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markte gekauft werden. Es weisen wohl auch wahrscheinlich viele von den kleinen Näpfchen, Schälchen und Fläschchen, die man ebenfalls in den Gräbern findet, auf die altdeutsche Kinderstube hin.

Je mehr die Jugend heranreifte, desto ernsthafter und strenger wurden die Spiele. Während der Vater die Söhne mit den von ihm selbst bereiteten Waffen bekannt machte und sie in deren Gebrauch unterrichtete, lag es der Mutter auch in späterer Zeit ob, die Mädchen zu beschäftigen und mit dem einst für sie Nüßlichen und Nothwendigen bekannt zu machen. Die männliche Jugend lernte schwimmen, wie sie sich auch bei rauhem Wetter im Flusse zu baden hatte, übte sich im Werfen mit der Lanze, im Schießen mit Bogen und Pfeil, mit Steineschleudern, im Schnellaufe, im Ringen, Reiten und Rudern.

Gemeiniglich wurden die Knaben mit dem siebenten Jahre aus der Obhut der Frauen genommen und kamen in die Hände der Männer. Gewisse Rechtsvortheile waren bald mit diesem Lebensjahre, bald mit einem früheren, bald mit einem späteren verbunden. So hatte das Kind gewisse Rechte, sobald es eine brennende Lampe auszublasen vermochte. Auch wurde eine der Mündigkeit vorausgehende entsprechende Zurechnungsfähigkeit angenommen, die ungefähr in das siebente Jahr fiel. Die Zurechnung einer That von Seite der Jugend wurde auf folgende Art geprüft: es wurde dem Kinde ein Apfel und ein Geldstück gereicht; griff es nach dem Apfel, so konnte ihm seine That nicht zugerechnet werden. Die volle Mündigkeit trat mit dem sechzehnten, achtzehnten oder einundzwanzigsten Jahre ein. Langes Haar und Bartwuchs waren am Jüngling Merkmale der Selbständigkeit. Nach ältester Bestimmung galt nur derjenige als volljährig, welcher den Speer schwingen und den Feind erlegen konnte.

II.

Die Zeit von Christus bis zur Reformation.

A. Grundlage und Anfänge der chriftlichen Erziehung.

Einen völligen Umschwung auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts brachte das Christenthum hervor. Christus ist in seinem Vorbild und in seiner Lehre der größte Erzieher und Lehrer der Menschheit, und seine Apostel gehören zu den gewaltigsten Lehrern aller Zeiten. Große Völkerscharen nahmen bald das von den Aposteln verkündigte Evangelium an und verließen den jüdischen und heidnischen Glauben. Aber so wie Christus nur einzelne Familien gesammelt hatte, so gründeten auch seine Lehrjünger nur einzelne, für sich bestehende, von einander ganz unabhängige Gemeinden, die bloß durch einerlei Glauben und Hoffnung eine unsichtbare Kirche ausmachten, deren Oberhaupt Christus war.

Die Verfassung der ersten christlichen Gemeinden war also eine republikanische; die frei gewählten würdigsten Ältesten vertraten im Vereine mit den Lehrern und Gemeindegliedern die innern und äußern Angelegenheiten der Gemeinde.

Aus dieser ursprünglich freien, collegialischen Verfassung erklärt sich zum nicht geringen Theile die verhältnismäßig rasche Verbreitung der christlichen Lehre. Dazu kam noch,

1. dass sie in jedem Menschen die Menschheit, ohne Unterschied des Standes, Alters und Geschlechts ehrte;

2 dass sie von der Geistesbildung durchaus keinen Stand ausschloss; 3. dass sie dem weiblichen Geschlecht seine bei fast allen alten Völkern verkannten und verlorenen Rechte wiedergab ;

4. dass sie die Ehe für heilig erklärte;

5. dass sie die Kinder gegen die sonst grausame Gewalt der Väter in Schutz nahm, die jene aussehen oder als Sclaven verkaufen durften; 6. dass sie Eltern und Kindern die rechten Gesinnungen einflößte und das ganze Familienleben glücklich veränderte;

7. dass sie endlich den Sclavenstand aufhob und so eine ganz neue Weltordnung schuf.

