Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

„Nach meinem Bedünken kann man als den Zweck der Erziehung, folglich auch den Zweck der Lehrer-Erziehung die Selbstthätigkeit nennen. Der Mensch soll dies ist mein Gedanke - zur Selbstthätigkeit erzogen werden; der Mensch ist in dem Grade erzogen und gebildet, in welchem er zur Selbstthätigkeit erzogen und gebildet ist, und er ist in demselben Grade unerzogen und ungebildet, in welchem es ihm an Selbstthätigkeit gebricht.

Die Selbstthätigkeit der Zöglinge ist das leste, höchste Ziel aller wahren Thätigkeit der Erzieher, ist das eigentliche Princip der Menschenerziehung.

Zu diesem formalen Princip muss ein materiales hinzukommen. Daher stelle ich auf: Entwicklung der Selbstthätigkeit im Dienste des Wahren und Guten oder zur Hervorbringung des Wahren und Guten im öffentlichen Leben, in der Gemeinschaft der Menschen."

Die Gestaltung des Lebens nach den Grundsäßen der Wahrheit, Schönheit, Güte in höchster Energie der Selbstthätigkeit ist die Aufgabe, die der Mensch zu lösen hat.

,,Das höchste Princip der Erziehung nach Stephani: Behandle deinen Zögling als ein freies Wesen, welches seinen Willen stets nach den Vorschriften der Vernunft selbstthätig gebrauchen soll, wie es seine höchste Bestimmung erfordert.

Ihm stellen wir das Princip entgegen: Behandle deinen Zögling als ein unfreies Wesen, das in frühen Jahren durch Beispiel, Sitte und Gewöhnung zum Rechten und Guten angeleitet, später mit Bewusstsein durch Unterricht zum selbständigen Denken und zur sittlichen Freiheit erzogen werden soll, und zwar weniger durch Unterricht und Bildung als durch Sitte und Beispiel.“

„Erziehen heißt erregen. Die Erziehungstheorie ist Erregungstheorie. Wenn bilden „nach einer Idee entwickeln“ heißt, so besteht die Bildung einer Anlage in der Erregung derselben zu einem bestimmten Ziele.“

,,Die Erziehung, welche ein Mensch empfängt, ist vollendet, wenn der Mensch so weit gereift ist, dass er die Kraft und den Willen hat, sich selbst sein Leben hindurch fortzubilden, und die Art und Weise, wie er dieses als Individuum zu vollziehen und auf die Gestaltung der Welt einzuwirken hat, erkennt. So ist das Resultat des Lebens des Menschen selbsteigenes Werk.“

„National erziehung ist nur da möglich, wo die Nation eine geschlossene, compacte Einheit bildet."

Wer die Freiheit will, muss die Ordnung wollen; wer die Ordnung will, muss die Achtung des Gesezes wollen; wer die Achtung des Gefeßes will, muss die Erziehung zur Achtung des Geseßes, muss die Erziehung in Achtung und Ehrfurcht vor dem Erzieher wollen. Wer unter jener Bedingung diese Dinge nicht will, der weiß nicht, was er will. Je freier der Staat, desto strenger muss die Erziehung sein.

Friedrich Wilhelm August Fröbel und der Kindergarten.

Fröbel, der Vater der Kindergarten-Pädagogik, wurde 1782 in dem Rudolstädtschen Dorfe Oberweißbach geboren. Sein Vater war daselbst Prediger. Bis zum 10. Lebensjahre blieb er im Vaterhause und genoss den Unterricht der Dorfschule. Nach dem Austritt aus der Schule that man ihn zu einem Förster in die Lehre. Hier erwachte in ihm die Lust zu den Naturwissenschaften. Um überhaupt seinem Hange zu wissenschaftlichen Studien zu entsprechen, gieng er

[graphic][merged small]

nach Jena, wo er sich mit den Naturwissenschaften und mit praktischer Mathematik beschäftigte.

