Page images
PDF
EPUB

Mit der Musik stand die Dichtkunst in innigem Zusammenhange und bildete mit ihr das Grundelement der ästhetischen Bildung. Im Epos durchlebte die Jugend noch einmal die Ge= schichte des Volkes, und in diesem Sinne wurde die Poesie ein Mittel nationaler Erziehung; die Lyrik veredelte die Regungen des Herzens, während das Drama in seiner Darstellung der dichterisch-musikalischen Erzeugnisse die sittliche Idee zum leitenden Princip erhob.

Wenn nun auch diese Erziehungsmittel als allen Griechen gemeinsame angesehen werden können, so treten sie dennoch bei den verschiedenen Völkerstämmen modificiert auf. Es bildeten sich, wie in politischer - so auch in pädagogischer Hinsicht, zwei Richtungen: die spartanische oder dorische und die àthenienfische oder jonische.

Bevor diese beiden Richtungen sich geltend machten, gieng die Erziehung bei den Griechen von gleichen Grundfäßen aus. In der vorhomerischen Zeit trug das Familienleben einen vorwiegend patriarchalischen Charakter. Unterrichtsgegenstände waren Jagd- und Waffenübungen, Gesang und Saitenspiel, Unterweisung in Gesetz und Recht. Später, in dem homerischen Zeitalter, werden neben Tapferkeit, Wohlwollen gegen Fremde, Redlichkeit, Klugheit und Beredsamkeit als wünschenswerte Tugenden angesehen, und das Fa= milienleben ist von edler Humanität erfüllt. Besonderes Gewicht legte man auf die religiöse Richtung des kindlichen Gemüthes; jedoch war die leibliche Erziehung bei den Knaben vorwiegend, während die Mädchen für die häuslichen Tugenden erzogen und besonders im Weben geübt wurden; aber auch gymnastische und musische Bildung wurde in der Mädchen-Erziehung gepflegt. In der Folge stellten sich nun, wie schon bemerkt, im Erziehungswesen der Griechen Unterschiede heraus, und zwar treten dieselben zwischen Sparta und Athen am schärfsten hervor.

Die Götterwelt der Griechen.

Die Religion der Griechen war in ältester Zeit, im sogenannten pelas= gischen Zeitalter, eine Naturreligion. Man verehrte jedoch nicht die Naturgegenstände selbst, wie solche in die Sinne fallen, sondern nur die in denselben wirkenden Kräfte. Diese wurden als geistige Macht gedacht und zu persönlichen

Wesen erhoben. Der Mensch schuf sich, im Gegensatz zur biblischen Überlieferung, die Götter nach seinem Bilde, und indem er sie nach menschlicher Weise denken und handeln ließ, fasste er alle Verhältnisse und Ereignisse in der ihn umgebenden Welt als Handlungen seiner Götter auf. So entstanden die zahlreichen religiösen Mythen der Griechen.

Mit der zunehmenden geistigen Bildung des Volkes lösten sich diese Götter immer mehr von der Natur los und wurden Vertreter sittlicher Mächte, geistig freie, sittliche Wesen, die nicht bloß Ordnung uud Geseß in der Natur schaffen und bewahren, sondern auch im Menschenleben ordnend walten. So wurde z. B. Demeter, die Mutter Erde, welche den Gewächsesegen hervorruft und den Menschen das Getreide schafft, allmählich als Erfinderin und Schüßerin des Ackerbaues, eine Begründerin fester Wohnsize, der Ehe, des Staates und der Gesittung.

Diese allmähliche Umbildung der religiösen Vorstellungen ist zur Zeit der dorischen Wanderung bereits vollendet. Man kann sie daher als die Grenze zwischen dem pelasgischen oder altgriechischen und dem echtgriechischen oder hellenischen Leben betrachten.

Bei Homer, der im Anfange des hellenischen Zeitalters stand, treten uns, mit wenig Ausnahmen, die Gottheiten bereits als klare, vollkommen ausgebildete Persönlichkeiten, als sittlich freie Wesen entgegen. Die religiöse Auffassung Homers ist dann im allgemeinen und wesentlichen während der folgenden echtgriechischen Zeit festgehalten worden, wenn sich auch hie und da der Charakter eines Gottes etwas änderte oder ältere Vorstellungen in an den Ort geknüpften Vorstellungen erhalten blieben. Die Eigenthümlichkeiten des Bodens einer Landschaft und, damit zusammenhängend, ihrer Bewohner, hatten überhaupt großen Einfluss auf die Art und Weise der Götterverehrung sowie auf die Wahl der Hauptgottheit eines Bezirkes.

Den Gegensaß der älteren Naturgottheiten zu den Göttern der hellenischen Zeit haben die Griechen mythisch dargestellt in dem Titanenkampfe. Sie nahmen an, vor den von ihnen verehrten Göttern hätten andere geherrscht, Kronos und die wilden Titanen, die Vertreter der rohen, ordnungslosen Naturgewalten; diese seien aber den Olympiern, Zeus und den Seinen, im Kampfe um die Herrschaft unterlegen. Nach dem Siege theilte Zeus mit seinen beiden Brüdern, Poseidon und Hades, die Herrschaft der Welt. Die Titanen wurden zum Theil gefeffelt in den Tartarus geworfen, zum Theil fügten sie sich dem Zeus und dienten von nun an der neuen Ordnung der Dinge.