Schulen konnten jedoch anfänglich für das aufkeimende Geschlecht nicht gebaut werden; es kam vorerst darauf an, dass der neue belebende Geist die rohen Völkermassen durchdrang. Die christlichen Eltern schickten anfangs ihre Kinder in heidnische Schulen, wo sie im Lesen, Schreiben und Rechnen und dergl. unterrichtet wurden; den Religionsunterricht besorgten sie zuerst selbst im Hause, späterhin übernahmen ihn die Katechetenschulen. Es waren dies eigentlich Bildungsstätten für den Priesterstand, allein diese Schulen behielten auch das praktische religiöse Bedürfnis der Laien im Auge.

In Alexandrien entstand 180 n. Chr. die erste Katechentenschule, darum so genannt, weil der Religionsunterricht nach kate= chetischer Methode, in Fragen und Antworten, ertheilt wurde. Der Lehrer stand an einem Pulte vor seinen Schülern, las, erklärte, ermahnte, fragte, ließ sich fragen, machte erbauliche Anwendungen u. dgl.

In den apostolischen Zeiten wurde der Erwachsene vor der Taufe nur kurz über Christum, den Erlöser, unterrichtet; das weitere blieb den gottesdienstlichen Zusammenkünften überlassen. Späterhin wurde der Unterricht vor der Taufe ausführlicher. Diejenigen, welche die Aufnahme in den Schoß der Christengemeinde ansuchten, wurden vorläufig mit Auflegung der Hände und dem Zeichen des Kreuzes geweiht, worauf sie Unterricht erhielten und deshalb Katechumenen, Glaubenslehrlinge, nach der völligen Aufnahme aber durch die Taufe Erleuchtete hießen.

Zuerst dauerte der Unterricht nur durch die vierzigtägige Fastenzeit vor Ostern, späterhin verlängerte er sich auf zwei, auch drei Jahre, weil die ganze christliche Glaubens- und Sittenlehre nebst Religionsgeschichte mit Bestreitung der Irrthümer und mit Bibelerklärung vorgetragen wurde. Die Katechumenen wurden vor der Taufe von dem Bischof geprüft, dann in der Regel von ihm selbst getauft.

Gleich nach der Geburt getaufte Kinder wurden mit dem 7. Jahre in die Lehre genommen; die andern hatten bis zur Taufe vier Classen durchzumachen: die der Anfänger; die der Hörenden, weil sie schon die kirchlichen Vorträge mit anhören durften; die der Knienden; endlich die der Geprüften und zur Taufe schon Berechtigten.

Die Lehrer hießen von ihrem Amte Katecheten; in der ältesten christlichen Zeit durften auch Laien, d. i. Nichteingeweihte, dies Amt verwalten, vom zweiten Jahrhundert an aber nur Bischöfe und Priester. Niedergefäß, Geschichte der Pädagogik.

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Diese hatten zur Vorbereitung auf ihr Amt schon um das Jahr 200 eine höhere Bildungsanstalt, in welcher Philosophie, Geschichte, Schriftauslegung und dergl. gelehrt wurde. Anfänglich wurden in diesen Anstalten auch die Classiker, die Musterschriften der Griechen und Römer, erklärt; später aber wurden dieselben als verführerisch und sündlich verboten.

Besonders haben sich in dieser Periode folgende Kirchenväter um die Erziehung verdient gemacht:

Tertullian, geboren um 160 zu Karthago, † 220 daselbst. Das Ebenbild Gottes ist sein Erziehungsziel.

Origines, geboren 185 zu Alexandrien, wirkte an der Katechetenschule daselbst und führte durch seine dialogischen Vorträge die Schüler ein in die Wissenschaften des Alterthums und in das Verständnis der heil. Schrift.

Ambrosius, Sohn eines römischen Präfecten von Gallien, geboren 340 zu Trier, erwarb sich große Verdienste durch die zweckmäßige Einrichtung des Kirchengesanges. (Der Ambrosianische Lobgesang.)

Johannes Chrysostomus (Goldmund), geb. 347, stellt ebenso wie Tertullian das Ebenbild Gottes als Erziehungsziel auf. Er bezeichnet die Frauen und das Kloster als die besten Erzieher. Hieronymus, geb. 331 in Dalmatien, ist berühmt durch seine lateinische Bibelübersehung (Vulgata) und durch seine Briefe über Frauenerziehung.

Augustinus, der größte Lehrer der abendländischen Kirche, 354 zu Tagaste in Numidien aus einem vornehmen Geschlechte ge= boren. Den größten Einfluss auf seine Erziehung übte seine Mutter Monika. Er erzählt dies in seinen „Bekenntnissen". Auch schrieb er eine „Unterweisung der Anfänge im Christenthum;" unter den Stürmen des Vandalenkrieges starb er im Jahre 430.