1804 trat er als Privatsecretär in die Dienste eines Gutsbesizers in Mecklenburg, gab jedoch schon nach einem Jahre diese Stellung auf und gieng nach Frankfurt a. M. Hier wurde er mit dem Director der Musterschule Dr. Gruner (einem der tüchtigsten Pestalozzianer) bekannt, welcher in ihm ein hervorragendes pädagogisches Talent entdeckte und ihm rieth: Sie müssen Schulmeister

werden. Dieser Rath führte denn auch wirklich Fröbel auf die Bahn der Pädagogik. Gruners Begeisterung für Pestalozzi bestimmte ihn, zu dem gefeierten Schulmanne nach Iferten zu gehen, zunächst nur auf einige Monate, später noch einmal (1809), und zwar auf zwei Jahre. Fröbel ist somit ein unmittelbarer Schüler Pesta= lozzis. Mit seinem Meister übereinstimmend, erkannte er die große Bedeutung der ersten Erziehung des Kindes. Dieser widmete er sein Leben.

,,Im Seelenleben liegen zwei Grundvermögen: Empfänglichkeit oder Receptivität und Selbstthätigkeit oder Spontaneität. Beide Grundkräfte regen sich von der Geburt an, aber zuerst in den elementarsten Formen. Die Erziehung hat diese Regungen naturgemäß zu leiten, was nicht immer geschieht. Der Wissenstrieb regt sich zuerst in der Form sinnlichen Wahrnehmens. Aber das genaue sinnliche Bemerken will geweckt und geleitet sein, das Kind muss geistig sehen und hören lernen. Hiezu wollte Pestalozzi im Buch der Mütter" den Müttern eine Anleitung geben.

Fröbel hat der elementaren Pflege des Thätigkeitstriebes seine ganze Aufmerksamkeit zugewendet, wie er sich zuerst regt als Spiel- und Nahrungstrieb. An diese Naturtriebe knüpft Fröbel an und sucht sie methodisch zum Beschäftigungstriebe zu bilden. Mittel dazu ist aber das Spiel. Er sieht es als die erste Aufgabe des Kleinkindererziehers an, für entsprechende bildende Spiele zu sorgen. Der Kindergarten ist daher zunächst ein Spielgarten.“

Fröbel unterscheidet: Bewegungs- und geistige Spiele. Die Bewegungsspiele über die Glieder und Sinne; die geistigen die geistigen Anlagen in ihren elementaren Regungen.

Die geistigen Spiele sind: Spiele mit dem Ball, mit der Kugel, dem Würfel und der Walze; Bauspiele mit dem Würfel, der in der verschiedensten Weise getheilt wird. Alles ist hier methodisch gestuft. Um mit seinen Übungen möglichst tief anzuknüpfen, geht Fröbel bis zur Wiege des Kindes hinab. Er gibt der Mutter in seinen „Mutter- und Koseliedern" den Leitfaden für die Art und Weise, in welcher er das Kind in seinen ersten Lebensjahren behandelt wissen will.

Die Spiele sind in 6 Stufen getheilt. Für jede derselben bietet Fröbel eine besondere Spielgabe.

Die erste Spielgabe

ist ein Kasten mit 6 Bällen, welche 3 Grund- und 3 Mischfarben haben, geordnet nach den Farben des Prisma.

Die zweite Spielgabe

geht, im Gegensatz zum Ball, zum Würfel, dem einfachsten regelmäßigen Körper mit ebenen Flächen, um sodann zwischen Kugel und Würfel die Walze einzufügen.

Die dritte Spielgabe

bietet den durch die Mitte nach allen Seiten hin und gleichlaufend mit denselben einmal getheilten Würfel.

Das Kind tritt mit und an dieser Spielgabe selbstthätig erfin= dend auf.

(Die übrigen Gaben sind entsprechend modificierte Theilungen des Würfels.) Mit der Ausbildung der Körper formen tritt die Auffassung der Fläche selbständig hervor und zeigt sich als ein anziehendes Kinderspielzeug, besonders dann, wenn sich an die Fläche die Farbe krüpft; es sind dies die tafelförmigen, welche sich in verschiedenen Reihen theilen:

a) in acht &e vierttafeln, doppelfarbig;

b) in rechtwinkelig-gleichschenkelige Dreiece;
c) in Gedritt-Tafeln und

d) in rechtwinkelig-ungleichschenkelige Dreiecke.

