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Die Geometrie.

Die Geometrie ist die auf Anschauung sich stüßende Darstellung von Ge= stalten und ein gewöhnliches Beweismittel der Philosophen), indem sie, um dies durch die allerhöchste Anerkennung belegen zu können, behaupten, ihr Jupiter verwerte in seinen eigenen Werken die Geometrie. Ich weiß freilich nicht, ob darin ein Lob oder ein Tadel liegt, wenn sie vorgeben, Jupiter male daselbst mit himmlischen, was jene mit irdischen Farben malen. Wenn wir dies aber vernünftiger Weise auf Gott, den allmächtigen Schöpfer, anwenden, so dürfte vielleicht an jenem Ausspruche etwas als wahr zutreffen.

Denn geometrisch verfährt, wenn man so sagen darf, die heilige Gottheit, indem sie ihren Geschöpfen, welche sie noch bis heute erhält, verschiedene Arten und Gestaltungen zutheilt; indem sie mit anbetungswürdiger Macht den Gestirnen ihre Bahnen zugewiesen hat, die beweglichen in bestimmten Kreisen laufen lässt und die unbeweglichen an feste Punkte geheftet hat. Denn alles, was wohlgeordnet und gefügt ist, das ist auf den eigenthümlichen Inhalt dieser Wissenschaft zurückzuführen. Das Wort Geometrie heißt so viel als Erdmessung und wird so erklärt: die Geometrie ist die Wissenschaft von dem unbeweglichen Weltall und von den individuellen Formen. Weil nach den verschiedenen Figuren dieser Wissenschaft zuerst Ägypten, wie einige sagen, als Eigenthum vertheilt sein soll, so nannte man einstmals die dieser Wissenschaft Kundigen, Messer. Doch erzählt der gelehrte Lateiner Barro, dieser Name sei dadurch entstanden, dass einst Leute durch Ausmessung der Länder feste Grenzen geschaffen und den herumschweifenden Völkern den Segen des Friedens gezeigt hätten; späterhin sei auch der Lauf des ganzen Jahres eingetheilt in Monate, welche man, weil sie das Jahr messen im Lateinischen geradezu Messer (menses) genannt hat. Nach solchen Ergebnissen begannen dann Leute, die sich berufen fühlten, auch das Unsichtbare zu durchforschen, zu untersuchen, wie groß der Abstand des Mondes von der Erde, auch der Sonne vom Monde, und wie weit die Entfernung sei bis zum Scheitelpunkte des Himmels; das, sagt er, hätten die klügsten Geometer auch erreicht. Dann habe man, wie er in glaubhafter Weise berichtet, auch die Ausdehnung der ganzen Erde berechnet, und so sei es geschehen, dass diese Wissenschaft den Namen Geometrie bekommen habe, den sie viele Jahrhunderte hindurch behalten hat. Diese Wissenschaft ist aber auch bei dem Bau der Stiftshütte und des Tempels angewandt worden, wo man ein und denselben Maßstab, dieselben Cirkel, Kugeln, Halbkugeln, Vierecke und die übrigen mathematischen Figuren gebraucht hat. Die Kenntnis von dem allen verschafft daher dem, der sich damit befasst, eine wesentlich tiefere Einsicht.

Die Musik.

Die Musik ist die Wissenschaft, welche von den Zeittheilen handelt, die einen bestimmten Zweck haben, das will sagen, von denen, welche man in den Tönen wahrnimmt, z. B. zwei-, drei-, vierfache Dauer u. s. w., die zu einem bestimmten Zwecke hörbar gemacht werden. Diese Wissenschaft ist darum so hoch und nüßlich, dass derjenige, welcher sie nicht kennt, das kirchliche Amt nicht

in gebührlicher Weise verwalten kann. Denn alles, was beim Vorlesen schön vorgetragen wird, und was von den Psalmen in der Kirche lieblich ertönt, empfängt durch diese Wissenschaft sein Maß; und wir lesen und singen nicht allein mit Hilfe dieser Wissenschaft in der Kirche, sondern wir feiern auch durch sie den Gottesdienst in der rechten Weise. Die Musik nämlich umfasst alle Bethätigungen unseres Lebens in folgender Weise, dass wir erstens die Gebote des Schöpfers halten und uns mit reinem Sinn nach den von ihm gegebenen Vorsägen richten; denn alles, was wir reden, und was uns tief drinnen in den Pulsschlägen erregt, das wird durch den Rhythmus (der Musik als harmonisch verbunden dargethan, da die Musik die Kunst ist, die Töne in gefälliger Weise zu verändern. Wir beweisen uns auch, wenn wir uns eines rechtschaffenen Wandels befleißigen, stets als Jünger einer solchen Wissenschaft: denn die Bösen haben keine Lieder.

Auch alles, was im Himmel und auf Erden mit Zulassung des Höchsten geschieht, ist nichts anderes als Musik, wie ja Pythagoras bezeugt, dass diese Welt durch die Musik erschaffen sei und durch sie regiert werden könne. Sogar in der Christenheit hat sie sich eine hohe Anerkennung verschafft, und daher kommt es, dass die Unkenntnis von wenigstens einigen musikalischen Dingen vieles verschließt und verdunkelt.

