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Gegenstände. Er erwecke und übe zu allererst die Aufmerksamkeit der Kinder, lehre sie ihre Sinne ordentlich gebrauchen, recht sehen und hören, vieles anschauen. und darauf merken, das Gesehene und Gehörte richtig angeben, er verbessere gleich anfangs ihre Sprache und beschäftige ihr Nachdenken und ihre Wisbegierde, ohne sie zu überhäufen durch Mittheilung so vieler Sachkenntnisse, als für ihr gegenwärtiges Alter und Fassungsvermögen gehören. Und damit verbinde er die ersten Anleitungen zum Lesen und Rechnen.

Im Religionsunterrichte sollten die Kleinen durch Belehrungen über das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern auf das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen geführt werden. Für die Oberclasse galt der Grundsah:

,,Dass, wo es nur immer thunlich sei, mehrere Lehrzwecke mit einander verbunden, und also oft in mehreren Stücken zugleich unterrichtet werden müsste."

So wurde z. B. bei den Leseübungen, Rechtschreibung, Naturfunde u. s. w. gelehrt. Den Mittelpunkt des gesammten Unterrichts bildete der Religionsunterricht; bei allen Gegenständen wurden Beziehungen auf die Religion hergestellt. In der Schulzucht wurde auf frühe Weckung des sittlichen Gefühles hingewirkt. Körperliche Züchtigung wurde nur bei Diebstahl, offenbarer Widerseßlichkeit und hartnäckiger Lüge angewandt.

Nach und nach richtete Rochow auch auf den übrigen Dörfern seines Grundbesiges Schulen ein, und man kann ihn, insofern namentlich die Einrichtung dieser Schulen in der Folge vielfach als Vorbild angesehen wurde, mit Recht den „Vater der preußischen Landschule" nennen.

Rochow starb im Mai 1805. Sein Schüler Wilberg, der nachmalige Lehrer Diesterwegs, sagt von ihm: „Durch seine Milde und Freundlichkeit gewann er die Liebe der Kinder und vermittelst seiner Kenntnis der Kinderseelen, durch die Klarheit seiner Gedanken und durch die Deutlichkeit und Bestimmtheit der Fragen, die er an die Kinder richtete, wusste er diese zur Aufmerksamkeit und zum Nachdenken zu nöthigen. Der Edle war ein kenntnisreicher, musterhafter Lehrer. Er war ein Lehrer des Volkes im hohen Sinne, ein wahrer Edelman."

Rochows Plan zur Verbesserung der Volksschulen.

1. „Mit Handwerkern und unwissenden Bedienten muss keine Land- oder niedere Schule mehr besezt werden, sondern wo möglich fürs erste mit Candidaten der Theologie, und aus ihnen würden etwa die Landprediger hergenommen.

Der Nußen dieser menschenwürdigen Einrichtung fällt zu sehr in die Augen, als dass ich es nöthig hätte, weitläufig ihn zu entwickeln. Sollte dieses aber nicht angehen, doch mit geschickten und fleißigen jungen Leuten, die gute Schulstudien haben, und die, in Ermangelung eigener Seminarien, etwa der einsichtsvollere Prediger mit dieser Lehrart vertraut gemacht hat.

2. Sie müssten alle wenigstens über 100 Thlr. bares Geld an fixem Gehalte nebst dem Cantortitel haben, ohne die übrigen Vortheile, als Feuerung, Wohnung, Garten, 2c damit sie sich gern und ganz dem Schuldienste weihen könnten. Dafür aber würden alle Kinder der Gemeinde unentgeltlich in der Schule unterwiesen. Könnte ein jeder Schullehrer zugleich der Küster in seinem Orte sein, so würde außer dem kleinen Vortheile, der dadurch jedem Schullehrer erwüchse noch der Nußen erlangt, dass der Küster in matre der zugleich Schulmeister ist, nicht so oft wegen sogenannter Amtsverrichtungen auf andern eingepfarrten Orten seine Schule versäumen müsse.

3. Es müssen Claffen sein, wenigstens zwei. Die Schulzeit währt zur Erhaltung der Gesundheit des Lehrers nur etwa höchstens sechs Stunden, und die Lectionen theilen sich nach ihrer Nüglichkeit in diese Zeit, davon etwa vier Stunden des Vormittags und zwei Stunden des Nachmittags fielen.