Mit der Ausbildung der Tafel- und Flächenform und deren weiteren Theilung tritt nun weiter die Linienauffassung und -Anschauung hervor. Ein neues Spiel bilden die Stäbchen, welche, gerade und unverbunden, die größte Mannigfaltigkeit bieten. Sie dienen 1. zu Darstellungen von Figuren und Gegenständen, bei welchen die Form überwiegt;

2. zu solchen, bei welchen die Zahl die Hauptsache ist;

3. zur Anschauung und Auffassung der linealen und flächigen Größen, besonders auch der Lagen- und Neigungsverhältnisse der Linien (Verknüpfung wagrechter, senkrechter, auch schiefer Linien);

4. zu Darstellungs- und Gestaltungsspielen aus Stäbchen von bestimmten Lagen und von bestimmter Länge, also zu reinen Formenspielen, und

5. zum Buchstaben- und Wortlegen (Schreibe- und Lesespiel). Dabei sind die römischen Buchstaben zu Grunde zu legen. (Um Rundungen legen zu können, werden die Stäbchen geknickt.)

Die Auffassung und Anschauung der Punkte bildet eine neue Abtheilung der Spiele und entwickelt sich aus dem Flächigen und Linearen in gleicher Weise, wie dieses aus dem Körperlichen.

Während als Vertreter des Punktes Samen, Steinchen, Blätter, Papierstückchen, Perlen, Stecknadelköpfe u. a. gelten können, vergeistigt er sich gleichsam im Ausstechen, welches durch das Aneinanderreihen und Verbinden von Nadelstichen vor sich geht.

Dazu dienen theils Erkenntnis-, theils Schönheits- und. theils Lebensformen.

Werden die einzelnen Punkte mit verschieden gefärbtem Garne verbunden, so entsteht eine sichtbare Linie. Es ist das das Ausnähen, welches dem Zeichnen auf Negpapier durch das Herstellen geradliniger Striche, Formen zc. vorarbeitet.

Wie sich nun die Punkte wieder in Linien und so zu Gestalten vereinten, so werden auf gleiche Weise einzelne Stäbchen zum Theil auch in einiger Breitenausdehnung als Streifen zunächst zu Flächen, später auch zu Körpern verbunden.

Ersteres geschieht auf vierfache Weise:

a) Durch Verschränken von wenig breiten und biegsamen Holzstäbchen. Entweder löst man die Stäbe willkürlich wieder auf und gestaltet davon andere Formen, oder man verbindet die Enden derselben durch Leim, Kleister, Oblaten u. dgl. m;

b) durch sogenanntes Schnüren von dreifach zusammengelegten Papierstreifen oder auch wohl steifem Bande. Die Ergebnisse entsprechen der vorhergehenden Beschäftigung, nur sind sie in sich mehr bleibend und zusammenhängend;

c) durch Verschränken oder vielmehr Flechten von Papierstreifen, am besten von verschiedenen sich gegenseitig ergänzenden d. i. hebenden Farben. Es lassen sich auf diese Weise wieder die verschiedensten Flächenformen darstellen. Das Ergebnis dieser Thätigkeit lässt sich gleich gemustertem Papier wieder zur Ausführung und Verschönerung der verschiedensten Gegenstände, zu Brieftaschen, Schreib- und Nadelbüchern, Umschlägen, Serviettenringen 2c., also wieder zu verschiedenen kleinen Gaben und Geschenken von den Kindern anwenden.

Der Gebrauch von diesen kleinen Erzeugnissen ist zur Versittlichung, zur Pflege des kindlichen Sinnes und Gemüthes höchst wichtig; denn dass mehrere Kinder so sehr viel empfangen und von ihren kleinen Erzeugnissen fast gar nichts geben können, erkenne ich (Fröbel) als eine der wesentlichsten Ursachen der so häufig zurücktretenden kindlichen Liebe und Gesinnung.

An dieses knüpft sich das Deckenflechten von Stroh 2c. und selbst das Korbflechten;

d) durch Verbindung von fein zugespizten Stäbchen vermittelst erweichter Erbsen

1. zu einfachen Figuren als Dreiecken, Vierecken 2c.;

2. zu durchsichtigen, gleichsam nur durch die Kanten in Umrissen dargestell= ten, gleichflächigen und andern ebenmäßigen Körpern;

« PreviousContinue »