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Zur Unterhaltung der unruhigen Kleinen wie zur Belehrung und Warnung erzählten die Ammen und Wärterinnen allerlei Fabeln, Geschichten und Märchen.

Mit dem sechsten Jahre oder auch schon etwas früher, wo gewöhnlich der Schulunterricht begann, bekam der Knabe einen Erzieher und Leiter (Pädagogen). Dieser war in der Regel ein Sclave und blieb dem Knaben zur Seite bis zum Ephebenalter. 1) Er beaufsichtigt seinen Zögling zu Hause und begleitet ihn draußen überall hin, namentlich in die Schulen und Palästren; 2) er trägt ihm zur Schule die Bücher und andere Schulbedürfnisse oder die Kithara 3) nach und holt ihn wieder aus der Schule ab. Unterricht hat er ihm nicht zu ertheilen.

Mit dem Schulbesuch des Knaben ist dessen Erziehung von der der Mädchen getrennt; denn die Mädchen mussten beständig eingezogen im Hause leben und erhielten ihre ganze Bildung von den Müttern und Wärterinnen. Der schulmäßige Unterricht der Knaben umfasste drei Disciplinen: Grammatik, Musik und Gymnastik. Darnach zerfielen die Schulen in grammatische, musikalische und gymnastische. Sämmtliche Schulen waren Privatanstalten, und der Staat übte nur eine gewisse Polizei über dieselben, um sittliche Missbräuche zu verhüten. Um die Thätigkeit des Lehrers und seine Methode kümmerte sich der Staat durchaus nicht; seine Bezahlung fiel den Eltern anheim. Die Lehrer genossen im ganzen wenig Ansehen, wie denn jeder gewerbmäßige und bezahlte Betrieb eines Geschäfts für unfrei und gemein galt. Namentlich stand der Elementarlehrer der Grammatik in geringer Achtung, da nur zu häufig herabgekommene Leute, meist ohne Kenntnisse und Bildung, sich aus Noth diesem Geschäfte zuwandten. So soll Dionysios der jüngere, Tyrann von Syrakus, nach seinem Sturze in Korinth auf offener Straße Knaben unterrichtet haben.

Der erste Unterricht, der den Knaben zutheil wurde, war der grammatische, d. h. Unterricht im Lesen und Schreiben, und dieser fehlte auch dem niedrigsten nicht.

1) Bis zum 16. Jahre; das politische Ephebenalter begann erst im 18. Lebensjahre.

2) Ringschule, Plaß für körperliche Übungen.

3) Ein unserer Zither ähnliches Instrument, anfänglich mit 4, später mit 9 Saiten.

Niedergefäß, Geschichte der Pädagegif.

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Das Rechnen war kein Gegenstand der Schule, das mochte der einzelne im praktischen Leben so weit lernen, als er es nöthig hatte; denn der Unterricht im classischen Alterthum diente nicht dem praktischen Bedürfnis im späteren Leben, sondern bezweckte eine allgemeine ideale Bildung.

War der Knabe soweit im Lesen vorgerückt, dass er das Gelesene einigermaßen fassen konnte, so wurde er vom Lehrer mit den Werken nationaler Dichter bekannt gemacht. Dadurch wurde der Geist der hellenischen Poesie frisch in das Leben eingeführt und das Gemüth der Jugend für das ganze Leben bereichert mit nachahmungswürdigen Gestalten der großen Vorzeit, mit Sittensprüchen und flugen Lebensregeln.

Später als der grammatische begann der musikalische Unterricht. Auch er bezweckte vorzugsweise die sittliche Ausbildung. Er war gewöhnlich mit Gesang verbunden; das edle Wort, von gleichartigen Tönen getragen, war noch wichtiger und wirkte mächtiger als die bloße Musik. Der Knabe, der von dem Grammatiker schon mit der epischen und elegischen Poesie bekannt geworden war, empfieng jezt bei dem Musiklehrer auch einen lyrischen Liederschaß, den er in das Leben mitnahm, um damit in den Stunden der Erholung und bei geselligen Zusammenkünften sich und andere zu ergößen und zu erheben.

Der gymnastische Unterricht scheint auch schon früh begonnen worden zu sein. Er bezweckte eine schöne Harmonie der geistigen und körperlichen Entwickelung, deren lezte Frucht die vollendete Haltung eines an Körper und Geist gesunden und praktisch tüchtigen Mannes

war.

