neues übungsbuch kennen zu lernen, veranlaszte, als vielmehr die neugierde zu erfahren, welche anforderungen wohl auf einem realgymnasium im latein an die schüler der mittleren stufen gestellt werden, um daraus vergleiche mit den anforderungen der gymnasien anzustellen, ergab ein recht günstiges urteil über das in rede stehende buch.

Allerdings musz ich bemerken, dasz die schülergenerationen der beiden verfasser in den letzten jahren recht tüchtige gewesen sein müssen, wenn sie sich in den mittleren classen von realgymnasien an derartige vorlagen heran wagen durften.

Veranlaszt wurde das buch durch die einführung von Stegmanns vortrefflicher grammatik an stelle der veralteten von Fromm und durch das bedürfnis, ein übungsbuch zu besitzen, welches sich auf diesen stufen an jene grammatik anlehnte. das buch ist also aus zwingenden gründen notwendig geworden.

Wenn auch oft genug behauptet worden ist, das übungsbuch sei gleichgültig; selbst aus dem schlechtesten könne unter leitung eines geschickten lebrers recht gutes und viel gelernt werden; ja

diese besprechung, deren original leider verloren gegangen, erscheint hier etwas verspätet in erneuter abschrift. obwohl aber dem verfasser inzwischen andere besprechungen des obigen übungsbuches bekannt geworden sind, hat er doch an der ursprünglichen fassung seiner arbeit nichts geändert.

ein tüchtiger lehrer brauche gar kein übungsbuch, so liegt in dieser behauptung nicht lauter wahrheit, und bei so manchem, der diesen ausspruch fällt, gehört derselbe ins gebiet der phrase. ein paar wochen wird wohl jeder lehrer im stande sein, zum grammatischen stoffe passende, inhaltsreiche und dem gesichtskreise der betreffenden classe angemessene, auch die concentration des unterrichts berücksichtigende beispiele selbst zu bilden, doch auf die dauer dürfte auch ein sehr gewandter lehrer hierzu kaum die geistige kraft besitzen, und der schüler hätte kein hilfsmittel zur häuslichen wiederholung und eignen vorbereitung.

Ohne übungsbuch geht es nach meiner erfahrung nicht, weniger ins gewicht fällt die anlehnung des übungsbuches an eine fremde, also nicht an der anstalt eingeführte grammatik, obwohl es offenbar das beste ist, wenn übungsbuch und grammatik hand in hand mit einander gehen. denn manches wird in der einen grammatik als wichtiger betrachtet als in der andern, und die anordnung des grammatischen stoffes ist auch nicht bei allen gleich. hieraus ergibt sich, dasz das übungsbuch von Hoffmann und Votsch in erster linie an den höheren anstalten eingang finden wird, wo Stegmanns schulgrammatik eingeführt ist.

Damit jedoch das buch auch unter zugrundelegung von EllendtSeyffert und andern grammatiken benutzt werden könne, haben die verfasser über jedem abschnitte die behandelten regeln in möglichst knapper fassung angegeben und auszerdem auf die paragraphen der sehr weit verbreiteten grammatik von Ellendt-Seyffert hingewiesen.

Bei der groszen anerkennung, die Stegmanns vorzügliche grammatik, welche ich erst jetzt gründlicher kennen zu lernen genötigt war, gefunden hat, ist es zu erwarten, dasz an mancher anstalt die Seyffertsche grammatik von der Stegmanns wird verdrängt werden. in diesem falle dürfte das in frage stehende buch noch weitere anerkennung und verbreitung finden.

Dasselbe soll in zwei teilen erscheinen, von denen der erste die congruenz, casuslehre und pronomina (Stegmann § 108-180) behandelt, während der zweite teil, der inzwischen erschienen ist, die nominalen verbalformen, tempus und moduslehre (§ 181-256) berücksichtigt. der erste abschnitt umfaszt s. 1-28, die casuslehre s. 29-162, die pronomina s. 162-181.

Nachdem die einzelnen arten der casus in besondern stücken behandelt sind, wobei in den immer folgenden stücken gebührende rücksicht auf die wiederholung des früheren grammatischen stoffes genommen wird, kommen stücke zur zusammenfassenden wiederholung der einzelnen casus. zwischen dem ablativ und dem genitiv sind stücke über orts-, raum- und zeitbestimmungen, der Stegmannschen grammatik entsprechend, eingefügt. sämtliche stücke, zum teil mit fortsetzungen versehen und ihrem umfange nach auf je eine unterrichtsstunde berechnet, haben einen zusammenhängenden inhalt. so entsprechen also die verfasser den begründeten anforde

rungen der heutigen pädagogik. doch um auch vielleicht nicht minder begründeten wünschen gerecht zu werden, ist im anhange eine gleichfalls die Stegmannsche grammatik berücksichtigende sammlung von einzelsätzen geboten, doch so, dasz nicht immer je ein abschnitt blosz einen paragraphen behandelt, und da ja einzelsätze ohne schädigung des zusammenhanges geteilt werden können, erlaubten sichs die verfasser mit recht, manchmal stücke, wie z. b. das den § 164 behandelnde, länger zu gestalten. die orts- und zeitbestimmungen, sowie die pronomina wurden aus rücksicht auf den umfang des buches und weil gerade diese dinge im vorhergehenden reichlich zur einübung kommen, nicht mit einzelsätzen versehen.

An die einzelsätze schlieszt sich von s. 223-257 ein alphabetisch geordnetes wörterverzeichnis.

