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wie in seiner vorstellungswelt läszt sich nicht verkennen hängnisvolles erbteil von seiner mutter her!

ein ver

So ergibt sich denn aus der angestellten betrachtung, dasz selten ein bedeutender mann das dichterwort 'homo sum, nihil humanum a me alienum puto' hinsichtlich der nachsicht seiner beurteiler so stark in anspruch nimmt wie Basedow. nur wenn man einerseits keinen seiner groszen fehler verschweigt, anderseits sie möglichst aus seinen lebensverhältnissen erklärt, nur so wird der freie, unbefangene blick gewonnen, der das unter jenen schwarzen schlacken enthaltene gold zu erkennen und zu würdigen vermag.

Zunächst sei darauf hingewiesen, dasz die der persönlichkeit Basedows anhaftenden schwächen für die von ihm vertretene sache in gewissem sinne nicht ohne günstige einwirkung gewesen sind: die vorsehung bedurfte zu den pädagogischen reformen eines solchen mannes mit einer Rousseaunatur, der seine sanguinischen pläne mit feuereifer zu vertreten, die zeitgenossen mit der leidenschaftlichen glut wiederholten begeisterten aufrufs hinzureiszen, den widersachern rückhaltslos den krieg zu erklären und ihnen hartnäckig und schlagfertig zu antworten wuste. und wenn er auch durch manchen fehlgriff den widerspruch der gegner herausforderte, ein reformator, der gegen althergebrachte vorurteile ankämpft, wird um so mehr die augen der welt auf sich ziehen, je mehr er als hitziger kämpe den streit verschärft.

Vergleichen wir in dieser hinsicht Basedow mit Comenius: beiden ist dieselbe gegnerschaft gemein, der schulpedantismus, der sich hinter das bollwerk veralteter, verrotteter lehrformen verschanzt hat. der grosze Comenius, an reichtum und gründlichkeit der ideen weit über Basedow stehend, entwarf in seiner didactica magna gleichsam einen feinen feldzugsplan, aber er blieb unausgeführt, man hatte keine truppen, den angriff wirksam durchzuführen. Basedow aber wagte kühn den sturm und drang als ein bereits kampferprobter haudegen hitzig gegen das bollwerk vor nur mit einem kleinen häuflein anhänger, aber mit der felsenfesten überzeugung, dasz es seinem anfeuernden kampfgeschrei und der wucht des eignen beispiels gelingen werde, die erleuchteten zeitgenossen zu unwiderstehlichem ansturm mit fortzureiszen. mit dem sturmbock begeisterter worte rannte er die steinmauern veralteter vorurteile um, eine gewaltige bresche klaffte bereits, aber die mitwelt liesz den kühnen stürmer im stich, verlassen und verzweifelt sank er auf der bresche zusammen. aber es war nur ein Pyrrhussieg für seine gegner: ihre position war fortan für immer erschüttert. ehre dem wackern kämpen, der alles in dem streite war und die bahn brach, auf der die moderne pädagogik unter bedachtsamer benutzung der Comeniuspläne nunmehr in das bollwerk eindrang, um gründlich damit aufzuräumen.

DESSAU.

(fortsetzung folgt.)

HERMANN Lorenz.

14.

VERSUCH EINER ÜBERSICHTLICHEN DARSTELLUNG DES SYSTEMS DER EUROPÄISCHEN ALPEN FÜR DEN UNTERRICHT AN HÖHERN LEHRANSTALTEN.

Ohne zweifel ist die darlegung des systems der europäischen Alpen einer der schwierigsten teile des geographischen unterrichts. es liegt diese schwierigkeit einmal in der weiten ausdehnung des gebietes der Alpen, dann in der reichen gliederung derselben. man könnte daher erwarten, dasz die verfasser von geographischen lehrbüchern, die ja von amts wegen dem unterrichte zu grunde gelegt werden müssen, diesem teile des unterrichts besondere aufmerksamkeit geschenkt und die schwierigkeiten auf ein möglichst geringes masz vermindert hätten. leider ist meines wissens dies nicht in genügender weise geschehen, in einigen lehrbüchern (z. b. von Pütz, teilweise auch Seydlitz) findet sich sogar noch die begrenzung der gruppen durch einzelne berge. mit demselben rechte könnte man die grenzen der meere durch die busen derselben angeben! in andern (z. b. Daniel und Kirchhoff) wird das Alpen system nicht als ganzes behandelt, sondern bei den in betracht kommenden ländern stückweise gegeben. wo dieser grosze fehler vermieden ist, wie bei Klein, läszt die begrenzung der einzelnen gruppen sehr zu wünschen übrig. kurz, eine wirklich übersichtliche darstellung des Alpensystems, aus der die schüler eine klare anschauung der lage der einzelnen gruppen gewinnen können und das ist doch beim unterricht die hauptsache bietet meines wissens kein lehrbuch.

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Daher glaube ich den fachgenossen einen dienst zu erweisen, wenn ich die darstellung des Alpensystems, die ich vor ungefähr siebzehn jahren notgedrungen ausgearbeitet und meinen schülern (in Trier und später anderswo) schlieszlich dictiert habe, hiermit in wenig geänderter form veröffentliche.

