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Es hatte nämlich Bischof Chrodegang von Meß († 766) seine Geistlichen nach dem Vorbild der Regel Benedicts von Nursia zu einem gemeinsam geregelten Leben im Domcapitel vereinigt, und eine Hauptseite der Bethätigung dieser Gemeinsamkeit war der Unterricht und die Erziehung der Jugend, zunächst der für den geistlichen Stand bestimmten. Sie wurde einem besonders bewährten Domherrn übertragen. Bald fanden diese Domstifte bei allen Bisthümern Eingang und somit die Kathedralschulen ihre natürlichen Pfleger an einem der Kanoniker, der davon den Namen Scholasticus führte.

Besonders aber wusste Karl die Bildung seines Volkes dadurch zu fördern, dass er ausgezeichnete Kräfte mit scharfem Blick erkannte und aus der Fremde herbeizog. So vor allen den Angelsachsen Alcuin (gest. 804), dem er die Leitung aller Schulen seines Reiches übertrug und die Erziehung seiner eigenen Kinder anvertraute.

Als Muster einer Schule seiner Zeit ist seine Hofschule anzusehen, in welcher die Kinder der Hofleute, auch wohl Erwachsene, an dem Unterrichte theilnahmen. Er selbst nahm bisweilen am Unterrichte theil, auch prüfte er die Fortschritte der Schüler und stellte wohl die fleißigen zu seiner Rechten, die trägen und flüchtigen zu seiner Linken, jene lobend und ihnen gute Ämter für die Zukunft verheißend, diese aber mit ernstem Worte scheltend.

Hinter solchem Eifer des Königs wollten dann die Bischöfe nicht zurückbleiben. Davon legen manche Synodalbeschlüsse, die übrigens immer durch die Hand Karls giengen, deutliches Zeugnis ab. Einer derselben lautet: „Es ist billig, dass die Eltern ihre Kinder in die Schule geben, es sei in die Klöster oder zu den Weltpriestern, damit sie das Glaubensbekenntnis und das Gebet des Herrn recht lernen, damit sie zu Hause wiederum andere lehren können, und wer es anders nicht kann (nämlich lateinisch), möge es in seiner Sprache (nämlich deutsch) lernen.“

Solchen Beschlüssen wurde dann durch die kaiserlichen Sendgrafen der gehörige Nachdruck gegeben. Diese waren beauftragt, diejenigen, welche sich widerstrebend zeigten und ihre Kinder nicht zur Schule schicken wollten, mit einer entsprechenden Strafe zu belegen.

Wir sehen also hier zum erstenmale durch Karl den Großen den Schulzwang angewendet.

Große Sorgfalt wandte Karl d. Gr. der Verbesserung des Kirchengesanges zu. Bei seinem Aufenthalt in Italien hatte der dort überall eingeführte gregorianische Kirchengesang einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Papst Gregor der Große (gest. 604) hatte nämlich die früher übliche ambrosianische Singweise, welche volksthümlich beweglich, aber allmählich durch Überladung verweltlicht war, in den einfach und feierlich sich bewegenden Mönchsgesang umgewandelt. Er hatte selbst die zu seiner Gesangschule herangezogenen Waisenknaben eifrig unterwiesen; die Leistungen hatten weit und breit Hörer herbeigezogen. Zur Erinnerung hieran wurde Gregorius nachmals Schußpatron der Schulen und alljährlich ihm zu Ehren das Gregoriusfest oder Fest der Schulleute gefeiert (am 12. März seit dem 9. Jahrhundert).

Um diesen gregorianischen Gesang nun bei seinen Franken einzuführen, ließ Karl ausgezeichnete Lehrer aus Italien kommen. Doch mag es denselben wohl anfangs ziemlich schwer geworden sein, da ein Geschichtsschreiber jener Zeit über die musikalischen Anlagen der Deutschen berichtet: „Die riesigen Leiber, deren Stimme wie der Donner braust, können die süßen Töne nicht nachahmen, weil die barbarische Wildheit ihrer durstigen Kehle Laute von sich gibt, knarrend wie ein Lastwagen, der über einen holperigen Weg dahinfährt."