Der Schulbesuch war täglich, und zwar vor- und nachmittags. Schulfrei waren die Festtage, deren es sehr viele gab.

Mit dem 16. Lebensjahre hörte der eigentliche Schulunterricht auf, mit Ausnahme des gymnastischen, der jezt in den Vordergrund trat. Zwei Jahre später, mit dem achtzehnten Lebensjahre, trat der Jüngling in das politische Ephebenalter. Nach vorangegangener Prüfung, ob er echtbürgerlicher Abkunft sei und für den nun beginnenden Militärdienst die körperliche Reife besige, wurde er für mündig erklärt. Die Namen der Geprüften wurden in das Verzeichnis der Demoten oder Gaugenossen eingeschrieben. Darauf stellte man sie

im Theater dem versammelten Volke vor, übergab ihnen Schild und Speer und führte sie dann zu dem Tempel der Agraulos,1) wo sie durch den Ephebeneid sich zum Dienste des Vaterlandes verpflichteten. Der Eid lautete:

Ich schwöre, diese Waffen nicht zu schänden und meinen Nebenmann im Treffen nicht zu verlassen. Ich will kämpfen für die Heiligthümer und für das Gemeingut sowohl allein als in Gemeinschaft mit anderen. Ich will das Vaterland nicht gemindert hinterlassen, sondern zu Wasser und zu Lande so groß, wie ich es überkommen. Ich will hören auf die, welche jedesmal zu entscheiden haben, und den bestehenden Geseßen und welche ferner das Volk verordnen wird, gehorsam sein. Und so einer die Geseße aufhebt oder ihnen nicht gehorcht, will ich das nicht zulassen, sondern sie vertheidigen, allein und mit andern. Und ich will die vaterländischen Götter und Heiligthümer ehren. Zeugen seien die Gottheiten Agraulos, Enyalios 2), Ares, Zeus, Thallo, 3) Auro, *) Hegemone 1).“

Hierauf thaten die Epheben zwei Jahre lang aís „Peripolen“ *) einen Wachtdienst im Lande. Nach Vollendung des zwanzigsten Jahres wurden sie auch zum Kriegsdienst außer Landes gebraucht. Zu gleicher Zeit erhielten sie das Recht in der Volksversammlung mit zu reden und zu stimmen; aber erst mit dem dreißigsten Jahre traten sie in den Vollgenuss der staatsbürgerlichen Rechte ein, wurden sie wählbar in den Rath, in die Gerichte und zu den öffentlichen Ämtern.

Berühmte Lehrer Griechenlands.

1. Pythagoras (geb um 580 v. Chr. auf Samos).

gründete zu Kroton, einer griechischen Colonialstadt, eine große Erziehungsanstalt. Die Prüfung der aufzunehmenden Knaben war streng, und einige Jahre hindurch durften sie nur hören und mussten schweigen; erst die älteren Lehrlinge durften, nachdem sie sich bewährt hatten, Fragen stellen und das Gehörte niederschreiben.

Der Unterricht beruhte zunächst auf Gedächtnisübung; Sinnsprüche, die Pythagoras in den Unterricht gern einfließen ließ, wurden memoriert. Später wurde der jugendliche Geist durch die

1) Beiname der Pallas Athene, „die Ländliche“.
2) Beiname des Ares als Gott des Kriegsgetümmels.
3) Frühlinnshore, Göttin der aufblühenden Jugend.
4) Auro Wachsthumförderin, und Hegemone

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Athen verehrte Chariten.

*) Grenzwächter, Besaßungsmannschaft der Castelle:

Führerin, zwei in

Mathematik in strenge Zucht genommen. Die Grundlage aller Geistesbildung war die Religion.

Bei den Religionsübungen wurde ein strenges Ceremoniell beobachtet. Die Heiligthümer, in denen man opferte, durften nur mit beschuhten Füßen betreten werden. Jeder Tag schloss mit einer Andachtsübung, außerdem waren noch besondere Buß- und Bettage eingeführt. Die Berührung mit allem Unreinen wurde ängstlich vermieden; daher weigerten sich die Pythagoräer andern die Hand zu reichen. Die Speisegeseze waren streng. Mit frommen Selbstbetrachtungen schloss die Abendandacht. „Was habe ich heut Übles gethan? Worin versah ich's? Was habe ich zu thun unterLassen ?" das waren Fragen, die sich jeder zu beantworten hatte. Als ein Mittel, die Seele nach den leidenschaftlichen Aufregungen des Tages zu besänftigen, sah Pythagoras die Musik an.

