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auch ein Ausfluß und eine Mündung in eine nachfolgende gegeben worden. Die bisherigen Naturrechtslehrer hatten übersehen, daß das Naturrecht nicht bloß aufhört, sondern in etwas aufhört, daß wie es vom Boden des subjektiven Geistes ausgeht, es ebenso in die Weltströmungen der Geschichte hineinfällt, und daß ihm als einer mittleren und verbindenden Disciplin nicht bloß ein abgebrochenes, sondern ein sich bestimmt verlaufendes Ende ertheilt wers den muß. Welches ungeheure Schauspiel ist aber diesem Buche als Schluß beigegeben! Von der Höhe des Staas tes aus sieht man die einzelnen Staaten, als ebenso viele Flüsse sich in das Weltmeer der Geschichte stürzen, und der kurze Abriß der Entwickelung derselben ist nur die Ahnung der wichtigeren Interessen, die diesem Boden anheimfallen.

Trok allen diesen Vorzügen, trok der granitnen Grundlage, die diesem Baue gegeben worden, troß dem vielvermögenden Griffel, womit die Ausschmückungen ges zeichnet sind, ist man durch Misverstand und falsche Auslegung dazu gekommen, das vorliegende Buch nicht allein dem deutschen Publikum abwendig zu machen und vor demselben zu sekretiren, sondern es als ein serviles zu bes zeichnen, von dessen Grundsähen und Lehren sich jeder freiheitsliebende Mann entfernt halten müsse. Dieses Resultat þat man nicht etwa durch Auflegung des darin Ent

haltenen, das sogleich die Unwahrheit kund gegeben hätte, erlangt, sondern hauptsächlich durch Ausstellung eines einzigen Sahes der Vorrede: Was vernünftig ist, „das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist „vernünftig." Dieser Sah, der eigentlich platt aus. einandergelegt, wie es sich für die sich Beklagenden ges bührt hätte, nichts sagen will, als daß das wahrhaft Vernünftige, um feiner Natur gemäß zu seyn, sich stets in die Welt einbildet und Gegenwart gewinnt, und daß dasjenige, was in der Welt wahrhaft besteht, auch darin die Rechtfertigung einer ihm inwohnenden Vernünftigkeit trägt, ist nun mit großem Geschrei aufgegriffen und allen Vorübergehenden als Abmahnung vor dem Eingehen in den Ins halt des Buches vorgezeigt worden. Die meisten dieser Abmahner hatten sich alsdann, um konsequent bei ihrer Lehre zu bleiben, mit dem was weiter das Werk enthielt selbst nichts zu schaffen gemacht. Die aufgewiesene Phrase genügte, um die Lesenden und Anstrebenden abzuschrecken, um die Herantretenden zu entfernen und um den Eindruck hervorzubringen, als wenn die Worte der Danteschen Hölle: Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate, über dem Buche ges schrieben ständen. Was fand aber der, welcher troß dem Geschrei und seiner zischenden Verbreitung sich näherte und einging? Fand er nicht das ganze Werk aus dem einen Metalle der Freiheit errichtet, fand er irgend einen wider

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strebenden Zug, irgend eine rückgängige, in den heutigen Verhältnissen dem Mittelalter huldigende, und der Zeit etwa unzusagende Bewegung? Hatte der Verfasser, wir wollen nur von Einigem reden, nicht in einer schwierigen Zeit die Deffentlichkeit der Gerichte und der Ständever, Handlungen, so wie die Geschwornengerichte, als der Vers nünftigkeit einzig und allein entsprechend aufgestellt, hatte er den Monarchen anders, als die nothwendige und ges dankenmäßige Spiße des Staates aufgefaßt, hat er ihn bloß als aus der Positivität und der Geschichtlichkeit hervorgehend begriffen? Wenn wir von der Freiheit nicht bloß als von dem Grundelemente, sondern als von dem einzigen Stoffe dieses Buches sprechen, so versteht es sich von selbst, daß darunter nicht jene fubjektiv-laute, jene enthusiastisch und raketenmäßig emporzischende, sons dern vielmehr die zur Sättigung, aber auch dadurch zu größerer Festigkeit gediehene, gemeint ist. Der Freiheit geht es häufig so, daß, wo sie nicht als Gegensah erscheint, sie auch nicht als anwesend geachtet wird. In dem Hegelschen Geiste lag aber vor Allem die Wandelung, daß alles Subjektive sich gleich in Wesenheit umseßte, und daß das her selbst beiläufige. Bemerkungen sofort die Natur eines kernigen Niederschlags gewannen. Wer sich indessen das von nicht abschrecken ließ, sondern denselben untersuchte, konnte über seinen Inhalt nicht zweifelhaft seyn. Mir,

