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Die

Beendigung des Unterrichts mit der Ruthe zu züchtigen. Ausschließung eines Schülers konnte nur in der Schulberathung von den dirigierenden Personen beschlossen werden.

Die Einführung der neuen Schulordnung. konnte natürlich nicht aller Orten zu gleicher Zeit ins Werk gesezt werden. Zunächst musste man sich damit begnügen, die neue Schuleinrichtung wenigstens in der Residenzstadt Wien herzustellen, wo allerdings eine Normalschule, sowie eine Anzahl von Hauptschulen sofort eingerichtet und die Trivialschulen ordnungsmäßig reformiert wurden.

Die Normalschule zu Wien war als Musteranstalt für alle übrigen deutschen Schulen der österreichischen Monarchie errichtet worden. Seit dem 1. Mai 1775 1) war sie von Sct. Stephan in das ehemalige Jesuiten-Noviziat zu Sct. Anna verlegt worden, wodurch die Aufnahme einer großen Anzahl von Schülern ermöglicht wurde. Die Lehramtscandidaten, und die zukünftigen Geistlichen erhielten in dem neuen Locale ihren Unterricht in der Katechetik in gesonderten Lehrzimmern.

Hauptschulen waren in Wien 1. im Waisenhause, mit einem Director, einem Katecheten, einem die Methode lehrenden OberLehrmeister, 12 Knabenlehrern, 4 Mädchenlehrern und mit 15 Lehrern der Vocal- und Instrumental-Musik, welche unter der Aufsicht des Regens chori standen.

2. Bei den Piaristen in der Josefstadt und auf der Wieden und endlich in der Ungergasse.

Trivialschulen waren bereits in größerer Anzahl vorhanden. In und außerhalb der Stadt bestanden 14 dieser Schulen, jede mit einem Katecheten und 1 bis 2 Lehrern. In jeder dieser 14 Schulen wurden 50 arme Kinder unentgeltlich unterrichtet und mit den nöthigen Schulbüchern versehen; von den übrigen wurde das übliche Schulgeld erhoben. Die Gehalte der Lehrer waren verbessert worden.

Außerdem suchte die große Kaiserin die neue Schuleinrichtung auch im Militär heimisch zu machen.

Zunächst wurden 31 Unterofficiere und Mitglieder der Mannschaft von den zu Wien garnisonierenden Regimentern in der Haupt

*) sie wurde bereits im Jahre 1771 von Meß mer errichtet.

normalschule zu St. Anna in; Wien unter der Aufsicht eines Oberlieutenants zu Lehrern der Soldatenkinder in den Kasernen und Standquartieren ausgebildet. Am 3. August 1780 fand die feierliche Prüfung in Gegenwart der Kaiserin statt. Nach einer an die lettere gerichteten Ansprache wurde eine Probe im Singen angestellt, sodann mussten die militärischen Candidaten praktisch zeigen, wie sie mittelst gedruckter Tafeln Kinder im Buchstabieren unterrich= teten, mussten sie mit einigen Vortheilen beim Auswendiglernen be= kannt machen, zum Gebrauch des Lesebuches anweisen, im Schreiben und Rechnen anleiten, Begriffe von „nüzlichen Dingen" erläutern u. dergl. m. Mit dem Vortrage einer Dankrede und einer Cantate wurde der Act beschlossen.

Im Jahre 1779 fügte Maria Theresia ihren großen Schöpfungen auf dem Gebiete des Unterrichts die Errichtung des ersten österreichischen Taubstummen-Institutes hinzu.

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Die Staatsmänner, welche der Kaiserin in den wichtigen Fragen der Schule rathend zur Seite standen, waren Josef von Sonnenfels, Gerhard van Swieten und Reichsgraf von Pergen. Josef II. sezte nach Maria Theresias Tode die Schulreform mit Eifer fort, indem er für Vermehrung der Schulen sorgte und auf die Durchführung des Schulzwanges drang.

Felbiger trat noch bei Lebzeiten der Kaiserin von seiner öffentlichen Wirksamkeit zurück und starb 1788, beinahe vergessen, in Pressburg.

Kindermann und das Volksschulwesen im Königreiche Böhmen. 1)

Ferdinand Kindermann war 1740 zu Königswalde bei Schluckenau im nördlichen Böhmen geboren. 1771 wurde er Pfarrer zu Kapliz im südlichen Böhmen und starb 1801 als Bischof zu Leitmeriz. Kindermann hatte sich an Felbiger zu Sagan praktisch gebildet und wurde in der Folge der Reformator des böhmischen. Schulwesens. Wegen seiner großen pädagogischen Verdienste ernannte ihn die Kaiserin Maria Theresia zum Oberaufseher des ganzen böhmischen Schulwesens und erhob ihn zum „Ritter von Schulstein“.