Diese und andere Bestrebungen des großen Kaisers zur christlichen Bildung seines Frankenvolkes und aller Deutschen wurden zum Theil verwirklicht durch Heranziehung und Förderung der Geistlichkeit, von Männern wie Alcuin und dessen berühmtem Schüler Rhabanus Maurus (gest. 856 als Erzbischof von Mainz), welch letzteren man den ersten Pädagogen Deutschlands genannt hat. Viele Aufgaben aber, die dieser seiner Zeit weit voranfliegende Geist in sich bewegt hat, sind nach ihm Jahrhunderte lang liegen geblieben und erst von spätern Geschlechtern wieder aufgenommen worden. Zwar hat es auch später an deutschen Kaisern nicht gefehlt, denen die Schule am Herzen lag, so Conrad I., unter den Sachsen Otto III., unter den Hohenstaufen Friedrich II.; aber es war doch vorzugsweise die höhere Bildung der Geistlichen und des Adels, die sie im Auge hatten.

Ans Alcuins Grammatik.

Erster Dialog.

Schüler: Gelehrter Meister, wir haben dich öfter sagen hören: die Philosophie sei die Lehrerin aller Tugenden, und unter allen Schäßen der Welt habe sie allein ihren Besizer niemals unglücklich gemacht. Diese deine Worte haben, offen gestanden, uns veranlasst, einem so außergewöhnlichen Glücke mit dem Wunsche nachzuforschen, die Haupttheile jenes Unterrichts oder die Stufen zu diesem Glück kennen zu lernen. Unser Alter ist ja noch zart und, wenn du ihm nicht die Hand bietest, allein zu schwach, sich aufzurichten. Aber wir wissen auch, dass uns die Anlage zur geistigen Thätigkeit im Innern ruht, wie die zum Sehen im Haupte. Werden die Augen daher vom Sonnenglanze oder irgend einem andern Lichtschein getroffen, so vermögen sie alles, was sich den Blicken bietet, vollkommen deutlich zu unterscheiden; das übrige bleibt wegen mangelnden Lichts bekanntlich im Dunkel. So hat auch der Geist die Kraft zur Aufnahme der Weisheit, sobald ihn jemand zu erleuchten beginnen wird.

Lehrer: Recht passend habt ihr da den Geist mit den Augen verglichen, meine Söhne. Möge er, der alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen, euren Verstand erleuchten, auf dass ihr es in der Philosophie zu Fortschritten bringen könnt, welche, wie ihr sagtet, niemals ihren Besiter im Stich lässt.

Schüler: Meister, wir haben die feste Überzeugung, dass wir bei dem suchen müssen, der da gibt reichlich und rückt es niemand auf; jedoch bedürfen wir allmählicher Unterweisung und, wie die Schwächlichen, einer Führung im langsamen Schritt, bis wir etwas zu Krästen gekommen sind.— Wie der Kieselstein von Natur das Feuer in sich trägt, das ihm beim Anschlagen entsprüht, so besißt auch der menschliche Verstand von Natur das Licht der Erkenntnis : wird es indessen nicht durch oft wiederholte Anstrengung eines Lehrers heraufgeholt, so bleibt es wie der Funke im Kiesel in ihm verborgen.

Lehrer: Die Aufgabe, euch den Weg der Weisheit zu zeigen, ist eine leichte, wenn es allein Gott, wenn es die Kunde der Dinge, die Reinheit des Herzens, die Erkenntnis der Wahrheit und wenn auch sie selbst es ist, um deretwillen ihr die Weisheit lieb habt, und wenn es nicht Ruhm bei den Menschen oder Ehre vor der Welt oder auch die trügerischen Freuden des Reichthums sind, lauter Güter, die ihre Freunde desto weiter von dem wahren Lichte der Erkenntnis abführen, jemchr sie von diesen geliebt werden. Hier ist es gerade wie mit dem Trunkenen, der den Heimweg nicht zu finden vermag.

