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Vorrede des Herausgebers.

Das

as ungemeine Misverhältniß, welches zwischen dem substantiellen Werthe des vorliegenden Buches und seiner

Anerkennung und Verbreitung liegt, nöthigt mich, bei dies fer vermehrten Ausgabe einen Punkt zu berühren, den ich lieber den Fortschritten philosophischer Einsicht überlassen hätte, und bei welchem ich weder die im Auge habe, die sich längst der ernsten Wissenschaft zugewandt, noch auch jene ehrenwerthe Klasse, die mehr durch unmittelbaren Instinkt, als durch klares Bewußtseyn, von den großartigen Formen des Hegelschen Systems sich angezogen fühlte, und ohne sich weitere Rechenschaft darüber zu geben, gern und willig in dem Kreise desselben verharrte.

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Der Werth dieser dem Publikum zum zweiten Mal übergebenen Rechtsphilosophie besteht nicht sowohl in der Begründung und Bodenlegung, welche schon am Ende des vorigen Jahrhunderts von Rousseau und Kant bewirkt wurde, obgleich sie von Hegel tiefer und mit jener eisernen

Kraft zu Stande gebracht worden, die vor Allem unsern Freund auszeichnete, wohl aber in der Ausführung, Unordnung und in der ganz wunderbaren Architektonik, mit der jede Seite und jeder Raum behandelt, in dem Fleiße, der jedem Winkel des Gebäudes zugewandt ist, in dem einen ebenmäßigen und doch wieder verschiedenen Style, der von der Spiße bis zur Grundlage sich bemerken läßt, und der das Ganze jenen Bauten des Mittelalters an die Seite seht, die auch auf beschränkten und engen Pläßen errichtet, troß dem durch ihre Erhabenheit von der Umge bung abziehen, und nach ihren Höhen den Sinn zu richten wissen. Denn was hat der deutsche Geist nicht alles begründet, oder zu begründen versucht? mit der Schaufel und dem Spaten ist man bei uns immer bei der Hand, Risse zu künftigen Gebäuden werden wohl auch verfertigt, und ihre Ausführung dem Enkel, der nicht mehr daran denkt, überlassen, aber selten sind die Gedanken, welche die Abstraktion abschwörend, auch Gestalten werden, selte ner der unermüdliche Geist, der in jede weitergeschrittene Verdichtung seines Stoffes die Frische des Anfangs und den vermehrten Reichthum des durchlaufenen Kreises bringt.

Ein anderer und nicht minder bedeutender, Werth der vorliegenden Rechtsphilosophie liegt in der definitiven Aufhebung des Unterschiedes, den die Abstraktion des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts zwischen Staatsrecht

und Politik gemacht hatte. Heut zu Tage verstehen noch Viele unter Staatsrecht, sey es nun positives oder natürliches, das anatomische Skelett der Staatsformen, aus denen das Leben und die Bewegung gewichen, und das, wie es einmal da liegt, durch Betastung zu erkennen und dem Gedächtniß einzuverleiben ist. Dagegen nennen sie Politik jene bewegtere Staatswissenschaft, die mit der Funktion des Lebens sich über die einzelnen Theile verbreis tet, die daher eine mehr oder minder willkürliche Ausdehnung, je nach den Kräften des Staatslebens, empfangen. Die Politik ist so zu sagen mehr die Physiologie des Staa tes. Dem Alterthum waren diese Abtheilungen und Uns terscheidungen unbekannt: es hatte nur mit einem großen Ganzen, mit einer Allgemeinheit zu thun, und die Republik des Plato, wie die Politik des Aristoteles, sind Naturrecht und Politik, Principien und lebensvolle Ausfüh rung derselben zugleich. Denn wo der Staat das ganze Leben der Freiheit ist, so daß das Außerstaatliche nur als Barbarei erscheint, können jene, Unterscheidungen nur in wendig, nicht aber als ganz besondere Theile und Be trachtungsweisen vorkommen. Erst dem aus den Partikularitäten des Mittelalters hervortretenden Staate des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts mußte es vorbehalten bleiben, in seiner ersten und rohen Beschäftigung mit sich selbst, die einzelnen Unterschiede und Abstraktionen

hervorzuheben, und die Bewegung, die meist auf geschichts
lichem Grunde beruhte, und die Wissenschaft des praktiz
schen Staatsmanns war, von den Grundlagen zu trennen,
die unlebendig zusammenschrumpften, und das Erbtheil der
Juristen wurden. Der neuere Staat ist aber, was die
allgemeine Bedeutung desselben und das Interesse für
seinen Inhalt betrifft, durch eine tausendjährige Geschichte
bereichert, zu dem Standpunkte des Alterthums zurückges
kehrt. Indem er die Wirklichkeit der sittlichen Idee, der
offenbare sittliche Geist geworden, indem er Alles in sich
enthält und bewahrt, was vor ihm nur abstrakt und vers
einzelt auftritt, muß er auch alle Unterscheidungen nur als
seine inwendigen Theile, nicht aber als ihn von außenher
ergreifende erkennen, und was die vergangenen Jahrhun
derte trennten, muß sich jezt wieder zusammenthun und
organisch auszubilden suchen. Drum ist in dem vorliegens
den Buche nichts ausgelassen worden, was sich auf den
Staat beziehen könnte; die politischen Fragen sind aus-
führlich behandelt, und sogar die Wissenschaft der Natio-
nal-Dekonomie hat in der bürgerlichen Gesellschaft ihre
angemessene Stellung und Abhandlung gefunden.

Ein dritter großartiger, und man kann wohl sagen,
der bedeutendste Werth des gegenwärtigen Buches ist,
daß dem Naturrecht nicht bloß ein Anfang und eine
Grundlegung in einer vorangehenden Wissenschaft, sondern

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