1) Vergl. H. Heppe. Gesch. d. d. Volksschule. I. 113 und Frh. von Helfert. Die Volksschule.

Kindermann gieng bei seinen Reformen von dem Gedanken aus, dass durch die bisherige Einrichtung der Schulen, indem man in denselben die Kinder nur in der Religion, im Lesen, Schreiben, Singen u. s. w. unterrichtet habe, der eigentliche Zweck des Schulunterrichts nicht erreicht werde, dass mit den herkömmlichen Unterrichtsgegenständen und Übungen der Schulkinder nothwendig noch eine andere Beschäftigung derselben verbunden werden müsse, um ihnen eine erhöhete Tüchtigkeit fürs öffentliche Leben zu verschaffen.

Als daher seine Schule zu Kaplig im Jahre 1773 zu einer Normalschule erhoben wurde, erweiterte Schulstein dieselbe, um ihr in ihrer Eigenschaft als Bürger- und Pflanzschule für künftige Lehrer eine um so größere Wirksamkeit zu geben, in der Weise, dass er in ihr zugleich eine Industrieschule einrichtete, indem er beschloss, die industrielle Beschäftigung und Übung der Schulkinder als wesentliches Mittel zur Einrichtung und allmählichen Vervollkommnung der Volksschulen zu gebrauchen.

In seiner Schrift: „Von der Entstehung und Verbreitungsart der Industrieclassen in den Volksschulen des Königreichs Böhmen" gibt Kindermann hierüber folgenden Aufschluss:

„Bei näherer Betrachtung der Volksschulen nahm ich wahr, dass man in denselben die Jugend gerade mit dem, was sie Zeitlebens am meisten bedurfte und brauchte, am wenigsten beschäftigte, dass man darin viel Unnüßes, und beinah alles auf eine verkehrte Weise lernte. Ich sah hierin die Quelle des Müßiggangs, der Armut, der Bettelei, der seichten Religionskenntnisse, der Lauigkeit in der Ausübung ihrer Gebote und mehrere Untugenden.

Ich richtete daher mein ganzes Augenmerk auf die Jugendjahre, ja auf Kinder richtete ich es hin. Die Meinung, dass man aus der Jugend alles machen kann, stärkte mich in meinem Vorsage und unterstüßte alle meine Gründe. Ich war einmal überzeugt, dass unsere Volksschulen, wenn sie auch normalmäßig eingerichtet wären, ihrer Erwartung nicht ganz entsprechen, und ihren Endzweck im gemeinen Leben gar nicht erreichen können; man müsste deswegen der Jugend in denselben nebst den gewöhnlichen Lehrgegenständen Arbeitsamkeit beibringen; man müsste darin Arbeitsclaffen anlegen, fie mit den literarischen Gegenständen verbinden, und die Schüler zur Arbeit leiten, um sie ihnen von Kind her anzugewöhnen. Nur dadurch dürfte Arbeitsamkeit und Industriegeist national werden.

Dazu eiferte mich noch mehr das Bewusstsein an, dass die arbeitsamsten und industriösesten Leute verhältnismäßig doch immer bei allen Nationen die Niedergefäß, Geschichte der Pädagogik.

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besten moralischen Menschen sind. Ich sah nebst dem, dass auch die Moral und die Religion in den Volksschulen ihre Wirkung nicht haben.

Der Ausführung dieses Gedankens, so wichtig und wohlthätig er auch in der Folge für das menschliche Geschlecht werden dürfte, stellte sich eine ungeheure Zahl von Hindernissen entgegen. Hier gebrach es der Gemeinschule an Mitteln, die Anlagekosten zu bestreiten; dort an den erforderlichen Behältnissen und Zimmern, die Industrialclaffen anzulegen; hier dem Schulmanne an einer Gattin, welche die Schüler in der Handarbeit unterrichtete; dort an einem Grunde, worin man die Landjugend zur Baumcultur und Gartencultur einladen könnte. An manchen Orten war die Menge der Kinder viel zu groß, als dass man ‘auf andere, als auf die vorgeschriebenen Lehrgegenstände auch noch hätte denken können; es mangelte an solchen Musterschulen und an solchen Schulaufsehern, die die Jugend zur Arbeitsamkeit hätten führen können oder führen wollen.

Indessen ließ ich meinen Muth nicht sinken; ich war einmal sicher, dass Arbeitsamkeit jedem Menschen nüßlich und dass die Jugend jeder Richtung fähig ist. Ich hatte es nur dahin zu bringen, dass es die Jugend vergnügte und die Eltern interessierte, frühzeitig arbeitsam zu sein.