4. Die Schulgebäude müssen Vorzüge vor den übrigen haben; die Stuben hell und mit nüßlichen und zweckmäßigen Bildern oder Sachen und Modellen geziert sein.

5. Wenn mit dem Lesen und Schreiben das erste Hauptstück verbunden, auch nichts anderes geleser und geschrieben würde, als fassliche und gemeinnüßige Wahrheit, leichte Geschichten und Denksprüche, Lieder u. dergl., so erreichte man zwei wichtige Endzwecke auf einmal und erleichterte der übrigen Lehre den Eingang.

Muster und Beispiele dazu sind fürs erste in ausgesuchten Versen vieler alten und neuen geistlichen Lieder und in den Historien und Gleichnissen, so selbst in diesem Buche stehen, und vielleicht bald in einem erscheinenden Lesebuche, so der Kinderfreund heißt, zu finden.

Ihr großen und vermögenden Herren der Erde, möchtet ihr doch nichts gegen den zweiten und vierten Paragraphen einwenden! Hierauf kommt alles an. Und welche Ausgabe wäre edler und würde reichere Zinsen tragen? Wo sehr arme Herrschaften sind, müssten Kirchencassen, ja selbst die Unterthanen (wenn sie dazu Vermögen haben) zusammenschießen. Sonst aber schließe sich doch keiner aus, hier zuzulegen! Sind wir denn bloß geboren, die Früchte der Erde zu verzehren? Sind wir nicht Haushalter Gottes? Sollten wir nicht sein Reich, welches das Reich der Wahrheit und Erkenntnis ist, vermehren und das Reich der Finsternis, d. i. der Unwissenheit und des daraus entspringenden Irrthums und Aberglaubens, so viel an uns ist, zerstören helfen? Gewiss; Gott würde solchen Anstalten und Einrichtungen seinen Segen nicht entziehen.“ –

Christian Felix Weiße
(1726-1804.)

wurde zu Annaberg im sächsischen Erzgebirge geboren. Er verlor seinen Vater, der Rector in Annaberg war, bereits im vierten Jahre, erhielt aber von seiner Mutter eine sorgfältige Erziehung und wurde von ihr im 10. Jahre auf das Gymnasium nach Altenburg geschickt, von wo aus er 1745 die Universität Leipzig bezog. Hier studierte er Philologie, nebenher auch Theologie.

Von besonderem Einfluss auf seine geistige Entwicklung wurde sein Verkehr mit Lessing. Die Leidenschaft beider Freunde für das Theater veranlasste sie, da von ihnen die entsprechenden Mittel zur Befriedigung derselben nur durch die äußersten Entbehrungen beschafft werden konnten, für die Bühne der Frau Neuber französische Stücke zu übersehen und schließlich mit eigenen dramatischen Arbeiten hervorzutreten.

Im Jahre 1750 wurde Weiße Erzieher eines jungen Grafen, mit dem er mehrere Jahre in Leipzig verweilte. Da er seinen Zögling in alle Vorlesungen begleitete, die dieser zu besuchen hatte, so war diese Stellung für seine Weiterbildung außerordentlich förderlich. Im Jahre 1759 gieng er mit seinem Zöglinge nach Paris, wo er interessante Bekanntschaften machte und unter andern auch Rousseau persönlich kennen lernte, der den sächsischen Gelehrten hoch schäßte.

Nachdem Weiße später als Gesellschafter des Grafen Schulenburg in Thüringen geraume Zeit zugebracht hatte, erhielt er die Stelle eines Kreissteuereinnehmers in Leipzig. Neben der Verwaltung dieses Amtes, das er 42 Jahre lang bekleidete, fand Weiße auslangende Zeit zu belletristischen Arbeiten.