Was die bezeichnung der gruppen betrifft, so bin ich durchweg dem herkommen gefolgt. bekanntlich hat O. Delitsch in seinem trefflichen werke 'Deutschlands oberflächenform' in dieser hinsicht nicht unbegründete änderungsvorschläge gemacht. sie haben aber meines wissens für die schule wenig praktische bedeutung erlangt, da sie eben zu sehr ins einzelne gehen. jedoch habe ich einiges dankbar benutzt.

Zur gewinnung einer übersicht über das ganze system und die teile desselben habe ich die dreiteilung durchzuführen gesucht, was mir auch durchweg gelungen ist. Die angabe der begrenzung der einzelnen gruppen erscheint vielleicht zu kleinlich. man wolle aber nicht unberücksichtigt lassen, dasz die hydrographischen verhältnisse eines sehr groszen teiles von Europa durch die Alpen be

dingt sind. übrigens mag der lehrer nach der jeweiligen leistungsfähigkeit der classe davon streichen.

Um zur darstellung selbst zu kommen, so wird für die untere stufe die angabe der einteilung der Alpen in die Westalpen vom Mittelmeer bis zum Genfer see, die Mittel- oder Centralalpen von da bis zum Inn und der Etsch und die Ostalpen von da bis zur ungarischen tiefebene genügen. für die mittlere stufe würde hinzutreten die angabe der namen der wichtigsten gruppen innerhalb der angegebenen bezirke mit benutzung der folgenden, für die obere stufe berechneten ausführlichern darstellung.

Die Westalpen erstrecken sich von dem col (= joch) di Tenda', der dieselben von den Apenninen trennt, und dem Mittelmeer bis zum Rhone unterhalb Genf, dem Genfersee, dem Rhoneknie, dem thale der in den Rhone bei Martigny mündenden Drance, dem passe des groszen St. Bernhard und dem thale der Dora Baltea, eines linken nebenflusses des obern Po.

Die Mittel- oder Centralalpen erstrecken sich von da bis zur mittlern Etsch, zum Eisack (einem linken nebenflusse der obern Etsch), dem Brenner passe, dem thale der Sill (eines rechten nebenflusses des Inn) und dem thale des Inn selbst.

Die Ostalpen erstrecken sich von hier bis zum Donauthale bei Wien im nordosten und bis zur ungarischen tiefebene im osten; im norden gehen sie in die bayrische hochebene, im südosten in die bergzüge von Kroatien und das istrisch - dalmatische hochland über.

Die Westalpen zerfallen in drei gruppen: die Meeralpen, die kottischen oder Dauphineer Alpen und die grajischen oder Savoyer Alpen.

Die Meeralpen liegen zwischen der süd- und südostgrenze der Westalpen und dem thale der Stura (eines linken nebenflusses des Tanaro, eines rechten nebenflusses des obern Po), dem thale der Ubaye (eines linken nebenflusses der Durance, eines linken nebenflusses des Rhone) und dem thale der Durance selbst nach norden hin.

Die kottischen oder Dauphineer Alpen mit dem Monte Viso, dem der Po entspringt, und dem Mont Cenis (eisenbahn !) erstrecken sich von hier bis zum thale der Dora Riparia (eines linken nebenflusses des obern Po), dem passe des Mont Cenis, dem thale der Arc (eines linken nebenflusses der Isère, eines linken nebenflusses des Rhone) und dem thale der Isère selbst im norden.

1 nach Seydlitz und andern, da diese teilung die schärfste ist. der geologische gesichtspunkt kann nicht den ausschlag geben, da es ja auch Kalkalpen gibt, so gleich im südwestlichen teile der Meeralpen. andere nehmen als östliche grenze der Meeralpen oder vielmehr der mit ihnen lose zusammenhängenden sog. ligurischen Alpen den col di San Bernardo an, über welchen die strasze von Ceva am Tanaro nach Albenga am Mittelmeer führt.

Die grajischen oder Savoyer Alpen mit dem Mont Blanc, der höchsten erhebung der Alpen (4810 m.), und dem berühmten, von der unterhalb Genf in den Rhone mündenden (obern) Arve durchströmten Chamounixthale erstrecken sich von da bis zur nordgrenze der Westalpen.

Die Mittel- oder Central alpen (deren oben angegebene grenzen von den schülern zu wiederholen sind) werden durch den Comersee, die in denselben von norden einfallende Maira (Mera), den Splügenpass, den mittlern und untern Hinterrhein und den Rhein von Reichenau bis zum Bodensee in zwei (hälften oder) flügel geteilt. jeder flügel zerfällt wieder in zwei hälften, deren jede drei gruppen aufweist.

Der westflügel der Centralalpen wird durch das thal des Rhone, den Furkapass, das zur obersten Reusz sich öffnende Ursernthal und das thal des Vorderrheins in eine nördliche und südliche hälfte geteilt.

Jede hälfte umfaszt drei gruppen.

