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diesen Tagen zugerufen hat, und der um so weniger zu übersehen ist, als er von einer richtigen Schäßung der menschlichen Schwachheit ausgeht: es ist nämlich der, dass Kinder, die jung hinweg genommen werden, doch allen Versuchungen und Gefahren des Lebens entrückt und zeitig in den sichern Hafen gerettet sind. Diese Gefahren waren gewißß auch dem Knaben nicht ganz erspart; aber doch will dieser Trost nicht recht bei mir haften, wie ich bin. Wie ich diese Welt immer ansehe als die, welche durch das Leben des Erlösers verherrlicht und durch die Wirksamkeit seines Geistes zu immer unaufhaltsam weiterer Entwickelung alles Guten und Göttlichen geheiligt ist; wie ich immer nur habe sein wollen ein Diener des göttlichen Wortes in freudigem Geist und Sinn; warum denn hätte ich nicht glauben sollen, dass der Segen der christlichen Gemeinschaft sich auch an ihm bewähren würde, und dass durch christliche Erziehung ein unvergänglicher Same in ihm wäre niedergelegt worden. Warum sollte ich nicht auch für ihn selbst, wenn er strauchelte, auf die gnädige Bewahrung Gottes hoffen? warum nicht fest vertrauen, dass nichts ihn werde aus der Hand des Herrn und Heilandes reißen können, dem er ja geweiht war, und den er auch aus kindlichem Herzen schon angefangen hatte zu lieben, wie denn noch eine seiner lezten besonnenen Äußerungen in den Tagen der Krankheit eine freundliche Bejahung war auf die Frage der Mutter, ob er auch seinen Heiland recht liebe.

Und diese Liebe, wäre sie auch nicht gleichmäßig fortgeschritten, hätte sie auch bei ihm ihre Störungen erfahren: warum sollte ich doch nicht glauben, dass sie ihm nie verloschen sein, dass sie ihn doch dereinst ganz würde beherrscht haben? Und wie ich Muth gehabt hätte, dies alles mit ihm durchzuleben, ihn dabei zu ermahnen, zu trösten, zu leiten: so ist mir jene Betrachtung nicht so tröstlich, wie vielen anderen. Auf andere Weise schöpfen viele Trauernde ihren Trost aus einer Fülle reizender Bilder, in denen sie sich die fortbestehende Gemeinschaft der Vorangegangenen und Zurückgebliebenen darstellen, und, je mehr diese die Seele erfüllen, um desto mehr müssen alle Schmerzen über den Tod gestillt werden. Aber dem Manne, der zu sehr an die Strenge und Schärfe des Gedankens gewöhnt ist, lassen diese Bilder tausend unbeantwortete Fragen zurück und verlieren dadurch gar viel von ihrer tröstenden Kraft. So stehe ich denn hier mit meinem Troste und meiner Hoffnung allein auf dem bescheidenen aber doch so reichen Worte der Schrift: Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; wenn es aber erscheinen wird, werden wir ihn sehen, wie er ist! und auf dem kräftigen Gebete des Herrn: Vater! ich will, dass, wo ich bin, auch die seien, die du mir gegeben hast. Auf diesen starken Glauben gestüßt und von kindlicher Ergebung getragen, spreche ich denn von Herzen: der Herr hat ihn gegeben, der Name des Herrn sei gelobet dafür, dass er ihn mir gegeben, dass er diesem Kinde ein, wenn auch nur kurzes, doch helles und heiteres und von dem Liebeshauche seiner Gnade erwärmtes Leben verliehen, dass er es so treu bewacht und geleitet hat, dass sich nun dem theuren Andenken nichts Bitteres beimischt, vielmehr wir bekennen müssen, dass wir reichlich gesegnet worden sind durch das liebe Kind.

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Der Herr hat es genommen; sein Name sei gelobt, dass er es, wiewohl genom= men, uns doch auch gelassen hat; dass es uns bleibt auch hier in unauslöschlichen Erinnerungen ein theures und unvergängliches Eigenthum.