An die Natur gefesselte Gottheiten (Fluss- und Meergötter, Nymphen 2c.) bleiben in ihrer ursprünglichen Beziehung zu derselben, doch sind sie unter eine höhere Ordnung gestellt, unter das Geseß des Zeus.

Zur Zeit Homers dachte man sich diesen olympischen Götterstaat ganz nach dem Muster des damaligen irdischen Staates eingerichtet und gegliedert, so dass an der Spite als König der Götter Zeus, ihm zur Seite aber eine Art Rath (Bulē) aus den übrigen Göttern steht, deren Rechte von dem Herrscher anerkannt und berücksichtigt werden. Zu diesen gehören außer dem im Meere

wohnenden Poseidon die eigentlichen, im Olymp bei Zeus wohnenden olympischen Götter: Apollon, Ares, Hephaistos, Hermes, Hera, Athene, Artemis, Aphrodite. Die Zwölfzahl der olympischen Götter ist erst späteren Ursprungs.

Mit römischer Benennung und metrischer Anordnung lautet sie:
Juno, Vesta, Ceres, Diana, Minerva, Venus, Mars,
Mercurius, Jovi''), Neptunus, Vulcanus, Apollo.

Bisweilen beruft Zeus eine Versammlung (Agorá), zu der alle Götter bis zu den Flussgöttern und Nymphen herab geladen werden.

Die beiden Brüder des Zeus, Poseidon und Hades, find in ihren Reichen, dem Meer und der Unterwelt, die Abbilder des Zeus. Sie sind dort Herrscher wie Zeus im Olympos, doch so, dass sie des mächtigeren und älteren Bruders Obmacht anerkennen. Nach der Dreitheilung der Welt unter die drei Brüder kann man die ganze Götterwelt in drei Classen theilen:

1. Götter des Olympos (Reich des Zeus);

2. Götter der Gewässer (Reich des Poseidon);
3. Götter der Unterwelt (Reich des Hades).

Zu der letten Classe, den unterirdischen Gottheiten, rechnet man gewöhnlich auch diejenigen, welche zu dem Erdboden und der Vegetation in Beziehung stehen, da sie mit der Unterwelt zusammenhängen. Zu den olympischen Göttern stehen die unterirdischen in schroffem Gegensat; jene sind dem Licht und Leben, diese dem Dunkel und dem Tode und der Erde als dem Site des Dunkels zugekehrt. Dieser entgegengesette Charakter zeigt sich auch in ihrem Culte.

Die erwähnten drei Hauptclassen von Göttern kann man wieder theilen in Hauptgötter und solche von niederem Rang. Die letteren stellen größtentheils einzelne Seiten der Hauptgötter dar, z. B. Moira (Schicksal), Ty che (Zufall und Glück), Dike (richtende Gerechtigkeit) Seiten des Zeus, Nike (Sieg) der Athene; Hebe (ewige Jugend) ist eine Haupteigenschaft sämmtlicher Götter. Einzelnen dieser untergeordneten Gottheiten, wie z. B. den Horen und Chariten, wurde auch eine äußere Verehrung durch Opfer zutheil.

Die Götter Homers waren die in Griechenland allgemein anerkannten und verehrten. Sie bildeten die Grundlage des Volksglaubens, so vielgestaltig sich auch die Mythologie im Laufe der Zeit entwickelte. Einzelne hatten indes größere Verbreitung ihres Cultes, je nachdem ein Gott von altersher hier oder da bei diesen oder jenen Stämmen verehrt worden war. Gewöhnlich hatte ein Ort einen Hauptcult, der vor den übrigen eine besondere Pflege genoss. So zu Athen Athene, zu Delphi Apollon, zu Argos Hera, Zeus zu Olympia.

Bei der Mehrzahl des Volkes, namentlich im Mutterlande, blieb der Glaube an die Götter lange Zeit unerschüttert. Noch während der Perserkriege und der darauf folgenden glorreichen Zeit hielt man fest an den Göttern, welche durch die Rettung des Vaterlandes von der Gefahr fremder Knechtschaft ihre

1) Jovis, vereinzelte Nominativform für Jupiter.

Macht so wunderbar bethätigt hatten. Erst mit dem peloponnesischen Kriege, der auch den Grund zum staatlichen Ruin Griechenlands gelegt hat, trat ein allgemeiner Verfall der Religion und Sitten ein. Die Zweifel einzelner giengen nach und nach ins Volk über und erzeugten Unglauben und Frrglauben und in deren Gefolge den schlimmsten von allen, den Aberglauben.

(Nach Friedr. Lübker.)

Die Erziehung in Sparta.