Seit dem Jahre 1774 gab er die dramatischen Arbeiten, die ihn bis dahin vorwiegend in Anspruch genommen hatten, völlig auf. Außer der Herausgabe der „Neuen Bibliothek der Wissenschaften," vielen Übersetzungen aus dem Französischen und der Theilnahme an dem neuen Gesangbuche seines Freundes Zollikofer, beschäftigte er sich von nun an vorzüglich mit der Abfassung von Jugendschriften, wodurch er einem längstgefühlten Bedürfnisse der damaligen Zeit Rechnung trug.

Die nächste Veranlassung hiezu lag in Weißes Familienleben; die ersten Kinderlieder „Moralische Lieder für Kinder" nannte

er sie schrieb er für sein erstgebornes Töchterlein. Als in der Folge Weißes Kinder, eine Tochter und ein Sohn, unterrichtsfähig geworden waren, unternahm er es im Vereine mit seiner feingebildeten Gattin, dieselben selbst zu unterrichten. Zu diesem Behuse verfaßte er ein ABC-Buch, in das er außer den verschiedenen Alphabeten, deren einzelne Buchstaben zur besseren Einprägung mit kleinen Kupferstichen versehen waren, kurze Sittensprüche, kleine Erzählungen, Fabeln und Liedchen schrieb. Der Beifall, den Weißes ABC-Buch fand, war ein außerordentlicher; es erschien auch in französischer Überseßung.

Weiße, der bisher die große Welt von der Schaubühne aus durch seine Werke erfreut, der durch seine „Bibliothek" Wissenschaft und Kunst gefördert hatte, zeigte sich als Meister in der Kinderschule. Und doch war Weiße kein eigentlicher Schulmann; aber er hatte den Geist eines solchen. Dies bewies er im weiteren durch die Herausgabe seines Kinderfreundes, die im Jahre 1775 begann. Es war dies ein Wochenblatt, das an die Stelle des von Adelung in Dresden seit der damaligen Theuerungsnoth zum Besten der armen Kinder in Werdau herausgegebenen Wochenblattes trat. Von dem großen Aufsehen, welches diese Kinderschrift machte, zeugt der Umstand, dass dieselbe in sechs Jahren fünfmal aufgelegt, und dafs die 24 Bändchen des Kinderfreundes ins Französische und Holländische übersetzt und in mehreren andern Sprachen nachgedruckt

wurden.

Der Veröffentlichung des Kinderfreundes folgte als Fortsetzung unter dem Titel: „Briefwechsel der Familie des Kinderfreundes" in 12 Bänden. Der Zweck dieser Schrift war, wie Weiße im lezten Bändchen derselben sagt, „durch lebendige Beispiele handelnder Personen ein Gemälde aufzustellen, wie die reifere Jugend auch unter fremden Leuten und in verschiedenen Lagen des Lebens mit treufleißiger Aufmerksamkeit auf den Hauptzweck ihrer Bestimmung sich weise und tugendhaft zu betragen habe, wenn sie glücklich werden wolle."

Weiße verlebte die lezten Jahre seines Lebens in ländlicher Abgeschiedenheit auf seinem Landgute Stötterig in freundlichem Verfehr mit Garve, Thümmel, Wieland und Richter. Die Nachwelt hat sein Andenken durch die Gründung einer Waisenanstalt unter dem Namen „Weißesche Stiftung" in Annaberg geehrt.

1

C. Pestalozzi und die Volksschul-Pädagogik des XIX. Jahr

hunderts.

Johann Heinrich Pestalozzi: *)

(Geb. am 12. Jänner 1746 in Zürich; gest. am 17. Febr. 1827 zu

Brugg.)

1. Pestalozzis Jugendjahre.

1746-1767.

Pestalozzis Vater war ausübender Arzt. Er starb, als der Knabe erst 6 Jahre alt war, daher fehlte diesem in seinen Umgebungen alles, dessen die männliche Kraftbildung im Jugendalter so dringend bedarf. Ich wuchs" - erzählt er an der Hand der besten Mutter

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in dieser Rücksicht als ein Weiber- und Mutterkind auf, wie nicht bald eins in allen Rücksichten ein größeres sein konnte. Ich kam Jahr aus Jahr ein nie hinter dem Ofen hervor; kurz alle wesentlichen Mittel und Reize zur Entfaltung männlicher Kraft, männlicher Vergl. K. v. Raumer. Gesch. d. Päd. 11. 365.

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