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hin strebt Pestalozzis ganzer, fester Sinn, und durch diesen Sinn des Ernstes und der Arbeit konnte er, entblößt von allem, was ihn in Absicht auf die Hilfsmittel des Unterrichts hätte leiten können und sollen, dennoch eine Lehrart, eine Form hervorbringen, deren Erfolg ausgemachte Bewunderung abdringt. Der feste, sichere Schritt, das zuversichtliche Fortschreiten unter der Voraussetzung der Nothwendigkeit und Unfehlbarkeit des Erfolges, und das, gerade durch diese Zuversicht so ruhige, so übereilungsfreie Ausharren bei Dingen, die das, was man eigentlich lehren will, noch gar nicht behalten, es aber gründen, es vorbereiten (wie z. B. das ABC der Anschauung) das Anfangen bei dem ganz Leichten, und das unzerstreute emsige Fortgehen durch alles, was nun ferner Eins durchs Andere leicht wird das ist der Geist dieser Lehrart, wie es der Geist jeder wohlgeordneten Thätigkeit, jeder genauen Geschäftsführung ist.

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Überhaupt ist das Pestalozzische Verfahren als bloßes Beispiel anzusehen, nicht als vollendetes Muster, dem man wohl gar mit Vernachlässigung dessen, was in Deutschland schon angefangen ist, nachstreben müsste! Auch unter uns wirkt längst das Bemühen, die wahren Gründe des Unterrichts zu finden. Nur zerstreut uns die Menge der Gegenstände, da hingegen Pestalozzi bloß die niedrigste Stufe der Volksbildung vor Augen hatte; schon aufgestellten Regeln, uns drückt unsere eigene Kraft, da hingegen Pest a= lozzi, der fast ohne Regel zu Werke schritt, unendliche Vollkraft in jeden Versuch legte. Bloßes Beispiel ist seine Anstalt um so viel gewisser, da sie offenbar selbst seine eigene Vorstellung nur unvollkommen wirklich macht. Unter dem Drucke der Umstände war er froh, nur irgend etwas zustande zu bringen. Dass er, mehr begünstigt, und von wissenschaftlich gebildeten Freunden unterstüßt, mit seiner erfinderischen Thätigkeit etwas Größeres und Anderes hervorgebracht hätte, kann derjenige nicht bezweifeln, der die Richtung seines Geistes aus Lienhard und Gertrud kennt, und damit die Entstehungsart der Burgdorfschen Anstalt zusammenhält. Übrigens ist diese gewiss als Beispiel so anziehend und der Aufmerksamkeit unserer Erzieher so würdig, dass man den Versuchen Mancher Nachfolge wünschen muss, welche Jünglinge oder Männer dahinschickten, um das Gute dieser Erziehungsanstalt aufzufassen und in ihr Vaterland zu verpflanzen“.

Johann Wilhelm Klein,

der Begründer des Blinden-Unterrichts in Österreich, wurde geboren den 11. April 1765 zu Allerheim bei Nördlingen, wo dessen Vater fürstlich Öttingen-Wallensteinscher Kammerrath und OberAmtspfleger war. Seine allgemein-wissenschaftliche Bildung erhielt er auf dem Gymnasium zu Stuttgart, und auf der daselbst bestandenen hohen Karlsschule widmete er sich dem Rechtsstudium. Im Jahre 1788 kehrte er in sein Vaterland zurück und erhielt die Verwaltung eines Justizamtes.

Als im Jahre 1796 das Kriegsheer der damaligen französischen Republik jene Gegend zum erstenmale überzog, übten die in der Bevölkerung herrschend gewordenen verderblichen Meinungen einen sehr nachtheiligen Einfluss auf Kleins amtliche Verhältnisse; die Nothwendigkeit, in seiner Amtswirksamkeit mit Strenge vorgehen zu müssen, wo er, seiner Gemüthsart folgend, lieber mit Milde gewaltet hätte, veranlasste ihn, sein Amt freiwillig niederzulegen und einen andern Wirkungskreis zu suchen.