Schüler: Nun, wir bekennen, die Glückseligkeit zu lieben; wissen aber nicht, unter welcher Gestalt fie in dieser Welt aufzutreten hat.

Lehrer: Von Natur ist dem Herzen der Menschen die Sehnsucht nach dem wahren Gute eingepflanzt, aber die meisten Menschen unter ihnen führt der Irrthum auf Frrwege und zu mancherlei falschen Zielen. Die einen von ihnen können sich das höchste Glück nicht ohne unbegrenzten Reichthum denken, andere haben an Ehrenstellen ihre Freude, andere wünschen sich Macht, noch andere finden an finnlichen Genüssen Vergnügen, und andere wieder jagen nach

Ruhm, Dinge, die, ein wenig aufmerksam betrachtet, mit so vielem Ungemach verknüpft sind, dass es kaum den Anschein hat, als könnten sie auch nur etwas an Glückseligkeit gewähren. Diejenigen nämlich, welche sich das träumen, sind der Ansicht, irgendwo sei das wahre Glück; während jedoch ein natürlicher Trieb sie zum wahren Gute leiten will, bringt sie der Irrthum in mannigfacher Gestalt um ihrer Unwissenheit willen vom Wege ab.

Schüler: Welchem unvernünftigen Menschen sollte die Vergänglichkeit dieser Dinge unbekannt sein? Wer wüsste aber troßdem nicht, dass sie, reichlich vorhanden, dem Pilger dieses Lebens von Nußen sind?

Lehrer: Mit Maß gebraucht, nüßen sie; im Übermaß sind sie lästig. Daher auch jener Ausspruch der Weisen: Nichts im Übermaß!

Schüler: Bekanntlich ist im Übermaß alles schädlich. Aber wie weit darf das Streben nach dem Besit jener Dinge, die du eben aufgezählt haft denn gehen?

Lehrer: So weit, als es das Bedürfnis des Lebens erfordert und es die Beschäftigung mit der Weisheit verlangt.

Schüler: Mit solchen Vernunftgründen die sinnlichen Wünsche zu zügeln halten wir für eine Aufgabe der Vollkommenen.

Lehrer: Eben zu dieser Vollkommenheit fordere ich euch, meine Söhne auf, so lange ihr euch eines blühenden Alters und frischer Geisteskraft erfreut. Schüler: So leite du uns denn hin und her auf den Pfaden der gött-, lichen Vernunft und bringe nns auf den Gipfel dieser Vollkommenheit; denn wir wollen, wenn auch ungleichen Schrittes, deiner Leitung folgen.

Lehrer: Mensch, du vernunftbegabtes Wesen, deinem besseren Theile nach unsterblich und deines Schöpfers Ebenbild, warum lässt du das deine verderben? Warum begehrst du nach dem Fremden? Weshalb gehst du dem Niedrigsten nach und kümmerst dich nicht um das Höchste ?

Schüler: Was ist das Meine, und was das Fremde?

Lehrer: Fremd ist, was man außen sucht, wie das Sammeln von Reichthum; des Innern Schmuck ist Weisheit! Hast du dich mithin selbst erst in deine Macht bekommen, o Mensch, so wirst du das besigen, um dessen Verlust du ein Leid tragen wirst und das kein Unfall dir wird rauben können. Ihr Sterblichen, weshalb also sucht ihr außer euch und habt doch in euch, dessen ihr begehrt?

Schüler: Wir suchen das Glück.