Nicht dem Vater stand, wie in Athen, das Recht zu, darüber zu entscheiden, ob ein neugebornes Kind am Leben bleiben solle oder nicht. Gleich nach der Geburt ward ein Rath der Ältesten des Geschlechtes versammelt, diese entschieden über Tod und Leben des neugebornen Kindes. War es gesund und wohlgebaut, so ward ihm gleich das Bürgerrecht ertheilt; schien es ungesund und schwach oder war es früppelhaft, so warf man es in einen tiefen Abgrund am Taygelos und gab es dem Untergange preis. Auch pflegte man die Kinder gleich nach der Geburt in starkem Wein zu baden, weil man glaubte, dass nur starke Naturen dies aushielten. Die Wiege des Neugebornen war ein Schild, neben dem eine Lanze stand, da sein Leben vorzugsweise kriegerischen Beschäftigungen gewidmet sein sollte. Gleich von Anfang sorgte man dafür, die Kinder auf jede Weise abzuhärten. Die Spartanerinnen waren als Kinderwärterinnen so berühmt, dass die andern Griechen sie sich häufig zu verschaffen suchten. Sie zogen die Kinder ohne Windeln groß und gaben dadurch ihren Gliedern und ihrem ganzen Wesen etwas ungezwungenes und Freies; sie gewöhnten sie früh daran, mit den allergewöhnlichsten Speisen zufrieden zu sein, ja mit Leichtigkeit zu hungern, ohne Furcht in der Dunkelheit allein zu bleiben, und den Eigensinn wie die Unart des häufigen Weinens abzulegen.

Bis zum siebenten Jahre blieben die Knaben dem Hause, besonders der Mutter anvertraut. Mit dem siebenten Jahre endigte die häusliche Erziehung und die öffentliche begann. Der Knabe verließ das Haus seiner Eltern und ward nun einer der unter öffentlicher Aufsicht stehenden Classen der Knaben einverleibt. Selbst die Söhne der Könige, mit Ausnahme des nächsten Thronerben, waren der öffentlichen Erziehung unterworfen. Sie ward als nothwendige Bedingung für jeden freien Bürger angesehen; nur wer sie

genossen hatte, konnte öffentliche Ämter bekleiden. Die Oberaufsicht über das ganze Erziehungswesen führte der Paidonomos (Knabenauffeher), ein Mann, der im höchsten Ansehen stand, da diese Würde nur durch ein tugendhaftes Leben erlangt werden konnte.

Er konnte die Knaben, wenn sie etwas versehen hatten, auf der Stelle bestrafen, weshalb er stets einige von den angehenden Männern zu seiner Verfügung hatte, welche Geißeln führten; er bestimmte die körperlichen und geistigen Übungen und wachte über die sittliche Aufführung. Von Anfang an wurden die Knaben an Entbehrungen und Abhärtungen aller Art gewöhnt. Lykurg verordnete, ihre Füße durch Barfußgehen zu stärken, damit sie desto leichter auf steile Höhen hinauf- und in jähe Abgründe hinuntersteigen und mit größerer Gewandtheit springen und laufen könnten.

Auch hinsichtlich der übrigen Kleidung und der Nahrungsmittel wurden sie strenge gehalten. Vom zwölften Jahre an trat eine noch härtere Lebensweise ein. Bis dahin hatten sie ein ärmelloses Unterkleid, Chiton, getragen; in diesem Alter ward es abgeschafft, und sie bekamen nur noch einen Mantel, der das ganze Jahr aushalten musste und oft bei Spielen und Übungen abgeworfen ward. Sie durften, mit Ausnahme weniger Tage im Jahre, weder heiße Bäder nehmen, noch sich salben. Statt dessen badeten sie sich täglich kalt im Eurotas, indem sie sich zugleich im Schwimmen übten. Um sie in Ertragung körperlicher Schmerzen zu üben, wurden sie jährlich am Altare der Artemis Orthia blutig gegeißelt; wer sich durch Standhaftigkeit und Unempfindlichkeit besonders auszeichnete, ward Altarsieger genannt und erhielt einen Ehrenkranz. Die tägliche Kost war ihnen absichtlich nur sehr sparsam zugemessen, damit sie sich das Fehlende stehlen sollten. Auf eine geschickte Weise zu stehlen, ohne dabei ertappt zu werden, ward nämlich in Sparta als eine nüzliche Vorübung für die Knaben betrachtet, damit sie jene Verschlagenheit und List sich aneignen möchten, deren sie später im Kriege bedurften. Wem es gelang, einen geschickten Diebstahl auszuführen, der ward gelobt, wer aber ertappt ward, erhielt Geißelhiebe, und seine Ungeschicklichkeit gereichte ihm so sehr zur Schande, dass die meisten es lieber aufs äußerste ankommen ließen, als dass sie gestanden hätten, so lange ihr Raub noch nicht in Sicherheit gebracht war. So ließ sich einst ein Knabe, der einen jungen Fuchs gestohlen und

« PreviousContinue »