In der nördlichen liegen in der folge von westen nach osten die Berner Alpen, die Damma-Titlisgruppe und die Tödigruppe (Tödikette mit ihren vorlagerungen).

Die Berner Alpen mit dem Aletschhorn, der Jungfrau, dem Finsteraarhorn und dem Schreckhorn, die alle über 4000 m. hoch sind, und dem ihm nach norden vorgelagerten Berner oberlande werden im osten und nordosten von dem Grimselpass, dem thale der obern Aar (Haslithal) und dem Brienzer- und Thunersee begrenzt.

Östlich von den Berner Alpen liegt die Damma-Titlisgruppe mit dem Titlis im norden, dem Galenstock, dessen gletscher (Rhonegletscher) der Rhone entflieszt (nicht entspringt), im süden und der Damma in der mitte. diese gruppe wird im osten und norden von dem thale der obern Reusz und dem Vierwaldstättersee begrenzt. im nordwesten sind derselben die sogenannten Vierwaldstätter Alpen vorgelagert.

Die Tödikette (Tödi 3625 m.) begleitet den Vorderrhein auf dem linken ufer. mit derselben hängen im norden en ge zusammen und bilden mit ihr eine mächtige gruppe die Schwyzer Alpen mit dem Glärnisch, den Mythen (Schillers Tell!) und dem zwischen dem Vierwaldstätter, Zuger und Lowerz-see gelegenen Rigi3- und die Glarner Alpen. vorgelagert sind letztern nach norden hin die

3

2 die übliche angabe, der Rhone entspringe dem St. Gotthard, ist meiner ansicht nach falsch. Sanct Gotthard bezeichnete ursprünglich nur das berühmte und für reisende sehr wichtige hospiz, dann die umgebung desselben. unmöglich aber kann man heute, wo die cultur die ganze Alpenwelt erobert hat, mit diesem namen gebirgsgruppen bezeichnen, die von dem St. Gotthard sehr scharf getrennt sind, wie ich an ort und stelle erkannt habe.

3 der Rigi hieng vor dem im jahre 1805 erfolgten bergsturze im norden noch enger mit den Schwyzer Alpen zusammen als heute.

Thur-Alpen (besser St. Gallener A.), die durch die einsenkung des Wallensees von den Glarner Alpen geschieden sind. die Tödikette mit ihren vorlagerungen nimmt den ganzen raum zwischen dem thale der Reusz und dem Vierwaldstätter see im westen, dem thale des Vorderrheins im süden und dem thale des Rheins von Reichenau abwärts im osten ein.

In der südlichen hälfte des westflügels der Centralalpen liegen in der folge von westen nach osten die penninischen (weniger gut Walliser), die lepontischen oder Tessiner und die Adula-Alpen.

Die penninischen Alpen mit dem Matterhorn, dem Monte Rosa (4638 m.) und dem Simplonpasse liegen zwischen dem thale der Dora Baltea, dem passe des groszen St. Bernhard und dem thale der Drance (s. oben) im westen, dem thale der in den Lago Maggiore mündenden Toce (gespr. tohtsche) im osten und dem thale des

Rhone im norden.

Die lepontischen oder Tessiner Alpen sind umschlossen von dem thale der Toce im westen und süden, dann auf den übrigen seiten in weitem bogen von dem thale des Tessin (Ticino) und dem Lago Maggiore, in den derselbe mündet.

Die Adula - Alpen (mit den ihnen im süden vorgelagerten Luganer Alpen) liegen zwischen dem thale des Mittelrheins, dem Lukmanierpasse und dem thale des mittlern und untern Tessin im westen, dem thale des Vorderrheins im norden und dem thale des untern und mittlern Hinterrheins, dem Splügenpasse, dem thale der Maira und dem Comersee (s. oben) im osten.

Fast in der mitte des westflügels der Centralalpen, von den genannten sechs gruppen deutlich geschieden, liegt der St. Gotthard mit seinen verzweigungen. der eigentliche St. Gotthard stellt im verhältnis zu seinen groszartigen umgebungen eher eine senkung, denn eine erhebung dar, daher auch zur durchführung der wichtigen Deutschland mit Italien verbindenden eisenbahn gewählt.

Der os tflügel der Centralalpen, dessen grenzen nach der obigen darstellung von dem schüler hier zu wiederholen sind, wird durch das thal des von südwesten nach nordosten flieszenden Inn (bis Innsbruck) in zwei hälften geteilt, in deren jeder drei gruppen liegen.

In der nordwestlichen hälfte liegen in der folge von südwesten nach nordosten 1) die rhätischen Alpen (mit der groszartigen Silvrettagruppe) bis zum thale der untern Ill (eines rechten nebenflusses des Rheins) und der von der Arlbahn durchzogenen bodensenkung im norden, 2) die Algäuer Alpen nördlich vom thale der untern Ill und dem thale des obern Lech, 3) die bayrischen Alpen mit der Zugspitze (2961 m.), dem höchsten berge des deutschen reiches, östlich von den Algäuer Alpen; sie be

4 wenn man die Bergamaskeralpen im südwesten abrechnet, kann man von dreiecken sprechen.

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