Lehrer: Ein schönes Streben, wenn ihr das bleibende und nicht das flüchtige sucht! Ihr seht es, wie viel Ereignisse das irdische Glück verbittern, wie es dem Einzelnen weder ungemischt zutheil wird, noch ihm treu bleibt, weil sich in diesem gegenwärtigen Leben nichts Unwandelbares finden lässt. Was ist herrlicher als das Licht? Und von der nachfolgenden Finsternis wird es verdunkelt! Was ist lieblicher als die Blumen des Sommers? Und dennoch vertilgt sie der Winterfrost! Was ist angenehmer als die Gesundheit des Leibes? Und wer kann auf ihren fortwährenden Besit rechnen? Was ist erwünschter als ein ungestörter Friede? Und dennoch leider! macht ihm ein Streitfall oft ein Ende!

Schüler: Ohne Zweifel ist dem allen so, wie du sagst; aber wozu dies alles?

Lehrer: Damit ihr vom Größeren das Kleinere erkennt.

Schüler: Auf welche Weise?

Lehrer: Wenn schon Himmel und Erde, die gemeinsame Augenweide und Nießbrauch aller Sterblichen, in eigenem Wechsel sich immerfort_wandeln, um wie viel mehr muss da die Freude an irgend einem einzelnen Dinge vergänglich sein? Und warum mass das geliebt sein, was keinen Bestand haben kann? Was denkt, ihr Menschen, euch denn beim Lobpreis eures Namens, bei der Würde einer Ehrenstelle, bei der Sammlung von Reichthum? Habt ihr von Crösus Reichthum, von Alexanders Ruhm und Pompejus' geehrter Stellung gelesen? Und was werden diese Dinge denen nüßen, welchen Untergang droht, wenn jene drei durch frühzeitigen Tod den mit großer Mühe erworbenen Ruhm so schnell einbüßen mussten, und derjenige, welcher in fremdem Gerede seine Ehre sucht, die Klarheit seiner sittlichen Einsicht getrübt hat? Was sinnt ihr darauf, Schäße zu sammeln, die entweder euch im Stiche lassen, oder die ihr im Stiche lassen müsst, die aufzubrauchen weit vortheilhafter ist als zu bewahren denn Geiz macht ja verhasst, Freigebigkeit berühmt und die man nur auf Kosten anderer zusammenscharren kann? Was begehrt ihr Ehren, die Nahrung des Hochmuths? Ist nicht einer aller Vater? Und warum wollt ihr euren Schöpfer beleidigen, indem ihr das Schlechtere liebt und das Bessere darangebt? Sein Wille war, dass das menschliche Geschlecht über allem Frdischen stehe; ihr drückt eure Würde unter alles, was niedrig heißt, herab! Wie viel edler ist es doch, das Innere zu schmücken als das Äußere, und für die Schönheit der ewigen Seele zu sorgen!

Schüler: Was ist denn der Seele ewiger Schmuck?

Lehrer: Vor allem zuerst Weisheit; und ich ermahne euch, nach ihr am eifrigsten zu streben.

Schüler: Woher wissen wir, dass die Weisheit ewig ist? Wenn das alles, was du vorhin aufgezählt hast, ein Ende nimmt, warum sollte nicht auch das Wissen davon vergänglich sein?

Lehrer: Glaubt ihr wohl, dass die Seele ewig ist?

Schüler: Das glauben wir nicht bloß, sondern davon sind wir auch fest überzeugt.

Lehrer: Ist Weisheit der Seele Schmuck und Schönheit?

Schüler: Gewiss.

Lehrer: Und wie könnte es denn ein Glück für die Seele sein, ohne Weisheit, ohne ihren Schmuck, ewig zu leben? Ist es nicht eine unverständige Behauptung: die Seele lebe ohne ihren Schmuck und ohne ihre Schönheit? Folglich sind, wie klar ersichtlich, beide ewig, nämlich die Seele und die Weisheit. Seht ihr nicht, wie durch irgend einen Unfall der Reichthum so sehr häufig seinen Besizer im Stiche lässt und alle weltlichen Ehren so vielfach zunichte werden?

Schüler: So sehen wir auch, dass nicht einmal die Macht eines Königreiches von langer Dauer ist.

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