Die Astronomie.

Es ist noch die Astronomie übrig, welche, wie einmal jemand gesagt hat, für die Frommen ein wertvolles Beweismittel, für die Neugierigen eine wahre Plage ist. Wenn wir uns daher in sie mit lauterem und bescheidenem Sinn versenken, so erfüllt sie uns, wie auch die Alten sagen, mit großer Liebe zu ihr. Denn was will es doch heißen, im Geiste in die Himmel aufzusteigen und den ganzen überirdischen Bau mit der forschenden Vernunft zu zerlegen und mit der Schärfe des eindringenden Verstandes dasjenige wenigstens theilweise zu ergründen, was ein so unermesslicher Raum in Geheimnis gehüllt hat! Denn die Welt soll, wie einige meinen, Kugelgestalt haben, um die verschiedenen Weltkörper in ihrem Umkreise zu fassen. Daher hat Seneca in Übereinstimmung mit den Philosophen seinem Buche den Titel gegeben: „Über die Gestalt der Welt."

Die Astronomie nun, über die wir sprechen, heißt aber die Wissenschaft von dem regelmäßigen Lauf der Gestirne, weil sie durchaus nicht anders,`als es ihnen von ihrem Schöpfer bestimmt ist, stillstehen oder sich bewegen können, es sei denn, dass sie vielleicht einmal durch ein Wunder nach dem Belieben der Gottheit einem anderen Geseze gehorchen. So lesen wir, daß Josua, der Sohn Nuns, der Sonne in Gibeon still zu stehen befohlen hat, dass sie zur Zeit des Königs Hiskias zehn Linien zurückgegangen ist, daßß sie beim Tode Christi sich drei Stunden lang verfinsterte u. dergl. m. Man nennt dies deshalb ein Wunder, weil es der gewöhnlichen Ordnung der Dinge zuwider und daher auffallend ist. Denn diejenigen Sterne, welche festen Stand am Himmel haben, schweben; die Planeten dagegen, d. i. die Wandelsterne, welche gleichwohl ihre Bahnen nach bestimmten Geseßen zurücklegen, bewegen sich.

Die Astronomie ist also, wie schon gesagt, die Wissenschaft, welche den Lauf und die Bilder der Himmelsgestirne zum Gegenstande hat, welche alle Verhältnisse der Sterne zu einander und zur Erde mit forschendem Geiste prüft. Doch sind die Astronomie und Astrologie einigermaßen verschieden, obschon beide eine und dieselbe Wissenschaft ausmachen. Denn die Astronomie beschäftigt sich mit der Bewegung des Himmels, mit dem Aufgange, mit dem Untergange und dem Laufe der Gestirne oder mit den Gründen ihrer Bewegung; die Astrologie dagegen ist theils etwas Naturgemäßes, theils etwas Abergläubisches; naturgemäß ist sie, so lange sie sich beschäftigt mit dem Laufe der Sonne, des Mondes und der Sterne und mit der Bestimmung der Zeiten; abergläubisch dagegen ist diejenige, welche die Sterndeuter treiben, die aus den Sternen weissagen und zwölf Sternbilder im Anschlußß an die Unterabtheilungen der Seele und des Körpers unterscheiden und aus dem Laufe der Sterne die Geburts- und Todesstunden des Menschen lesen wollen. Jenen Theil der Astrologie, welcher sich in den Grenzen der Naturforschung hält, den Lauf der Sonne, des Mondes und der Sterne erforscht und den Wechsel der Zeiten (genau beobachtet, mußß die christliche Geistlichkeit sorgfältiger erlernen, um durch sichere Anwendung ihrer Regeln und in unwiderleglicher und vollgiltiger Erwägung der Beweisgründe nicht allein den Lauf vergangener Jahre der Wahrheit gemäß erforschen, sondern auch in Betreff der Zukunft in zuverlässiger Weise Schlüsse ziehen zu können, und im Stande zu sein, den Beginn des Osterfestes und die Termine aller Feste und Feiertage selbst zu bestimmen und sie der Gemeinde Gottes als Feiertage ordnungsmäßig bekannt zu machen.

C. Das Laienthum und dessen Erziehung.

1. Die ritterliche Erziehung.

a) Das Ritterthum im allgemeinen.

Vor den Kreuzzügen war die Geistlichkeit fast allein im Besize der Bildung und stüßte dieselbe, außer der Kenntnis der christlichen Religion, namentlich auf die Kenntnis des römischen Alterthums. Durch die Kreuzzüge aber wurde der Bildungsstand verändert; das Ritterthum gewann an Macht und Ansehen und erstrebte eine neue, von der Kirche sich emancipierende Richtung.

Das deutsche Ritterthum, entsprungen aus dem Feudalwesen (Lehenswesen), verfeinerte die Erziehung allmählich durch die Geselligkeit der Höfe und durch die Poesie, welche dort gepflegt wurde und hauptsächlich die Frauen verherrlichte.