Doch ich kann mich nicht trennen von diesen der Verwesung geweihten Überresten der leiblichen Gestalt, ohne nun auch noch, nachdem ich den Herrn gepriesen, den gerührtesten Dank meines Herzens auszusprechen vor allen der theuren Hälfte meines Lebens, durch welche Gott mir dieses geschenkt, für alle mütterliche Liebe und Treue, die sie ihm bewiesen von seinem ersten bis zu seinem lehten in ihren treuen Armen ausgehauchtem Athemzuge; und meinen lieben ältern Kindern allen für die Liebe, mit der sie diesem jüngsten zugethan waren und es ihm erleichterten, heiter und froh seinen Weg zu gehen in den Schranken der Ordnung und des Gehorsams; und allen lieben Freunden, die mit uns sich an ihm gefreut und mit uns um ihn gesorgt haben, zumal aber euch, liebe Lehrer! die ihr es euch zur Freude machtet, an der Entwicklung seiner Seele thätigen Theil zu nehmen, und euch, ihr lieben Gespielen und Mitschüler! die ihr ihm in kindlicher Freundschaft zugethan waret, denen er so manche von seinen froheren Stunden verdankte, und die ihr auch um ihn trauert, weil ihr gern auf dem gemeinschaftlichen Wege noch mit ihm fortgegangen wäret; und allen denen Dank, die mir diese Stunde des Abschiedes schöner und feierlicher gemacht haben.

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Aber mit dem Danke verbindet sich ja immer gern eine Gegengabe; und so nehmt denn ihr alle zum Andenken an diesen mir so schmerzlich bedeutenden Augenblick noch eine wohlgemeinte Gabe christlicher Ermahnung. Meine Gattin und ich, wir haben beide dieses Kind herzlich und zärtlich geliebt, und überdies sind Freundlichkeit und Milde der herrschende Ton unseres Hauswesens; und doch zieht sich durch unsere Erinnerungen an das Leben mit dem geliebten Kinde hie und da ein leiser Ton des Vorwurfs hindurch; und so glaube ich denn, es geht vielleicht keiner dahin, gegen den diejenigen, die am meisten mit ihm zu leben hatten, sich, wenn sie sich vor Gott prüfen, vollkommen genügten, wäre auch das anvertraute Leben nur eben so kurz gewesen, wie dieses. Darum laßt uns doch uns alle unter einander lieben als solche, die uns bald und ach, wie bald! können entriffen werden. Ich sage das euch Kindern, und glaubt mir, dieser Rath, wenn ihr ihm folgt, wird euch keine unschuldige Freude trüben, aber euch gewißß vor vielen, wenn auch nur kleinen, Verschuldungen bewahren. Ich sage es euch Eltern; denn wenn ihr nicht in meinen Fall kommt, werdet ihr euch desto ungetrübter der Frucht dieses Wortes erfreuen. Ich sage es mit meinem besten Danke euch Lehrern; denn wenn ihr auch zu, sehr im Großen mit der Jugend zu thun habt, um euch mit der einzelnen besonders in Verhältnis zu sehen, so wird doch immer mehr alles, was ihr thun müßßt, um Ordnung und Gesez aufrecht zu halten, von dem rechten Geiste heiligender christlicher Liebe durchdrungen sein. Ach ja, laffet uns alle einander als solche lieben, die bald von einander können getrennt werden!

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Nun, du Gott! der du die Liebe bist, lass mich auch nicht nur jezt deiner Allmacht mich unterwerfen, nicht nur deiner unerforschlichen Weisheit mich fügen,

sondern auch deine väterliche Liebe erkennen! Mache mir auch diese schwere Prüfung zu einem Segen meinem Berufe, laßß für mich und alle die Meinigen den gemeinsamen Schmerz ein neues Band wo möglich noch innigerer Liebe werden und ihn meinem ganzen Hause zu einer neuen Auffassung deines Geistes gereichen! Gieb, dass auch diese schwere Stunde ein Segen werde für alle, die da zugegen sind; lass uns alle immer mehr zu der Weisheit reifen, die, über das Nichtige hinwegsehend, in allem Frdischen und Vergänglichen nur das Ewige sieht und liebt und in allen deinen Rathschlüssen auch deinen Frieden findet und das ewige Leben, zu dem wir durch den Glauben aus dem Tode hindurchgedrungen sind!

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wurde zu Oldenburg geboren; seine akademischen Studien betrieb er zu Jena, wo Fichte nachhaltig auf ihn wirkte. Später war er

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Hauslehrer in der Schweiz; hier stand er mit Pestalozzi (in Burgdorf) in Verbindung, sodann gieng er nach Bremen und trat 1802 in Göttingen als Universitätslehrer auf. In Königsberg, wo er in der Folge (von 1809 bis 1833) als Universitätsprofessor und

Oberschulrath wirkte, erreichte er den Höhepunkt seiner Thätigkeit. Von 1833 bis zu seinem Tode (1841) hielt er sich in Göttigen auf.

Herbart fasst die Pädagogik als einen integrierenden Theil der Philosophie auf und stellt sie auf den Boden der Psychologie. Die Lehre von der menschlichen Seele wurde durch Herbart neugestaltet, indem er die Anschauung von den angeborenen Seelenvermögen verwarf und dafür die Lehre von dem gesetzmäßigen Entwicklungsgange des menschlichen Geistes aufstellte.