Aus St. Augustins „Bekenntnissen“.

Wie er reden gelernt.

Bin ich nicht aus der Kindheit herauf fortschreitend zum Knabenalter ge= langt, oder vielmehr: ist nicht dieses an mich herangelangt und der Kindheit gefolgt? Und doch ist diese nicht vergangen, denn wohin wäre sie gegangen? Dennoch war sie nun nicht mehr. Ich war nämlich nun kein Kind mehr, das nicht reden konnte, sondern ein Knabe, welcher sprach. Dessen entsinne ich mich,

und wodurch ich sprechen lernte, das habe ich später wahrgenommen. Es lehrten es mich nämlich nicht ältere Leute dadurch, daß sie mir die Worte nach einer bestimmten Lehrmethode vortrugen wie etwas später die Buchstaben; sondern ich selbst habe vermöge des Verstandes, den du, mein Gott, mir gegeben hast, da ich durch Wimmern und allerlei Laute und Bewegungen die Gedanken meines Geistes ausdrücken wollte, dass man meinem Verlangen nachkomme, und doch nicht alles, was ich wollte, so auszudrücken vermochte, ich selbst sprach meinem Gedächtnisse das Wort vor, mit welchem die Erwachsenen einen Gegenstand be= nannten, und wenn sie dann noch dazu den Körper nach etwas hinwandten, so sah und behielt ich, dass jener Gegenstand von ihnen mit den Lauten benannt werde, die sie hören ließen, da sie ihn zeigen wollten. Daß sie dies aber wollten, gieng aus den Bewegungen ihres Körpers hervor, jener, so zu sagen, natürlichen Sprache aller Völker, die sich aus dem Mienenspiel, dem Winken mit den Augen, der Thätigkeit der übrigen Glieder und vorzüglich dem Tone der Stimme zusammenseßt, welcher die Stimmung der Seele beim Begehren, Besihen, Verschmähen und Meiden eines Dinges ausdrückt. So fasste ich allmählich, welche Dinge die Worte, die ja in verschiedenen Säßen in bestimmtem Zusammenhang vorkommen und oft von mir vernommer: wurden, bezeichnen sollten; und ich sprach dann auch, nachdem ich meinen Mund in diesen Zeichen geübt hatte, mit denselben aus, was ich wollte. Und so hatte ich mit meinen Mitmenschen die Bezeichnungen für das, was ich ausdrücken wollte, gemeinsam und schritt damit tiefer in die geräuschvolle Gesellschaft des Lebens hinein, in Abhängigkeit von dem Ansehen meiner Eltern und dem Wink älterer Menschen.

Wie er die Schule besuchte.

Gott, mein Gott, was musste ich doch da für Jammer erleben, und wie hatte man mich zum besten, da man es mir Knaben als Regel fürs Leben darstellte, meinen Vorgesezten zu gehorchen, damit ich in der Welt glänzen und mich auszeichnen möchte in jenen wortreichen Künsten, welche nur im Dienste menschlicher Ehre und trügerischen Reichthums stehen! Ich wurde also der Schule übergeben. damit ich Wissenschaften erlernte, deren Nugen ich Armer nicht einsah, während ich doch Schläge erhielt, wenn ich im Lernen lässig war. Denn das wurde von den älteren Leuten als das Richtige gepriesen, und viele, die vor uns gelebt, hatten uns diese mühevollen Wege bereitet, die wir zu durchlaufen gezwungen wurden zu nur vermehrtem Ungemach und Leid für uns Adamssöhne. Wir fanden aber, o Herr, auch Menschen, die zu dir riefen, und lernten von ihnen, so weit wir dies vermochten, dass du irgend ein großes Wesen seiest, und darum, wenngleich für unsere Sinne nicht wahrnehmbar, dennoch uns erhören und Hilfe bringen könntest. Denn schon in meinem Knabenalter begann ich zu dir zu rufen, zu dir, meiner Hilfe und meiner Zuflucht, und zu deiner Anrufung sprengte ich die Bande meiner Zunge, und nicht mit geringer Inbrunst flehte ich Kleiner zu dir, dass ich doch in der Schule nicht mehr Schläge bekäme. Und da du mich nicht erhörtest, weil es mir zum Weisewerden diente, so lachten die Erwachsenen

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