Das Vergnügen entstand aber für die Jugend:

a) aus der Abwechslung der Lehr- mit den Arbeitsstunden ;

b) aus der Gesellschaft, in welcher sie sich selbst zur Arbeitszeit überlassen, sich auch nach ihrer Bequemlichkeit mit Gesprächen und anmuthigen Gesängen unterhalten;

c) aus dem Gewinn, den sie wöchentlich aus ihrer Arbeit ziehen ; d) aus der Beschenkung der wohlmeinenden Eltern und patriotischen Vorgeseßten. Ich hatte nun meinen Vorschlag nur noch interessant für die Lehrer und Eltern zu machen, ich zeigte dem dürftigen Schulmann, wie er sich seine Nahrungsumstände durch Industrialclassen zu verbessern vermöchte, seine Ehegattin mit Stricken, Nähen, Spinnen, Wollekrämpeln u. s. f., er aber mit der Baumzucht, mit der Cultur des Küchengartens, Seidenbaues u. dergl. sich einen Verdienst verschaffen und damit seine Nebenstunden so nüßlich als angenehm ausfüllen könnte. Die Vorsteher der Schulanstalten würden ihre Bemühung entweder mit einer Remuneration, oder einer Gehaltszulage bedenken, wie auch wirklich schon viele deswegen mit beidem in Böhmen bedacht worden sind.

Die Vortheile, welche aus diesen Industrieschulen herfließen, sind groß, sehr beträchtlich. Sünde und Laster wird verhütet und der Wohlstand der menschlichen Gesellschaft wird befördert. Deswegen haben sich viele Lehrer der Landschulen an der Normalschule ein Modell genommen und im Orte ihrer Bestimmung für die Schuljugend den Industrialunterricht eingeführt, nur mit dem Unterschiede, dass auf dem Lande gleichwie da die Knaben des gemeinen Mannes sich auch mit dem Spinnen, Stricken, Klöppeln u. s. f. in der Schule abgeben, die Mägdlein auch die Gartenarbeit mittreiben und besonders die Anpflanzung der Küchengewächse erlernen.

Diese Anstalt verbreitet sich nun seit 8 Jahren an sehr vielen Orten, auch ohne sonderliche Fonds, von sich selbst. (Man kann dermalen in Böhmen mit

Gewissheit bis 200 solche Schulen angeben, welche den Industrialunterricht mit dem literarischen bloß der angeführten Vortheile wegen verbinden und mit gutem Fortgange ertheilen.) Wo sich an der Schule nicht 2 Lehrzimmer vorfinden, da gibt die Gattin des Lehrers indessen in ihrem Wohnzimmer den Industrialunterricht; und wo der Schulmann kein Feld, auch kein Gärtchen hat, und die Gemeinde dazu auch kein Stück Grund mietet, da mietet der Schulmann oder der Aufseher derselben gegen Zins ein Stück, welchen Zins man ganz leicht von der unternommenen Gartencultur entrichten kann.“

Seit 1780 begann man auf mehreren Dörfern in Böhmen, ja selbst in der Stadt Budweis, das Spinnen in den Schulen heimisch zu machen; außerdem wurden auch noch andere Beschäftigungen, wie Seidenbau, Bienenzucht 2. in den Schulen eingeführt. Diese Maßregeln gaben einen starken Hebel zur Förderung des Schulbesuchs und der Wirksamkeit der Schule ab.

Schließlich muss noch hervorgehoben werden, dass Kindermann höchst förderlich auf die Lehrerbildung einwirkte.

Das österreichische Volksschulwesen von 1780 bis 1869 im Überblick.

Wie bereits erwähnt, sezte Iosef II. nach dem Tode seiner großen Mutter die Schulreformen fort; er eröffnete namentlich durch das im Jahre 1781 erflossene Toleranzedict auch den „Akatholischen“ die Bahn freier Entwicklung, bestimmte, dass nur geprüfte Lehrer angestellt werden durften und ernannte „Kreisschulcommissäre“ (Bezirksschulinspectoren).

Mancherlei Erfreuliches zeigte sich namentlich in Mähren. Der Vicar der protestantischen Gemeinde zu Brünn, Magister M. Zoller, schuf hier eine von vielen Handwerksburschen besuchte Sonntagsschule, worin Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen, in der Erdkunde und Naturlehre ertheilt wurde. Von hier gieng die Anregung aus, Sonntagsschulen für erwachsene Bürgers- oder Landleute zu errichten.

Im Jahre 1805 erfloss die „politische Schulverfassung." Aus der Fassung des vierten Abschnittes derselben, welcher von der „Methode des Unterrichts" handelt, lässt sich entnehmen, dass die Entwicklung der österreichischen Volksschule in der Folge unter nicht geringen Schwierigkeiten stattfinden konnte.

§. 38. Die Methode, nach welcher Kinder in Trivialschulen unterrichtet werden, soll unstreitig nach der Natur der Kinder, nach ihrem Fassungsvermögen, nach dem ihnen eigenen Bedürfnisse der Cultur und nach den Fähig

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