Herbart begründet die Pädagogik durch die Ethik und Psychologie; jene zeigt das Ziel und den Zweck der Erziehung, diese die Mittel und Wege dazu. Nach der ersten Seite hin ist sie speculativ, nach der lezteren stüßt sie sich auf die Erfahrung. In ersterer Beziehung charakterisiert sie sich als Wissenschaft, in letterer Hinsicht als Kunst. Als solche gliedert sie sich in Regierung, Unterricht und Zucht; doch dient diese Gliederung der pädagogischen Praxis nur dem Nachdenken des Erziehers, der wissen muss, was er thut, während in der Praxis Regierung, Unterricht und Zucht planvoll in einanderzugreifen haben.

Der Zweck der Erziehung ist die Sittlichkeit, und zwar ist dies der oberste und nothwendige Zweck. Da aber der Crzieher den künftigen Mann beim Knaben vertritt und nicht wissen kann, welchen Zweck sich der Zögling als Erwachsener außerdem (gemäß seinem Talente, seinen Anlagen und Neigungen 2c.) künftig sehen wird, so muss er auch diesen möglichen Zwecken im Voraus gerecht zu werden suchen.

Ausgangspunkt der Erziehung ist die Individualität, das, was der Zögling ist und hat. Wenn nun auch den Eigenthümlichkeiten der Individualitäten, sofern sie dem allgemeinen Zwecke der Erziehung widerstreben, mit allem Nachdruck entgegenzuwirken ist, so soll ihnen doch, so lange sie nicht mehr gelten wollen als sie sind, Raum gelassen bleiben, sich zu rühren, da in ihnen das Starke der Individualität liegt.

Die Regierung, als erster Theil der Pädagogik, hat nur den äußern Zweck, Ordnung zu schaffen und das Kind in Schranken zu halten; sie hat also lediglich die Gegenwart im Auge. Ihre Maßregeln bestehen in Beschäftigung, Aufsicht, Drohung, Strafe 2c. und als Hilfen stehen ihr Autorität und Liebe zur Seite; doch

Niedergefäß, Geschichte der Pädagogik.

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muss sie nach und nach zurücktreten und entbehrlich gemacht

werden.

Der Unterricht als zweiter Theil der Pädagogik ist zugleich auch der wichtigste. Denn da es für die Erziehung auf Bestimmung des Willens zur Tugend ankommt, diese aber im Gedankenkreise wurzelt, so muss hier der Unterricht eingreifen, der die geistige Thätigkeit vermehren und veredeln, also erziehend wirken soll. Das nähere Ziel des Unterrichts auf dem Wege zu jenem lezten Zwecke ist gleischwebende Vielseitigkeit des Interesse, d. i. eine durch den Unterricht veranlasste, auf mannigfaltige Gegenstände ge= richtete geistige Thätigkeit, bei welcher kein einzelnes Streben überwiegt, sondern alle möglich gleich stark sind. Das Interesse als solches unterscheidet sich dadurch vom Begehren, dass es unmittelbar an seinem Gegenstande hängt, während die Begierde darüber hinaus nach etwas Künftigem strebt. Wenn sich der Geist nicht mehr vom Gegenwärtigen mehr ins Künftige verliert, so geht das Interesse ins Begehren über. Auf der Seite des Interesse stehen das Merken und Erwarten, auf der Seite des Begehrens das Fordern und Handeln.

Erkenntnis und Theilnahme, als die beiden Hauptglieder des Interesse, können sich auf verschiedene Objecte richten: die Erkenntnis auf die Vielheit der Erscheinungen in der Natur, oder auf deren Geseßmäßigkeit, oder auf deren ästhetische Verhältnisse; die Theilnahme auf den einzelnen Menschen, oder auf die Gesellschaft, oder auf das Verhältnis aller zum höchsten Wesen, wonach sich sechs Hauptclassen des Interesse ergeben: das empirische, das speculative, das ästhetische, das sympathische, das gesellschaftliche und das religiöse Interesse. Alle vereint (gleichschwebend) zu gleicher energischer Regung zu bringen, heißt eine der Vielseitigkeit entsprechende Geistesbildung erzeugen.

Die Materie des Unterrichts ruht in den Wissenschaften. Zur Orientierung können aber nicht die Namen der Wissenschaften genügen, es muss vielmehr das Gleichartige in den einzelnen Fächern herausgehoben werden, was durch die Begriffe: Zeichen, Formen und Sachen geschieht. Die Zeichen, z. B. Sprachen, inter: essieren nur als Mittel der Darstellung dessen, was sie bezeichnen; sie werden daher als eine Last empfunden, und dürfen anfangs nur

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