Die verfasser haben sich die aufgabe gestellt, die vorzüge anderer übungsbücher nachzuahmen, aber deren fehler zu vermeiden. und der berichterstatter musz anerkennen, dasz ihnen das letztere, soweit dies schon bei der ersten auflage möglich ist, in recht befriedigender weise gelungen ist.

Nach meiner erfahrung wurden den übungsbüchern hauptsächlich folgende vorwürfe gemacht: 1) das deutsche sei recht oft eine verrenkung unserer muttersprache und habe dazu beigetragen, dasz gegen den lateinischen unterricht die klage erhoben wurde, er verderbe das deutsche sprachgefühl. natürlicherweise muste sich der schüler infolge der langen und intensiven beschäftigung mit derartigen lateinisch-deutschen vorlagen die fremdartige darstellungsweise der gedanken aneignen. und wie weit er es hierin, wenn auch unbewust, zu bringen vermochte, haben wir als lehrer des deutschen oft genug zu beklagen gelegenheit gehabt. das übel wurde noch gröszer, sobald sich der lateinlehrer mit der richtigen, wenn auch der deutschen muttersprache nicht angemessenen wiedergabe lateinischer textesstellen zufrieden gab. heute aber, wo das deutsche in den mittelpunkt des unterrichts zu treten bestimmt ist, musz auch ein fremdsprachliches übungsbuch, falls es auf einführung rechnet, den forderungen der muttersprache gerecht zu werden suchen.

Wenn sich nun die verfasser es angelegen sein lieszen, ein lesbares deutsch herzustellen und die richtige mitte zwischen dem zu freien ausdruck und dem zu engen anschlusz an das lateinische zu treffen, so haben sie die erste anforderung, die man an solche bücher stellt, erfüllt, wenn sich auch, wie ich später zeigen werde, hierbei noch einiges abstellen läszt.

2) boten übungsbücher, die ich näher kennen zu lernen gelegenheit hatte, nicht nur einzelsätze, die keinerlei geistige verwandtschaft aufwiesen, sondern im bunten durcheinander die unzusammenhängendsten gedankenreihen dem schüler vor die augen führten, die inhaltlich bald nach der übersetzung dem gedächtnis wieder entschwanden, sondern auch die einzelnen ganzen stücke standen inhaltlich für sich da, ohne rücksicht auf die dem schüler

näher liegenden vorstellungsreihen zu nehmen. man musz es deshalb dankbar anerkennen, dasz das buch von Hoffmann und Votsch auch in den einzelsätzen, die meist bedeutenderen umfangs sind, die verwandtschaft des inhalts neben dem grammatischen stoffe betont.

Auch der dritte fehler anderer übungsbücher, der darin besteht, dasz der grammatische stoff in den einzelnen stücken zu sehr gehäuft war und der schüler kaum eine zeile übersetzen konnte, ohne womöglich auf mehrere schwierigkeiten zu stoszen, ist von den verfassern fast durchweg vermieden worden. in manchem stücke könnte man sogar eine etwas reichlichere verwendung des grammatischen stoffes wünschen. doch was in diesem etwa vermiszt wird, kommt in den folgenden stücken zur geltung.

Wenn nun von den recensenten zuweilen verlangt wird, dasz jede regel der grammatik, nach der ein übungsbuch gearbeitet ist, mindestens in einem beispiel zur verwertung komme, so läszt sich ja an sich dagegen nichts sagen. aber wenn die grammatik nur ein hilfsmittel sein soll, das verständnis der schulschriftsteller zu erschlieszen, so kann man wohl von der einübung seltener fälle in den übungsbüchern absehen. das häufig und gewöhnlich vorkommende musz vielfach und gründlich geübt werden, vereinzelte erscheinungen kann man mit vollem rechte der gelegentlichen lectüre überlassen. es wird den verfassern also kein vorwurf darüber gemacht werden können, wenn sie nicht jeden von Stegmann berührten fall in ihrem übungsbuche zur einübung bieten.

Das buch wird bei seiner bedeutenden reichhaltigkeit, auch ohne jede kleinigkeit zu berücksichtigen, tüchtige Lateiner heranschulen. wegen dieser reichhaltigkeit liegt auch die gefahr ziemlich fern, dasz binnen kurzer frist von den schülern eine lateinische übersetzung zur vererbung geschaffen wird. was nun die benutzung des buches anlangt, so würde ich für meine person die einzelsätze zuerst berücksichtigen und dann erst an die zusammenhängenden stücke herangehen.

Auch der umstand, dasz sich in den beispielen kein besonders sichtbarer fortschritt vom leichteren zum schwereren zeigt, wird dem buche nichts schaden. wie schwer es gerade für diese stufen ist, ein solches ziel zu erreichen, wird jeder beurteilen können, der sich selbst die nötigen schriftlichen arbeiten zusammenstellt. auch läszt sich nicht ohne weiteres entscheiden, was leicht oder schwer ist, weil man nicht weisz, wie weit der bisherige unterricht bereits die kommenden schwierigkeiten gemindert hat.

Die verfasser legen ein besonderes gewicht darauf, dasz einiges zum mündlichen übersetzen benutzt wird, während anderes zu exercitien und extemporalien verwendet werden kann.

Was nun die auswahl der übungsstücke ihrem stoffe nach anbetrifft, so bin auch ich der meinung, dasz sich die mündlichen übungen nicht immer nur an die lectüre, die gerade in der classe betrieben wird, anlehnen müssen; ist doch die lectüre zu wertvoll, N. jahrb. f. phil. u. päd. II. abt. 1893 hft. 2.

6

« PreviousContinue »