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Im Jahre 1799 begab er sich nach Wien. Schon 1792 hatte Klein eine Schrift herausgegeben unter dem Titel: „Über Armut, Abstellung des Bettelns und Versorgung der Armen". Der dänische Etatsrath Voght, welchem Klein durch diese Publication vortheilhaft bekannt geworden war, und der im Jahre 1802 sich an der Regulierung des Armenwesens in Wien betheiligte, empfahl den umsichtigen Klein zum Armen-Bezirksdirector. Klein erhielt dieses Amt

und zugleich eine temporäre Anstellung bei der zur neuen Einrichtung des Armenwesens errichteten Hofcommission. Die Stelle eines ArmenBezirksdirectors versah Klein vom Jahre 1803 bis zum Jahre 1826 unentgeltlich. Hier hatte er vielfach Gelegenheit das Elend und die Noth der Armen kennen zu lernen; am tiefsten bewegte ihn aber das traurige Schicksal der blinden Kinder, welche ohne Unterricht und Erziehung aufwuchsen.

Dieses aufrichtige Mitleid mit den armen Blinden, sowie ein im Jahre 1802 von Franz Gaheis erschienener Entwurf zu einem Institute für blinde Kinder, der aber nicht zur Ausführung kam, brachte den Entschluss Kleins zur Reife, einen praktischen Versuch in diesem Zweige der Erziehung und Bildung zu machen. In dieser Absicht nahm er im Mai 1804 einen neunjährigen blinden Knaben vom Lande, dann noch einige andere blinde Kinder zu sich ins Haus und fieng an, dieselben nach einer selbst ausgedachten Methode zu unterrichten. Hiebei kamen ihm einige praktische Übungen, die er früher in Dingen des Unterrichts gemacht hatte, zustatten; allein für den speciellen Blindenunterricht musste er einen eigenen, neuen Weg einschlagen.

Wohl hatte Valentin Hauy bereits im Jahre 1784 in Paris ein Blindeninstitut errichtet; allein die Methode Hauys war Klein unbekannt, und so war er völlig auf sich selbst gestellt. In der That war sein menschenfreundliches Unternehmen, für das er weder Muster noch Mittel besaß, umsomehr ein äußerst gewagtes, da Klein in den damaligen kriegerischen Zeiten auf eine materielle Unterstützung von Seite der Staatsverwaltung nicht rechnen konnte.

Gottvertrauen und seine feste Überzeugung von der Ausführbarkeit seiner guten Idee verliehen ihm jedoch die Kraft und Ausdauer, das begonnene Werk fortzusehen. In seiner Gattin hatte Klein eine treue Gehilfin, die mit unermüdetem Eifer die ökonomische Einrichtung der Anstalt besorgte, und die sich mit mütterlicher Liebe der blinden Kinder annahm, von denen die meisten in unbeschreiblicher Vernachlässigung und Unbehilflichkeit in die Anstalt eintraten.

Es ist als ein glücklicher Umstand anzusehen, dass Kleins erster blinder Zögling, Jacob Braun, bei seinem Eintritt 9 Jahre alt, mit sehr guten Anlagen begabt war; einerseits spornten die erfreulichen Unterrichtsresultate den Lehrer an, andererseits waren dieselben

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geeignet, das Publicum für die gute Sache zu interessieren. Da die Hilfsmittel beim Blinden-Unterrichte zumeist darnach eingerichtet sein müssen, den Tastsinn des Schülers zu beschäftigen, so war Klein genöthigt, unausgeseßt die nach dieser Richtung entsprechenden Hilfsmittel und Lehrbehelfe herzustellen. Fertigkeit in mechanischen Verrichtungen, welche Klein von Jugend auf durch Neigung und Übung erlangt hatte, kam ihm dabei gut zustatten. Manche dieser Erfindungen, wie z. B. die durchstochene Schrift, sind ihrer Zweckmäßigkeit wegen fast in allen seither entstandenen BlindenInstituten eingeführt und auf verschiedene Art benüßt worden.

Über eine mit seinem Zöglinge Jacob Braun vorgenommene öffentliche Prüfung berichtet die Wiener Zeitung vom 21. August 1805 wie folgt:

„Der Armen-Bezirks-Director Wilhelm Klein in Wien hat einen glücklichen verdienstvollen Versuch gemacht, blinde Kinder zu Geschäften des bürgerlichen Lebens zu bilden. Er übernahm vor einem Jahre einen neunjährigen Knaben, welcher im dritten Jahre durch die Blattern beide Augen verloren hatte und bisher ganz ohne Beschäftigung und Bildung geblieben war, und brachte denselben in diesem kurzen Zeitraume so weit, dass er eine leserliche Handschrift schreibt, das, was mit besonders für ihn eingerichteten erhobenen Buchstaben geschrieben wird, liest; die vier Rechnungsarten mittelst einer sogenannten Rechenschnur, und die Anfangsgründe der Erdbeschreibung mittelst Landkarten, auf welchen die Umrisse der Erde und Länder und die Hauptstädte erhoben gezeichnet sind, und auf eine ähnliche Art auch die musikalischen Zeichen und Noten, zum Behufe des Harfenspiels und des Singens, kennt. Als wirkliche Handarbeiten, die ihm in Zukunft, wenigstens einen Theil seines Unterhaltes erwerben können, lernte er bisher die Verfertigung von Vogel- und Fischgarnen, das Schnurklöppeln und das Stricken; er macht mit Reinheit und Pünktlichkeit Brieftaschen, Nadelbüchschen, Schreibzeuge, Schachteln und Körbchen von Papier von verschiedenen Farben, welche er durch ein ganz einfaches fühlbares Zeichen zu unterscheiden gelernt hat.

Mit diesen Fertigkeiten verbindet der Knabe zugleich ein anständiges Betragen, unausgesette Thätigkeit, Zufriedenheit und Heiterkeit des Geistes. Seine Majestät der Kaiser trugen, sobald Allerhöchst Dieselben in die Kenntnis dieses glücklichen und seltenen Versuches gesezt worden waren, der Hofcommission in Wohlthätigkeitsangelegenheiten die vorläufige Prüfung des blinden Zöglings auf, welche auch am 6. August in Gegenwart mehrerer Mitglieder derselben statt hatte. Das Resultat entsprach ganz den Erwartungen. Die Lehrart wurde als trefflich ausgedacht, zweckmäßig und allgemein anwendbar befunden, indem dabei überall zunächst die Leitung der Natur befolgt, die aus dem besondern Übel entstehenden eigenen Bedürfnisse und Hilfsmittel auf den kürzesten und einfachsten

Wegen befriedigt, und weniger Rücksicht auf Bewunderung und Aufsehen erre= gende Erscheinungen, als auf Gemeinnüßigkeit und Brauchbarkeit genommen wurden."

Um sein Unternehmen auch in weiteren Kreisen bekannt zu machen, veröffentlichte Klein eine Druckschrift: „Beschreibung eines gelungenen Versuches, blinde Kinder zur bürgerlichen Brauchbarkeit zu bilden. Wien, 1805" worin er die Bildungsgeschichte seines ersten Zöglings Jacob Braun darlegte. An gewissen Tagen stand es auch jedermann frei, dem Unterrichte, welchen Klein dem mehrerwähnten Braun und noch einigen andern jungen Blinden ertheilte, beizuwohnen.

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Es war dies ein geeignetes Mittel, um das Publicum von der Möglichkeit der körperlichen und geistigen Bildsamkeit der Blinden durch den Augenschein zu überzeugen. Klein erhielt in der Folge mehrfache Anträge, Blinde zur Ausbildung zu übernehmen, der Hof und der hohe Adel Wiens unterstüßte ihn in seinen menschenfreundlichen Bemühungen, und die Staatsverwaltung sette ihn durch ein angemessenes Gehalt in den Stand, sich ausschließlich der BlindenErziehung widmen zu können. Zunächst wurden ihm acht blinde Kinder zur völligen Ausbildung auf Staatskosten übergeben, und die Anstalt selbst wurde unter staatlichen Schuß gestellt; rücksichtlich der Verwaltung und der inneren Einrichtung wurde jedoch Klein völlig freie Hand gelassen.

Die Anstalt gedieh, und bald kamen aus dem In- und Auslande junge Schulmänner, theils aus eigenem Antriebe, theils im Auftrage ihrer Regierungen herbei, um sich von Klein zum Blindenunterrichte anleiten zu lassen. An mehreren Orten wurden Blindenanstalten errichtet, und überall waren Kleins Rathschläge bei der Organisation derselben maßgebend. Mit den Vorstehern und Lehrern dieser Anstalten - selbst mit solchen in Amerika unterhielt er einen lebhaften Briefwechsel. Eifrig sammelte er alles, was über Blinde und deren Unterricht geschrieben worden ist, ebenso die vom Anfange an dabei gebrauchten Hilfsmittel, gelungene von Blinden verfertigte Arbeiten und überhaupt alles dasjenige, was auf diesen Gegenstand Bezug hat. Dadurch entstand die Anlage eines Museums für den Blindenunterricht, durch dessen Fortseßung eine vortheilhafte Übersicht alles dessen vorhanden ist, was man von jeher für diesen wohlthätigen Zweck unternommen hat und das nach und nach vervollkommnet wurde.

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