Im Gegensatz zu der mönchischen Erziehung legte das Ritterthum den höchsten Wert auf die Individualität. Ehre, d. h.

der Inbegriff der männlichen und vorzüglich der ritterlichen Würde und die Liebe waren die erhabensten Begriffe im Ritterthum.

Die Würdigung der schönen und frommen Frau hieng wesentlich zusammen mit dem innigen Sinne für Häuslichkeit und Familie, deren Mittelpunkt ja die Frau ist. Besonders hielt man für das Jugendalter den Umgang nnd den Verkehr der beiden Geschlechter für ein pädagogisches Mittel, um den rohen Sinn der männlichen Jugend zu veredeln und zu sänftigen.

Einen nicht unerheblichen Bestandtheil in dem Gedankenkreise der mittelhochdeutschen Poesie, namentlich der didaktischen, bilden Betrachtungen über das Erziehungswesen. Walther von der Vogelweide gibt namentlich wiederholt Anweisung, wie man die Kinder in strenger Zucht halten und durch gutes Beispiel bilden solle.

In der Regel waren die Höfe der reichen Ritter die Bildungsstätten, wo der junge Adel sich versammelte, um sich hier Sitte und edle Zucht anzueignen. Zu den sieben freien Künsten des Geistes nahm die ritterliche Erziehung die sieben ritterlichen Künste hinzu : Reiten, Schwimmen, Pfeilschießen, Fechten, Jagen, Schachspielen, Versemachen einerseits, und sinnige Verehrung der Frauen (Minnedienst) andererseits. Auf die Vervollkommnung des Körpers wurde hoher Wert gelegt, deswegen wurde die Gymnastik, welche im Turnier zur Anwendung kam, vorzugsweise gepflegt.

b) Die Erziehung der Mädchen.

Die Töchter lernten unter der Anleitung der Ammen und der Mütter spinnen, weben u. dergl., zuweilen auch gemeinsam mit den Knaben das Lesen, oder der Burggeistliche ertheilte den Unterricht in der Religion und im Lesen. Die Töchter vornehmer Ritter, Grafen und Fürsten lernten auch Französisch, Latein, Gesang und Saitenspiel. Anstand, Höflichkeit und Sitte eigneten sie sich entweder bei Hofe von einer Meisterin, oder auf den Schlössern vornehmer Rittergeschlechter an.

c) Bildungsstufen der männlichen Jugend.

Der ritterbürtige Edelmann hatte 3 Stufen der Erziehung zu durchlaufen.

1. Der Knabe, welcher bis nach zurückgelegtem 7. Jahre unter mütterlicher Aufsicht und Leitung stand, kam nachher auf das Schloss eines befreundeten Ritters, wo er sich in den verschiedenen Diensten übte. Er erhielt den Namen „Jungherrelin, Page," und musste als solcher bei Tische aufwarten, besonders der Dame dienen und den Herrn auf dessen Zügen begleiten. Die Zucht war zunächst gerichtet auf äußern Anstand, gefällige Haltung und Redeweise, besonders bei Tische. Vom Bubenzuchtmeister (Tuchteler, Zuchteler) lernte er die Regeln des Turniers.

2. Nach zurückgelegtem 14. Lebensjahre trat der Knabe in den Stand der Knappen und Jungherren oder Edelknechte, Schildträger, Wappner. In weißem Kleide, brennende Wachskerzen in den Händen haltend, wurde er hiebei von den Eltern zum Altare geführt, wo er vom. Priester den eingesegneten Degen nebst Degengehänge erhielt, womit die Erlaubnis verbunden war silberne Sporen zu tragen. Mit der Überreichung des Degens war in Deutschland ein Backenstreich verbunden, womit angedeutet werden sollte, dass der Knabe nunmehr aus dem Alter der körperlichen Züchtigung herausgetreten sei. Seine nunmehrige Aufgabe zeichnet ihm die alte ordre de chevalerie vor, wenn sie sagt: „Es gebührt sich, dass der Sohn eines Ritters, so lange er ein Knappe ist, mit den Pferden umzugehen wisse, dass er zuvor Unterthan sei, ehe er Herr wird, sonst würde er nie ein Herr werden, der die Vorzüge seiner Herrschaft erkennt.“ Und wie einer, der ein Schneider oder Zimmermann werden will, einen Meister dieses Handwerks haben muss, eben so gebührt es sich auch, dass jeder Edelmann, wenn er ein braver Ritter werden will, vorerst einen Meister haben wüsse, der selbst Ritter ist.“

Seine neue Pflicht war, seinem Herrn, gleich dessen Schatten, überallhin zu folgen und an Höfen als Vorschneider, Stalljunker, Stallmeister und Flaschenbewahrer dem Winke des Fürsten und seiner Gemahlin gewärtig zu sein. Schön, fein und höflich reden zu lernen. und mit Gewandtheit und Anmuth zu Zeiten die Gäste zu unterhalten, welche er bediente, mit Freimuth und Anstand zu antworten, waren Aufgaben, die er unausgesezt zu lösen hatte.

Eine besondere Beschäftigung für ihn war das Zureiten der Pferde. Mühsame Spiele, durch die der Körper die zum Kampfe erforderliche Stärke und Geschwindigkeit erhielt, Ringrennen zu Pferde

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