Die Aufnahme in den engeren Kreis der Erwählten fand unter Ertheilung gewisser Weihen in geheimnisvoller Weise statt. Die Mitglieder des pythagoräischen Bundes, durch innige Freundschaft verbunden, suchten sich gegenseitig zu erziehen; für ihr Verhalten galt als letzter Grund des Meisters Wort.

In sittlicher Richtung finden wir in dem Pythagoräismus die Grundlinien der dorischen (spartanischen) Erziehung: Disciplin, Tagesordnung, gemeinschaftliche Mahlzeiten, ja dasselbe Staatsideal findet sich hier so wie in Sparta; nur sind alle Erziehungs-Einrichtungen der Pythagoräer harmonischer gestaltet. Nach Pythagoras ist die Welt Harmonie, und darum ist Harmonie in allem das Ziel.

Durch weise Mäßigung, durch innige Freundschaft und durch gründliche Bildung stellt der Mensch diese Harmonie in sich selbst her. Die Zucht der Jugend soll mild und freundlich sein. Durch Erregung des Ehrgeizes wird die Harmonie des Gemüthes gestört; dagegen ist die Schamhaftigkeit die Quelle aller Tugenden.

„Harmonie in allem ist das Ziel, dem der Mensch nachstreben soll.

Wie im Weltall, soll sie auch im Menschen, gleichsam einer Welt im kleinen, vorhanden sein.

Darum soll der Mensch sich selbst zu erkennen streben, damit er zum Schauen der reinen Verhältnisse, der Wohlordnung, der himmlischen Schönheit gelange, dadurch in beständigen Umgang mit der Gottheit trete und darinnen sein höchstes Gut finde."

„Unter Anstrengungen muss die Jugend zu ihrer Reife zu gelangen suchen. Die eigentlichen Erzieher sind die Eltern, und es ist deshalb das größte Unrecht, Eltern und Kinder von einander zu reißen.

Die Erziehung muss durch die ganze Jugendzeit gehen."

„Die Jugend ist an Gehorsam zu gewöhnen, damit sie es leicht finde der Vernunft zu gehorchen.

Dieselbe muss auf die beste Lebensbahn geführt werden, die Gewohnheit wird ihr dieselbe bald angenehm machen.“

„Das ist das Wesen der Musik, dass sie die Seele zur Harmonie des Weltalls stimmt."

2. Sokrates (geb. 470 v. Chr. zu Athen).

Er hatte nicht, wie Pythagoras, eine geschlossene Schule, sondern er ertheilte jedem Unterricht, den sein Bildungsbedürfnis zu ihm führte. Schriften hat er nicht hinterlassen; allein seine Lehrweise ist uns durch seinen größten Schüler, Plato, überliefert worden. Nach seiner Anschauung hat alles Vorstellen nur dann Wert, wenn es zu einem klaren und wohlbegründeten Wissen gelangt. Darum soll niemand über etwas eher entscheiden, als bis er weiß, was die Sache ist, und selbst gewiss ist, dass er diese Kenntnis der Sache wirklich hat.

Das Mittel nun, durch welches man zum klaren und wohlbegründeten Wissen kommt, ist nach Sokrates das begriffliche Erkennen der Dinge und ihrer Eigenschaften. Darum darf man sich nicht mit allgemeinen, unbestimmten Vorstellungen begnügen, sonst täuscht man sich selbst und andere. Daher wies er denen, die nur Redensarten, unbegriffene, überlieferte Meinungen vorbrachten, durch Ausfragen und durch die unerwarteten Consequenzen, die er zog, und durch die Widersprüche, in die sie sich dadurch verwickelten, nach, dass sie nichts wüssten.

Das ist die negative Seite seiner Methode: die Ironie, durch welche er seine Schüler von den falschen Vorstellungen zu befreien suchte. Er benußte dabei die allergewöhnlichsten Dinge und Vorkommnisse des alltäglichen Lebens, so dass seine Gegner spotteten, er rede nur immer von Lasteseln, Schmieden, Schustern und Gerbern.

Wenn aber Sokrates jemanden zu dem Geständnisse gebracht hatte: Was ich scheinbar wusste, hat sich widerlegt, ich weiß nichts

so zeigte er umgekehrt durch fortgesettes Fragen, indem er von

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