dem dieses Buch zuerst den Muth gab, einen neuen Standpunkt für die Rechtswissenschaft aufzustellen, und der die Freiheit stets neben der Wissenschaft als liebe Ges fährtin begrüßte, hat die neue Durcharbeitung dieses Werks nur den stärkendsten Genuß und die festere Bes stätigung aller früheren Gedanken gewährt.

Soll ich nun gar von den Gegnern nicht bloß der Rechtsphilosophie, sondern des ganzen philosophischen Stands punktes sprechen, aus dem sie hervorgeht? Wir Alle, die wir uns der neueren Philosophie ergaben, um unsere Spes cialwissenschaften dadurch zu befruchten, oder zu erheben, haben niemals anders als mit der tiefsten Ehrfurcht den Namen Schellings ausgesprochen. Er ist uns einer, der neben Plato und Aristoteles, neben Cartesius und Spinoza, neben Leibniz, Kant und Fichte seinen Plah einnimmt. Er ist uns der jugendliche Entdecker des Standpunktes der neueren Philosophie, der Columbus, der die Inseln und Küsten einer Welt auffand, dessen Festland Anderen zu erobern überlassen blieb. Aber wie es so häufig geht, daß diejenigen, die in der Unmittelbarkeit ihres Geistes einen großen Schritt vorwärts gethan, nicht mehr so viel von dieser Kraft besißen, um die Ausführungen und Einarbeitungen zu Stande zu bringen: so ist auch diese Philosophie in ihrer logischen Entwickelung, und der dieser entsprechenden dialektischen Methode, an einen An

dern übergegangen, der nicht so sehr, wie Schelling, das leichte Hinwerfen des Genies, als vielmehr im höheren Grade die gründliche Ausdauer des Mannesalters und die substantielle Kraft sich über den ganzen Reichthum der Welt zu verbreiten besaß. Es ist nun wohl natürlich, und auch menschlich zu erklären, daß der seit nunmehr fünf und zwanzig Jahren Zurückgetretene über den Fort, schritt, der auch ihn als wesentlich Ueberschrittenen bezeich net, unmuthig wird, und sich dagegen wie gegen eine logische Feffel, die die Freiheit und das Leben ertödtet, sperrt. Uber weniger zu erklären ist es, wenn es verlautet, daß der große Urheber der Identitätsphilosophie von dem, was ihn auszeichnete, von seinem Principe abgewichen sey, und in dem wissenschaftlich undurchdrungenen Glauben und in der Geschichte ein Asyl gesucht habe, unter dem sich nun seine neue Philosophie, die den Namen der „Geschichtlichen“ neuerdings angenommen, unterzustellen und sich von diesem als abhängig zu erweisen habe. Soll auch, wie es fast scheint, die geschichtliche Juristenschule mit in dies sen Kreis hineingezogen werden, so würde ihr freilich die Ehre widerfahren, daß sie, nicht wissend wie, zu einer Philosophie käme; wir aber müßten von denen, die also zu Werke gehen, Folgendes fagen. Sie ärgern sich, sobald sie in das System der logischen Philosophie getreten sind, daß sie nicht auch zu gleicher Zeit draußen seyn können;

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