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Borwort

zur zweiten Auflage.

Das vorliegende Handbuch ist als eine Ergänzung des vom h. f. f. Unterrichtsministerium für den Unterrichtsgebrauch appro= bierten Leitfadens der Geschichte der Pädagogik" anzu= sehen. Es enthält nicht sowohl eine streng wissenschaftlich gehaltene Geschichte der Pädagogik, als vielmehr eine in chronologischer Folge geordnete Reihe von Bildern, in denen dem Leser die hervorragendsten Männer der Pädagogik vor Augen gestellt werden und die wichtigsten Epochen in der Geschichte des Volksschulwesens zur Anschauung ge= langen sollen.

Personen und Verhältnisse, die für den österreichischen Volksschullehrer von besonderer Bedeutung sind, wurden entsprechend hervorgehoben, und zwar derart, dass einerseits der Entwicklungsgang des vaterländischen Volksschulwesens in seinen entscheidenden Momenten dargelegt, andererseits aber auch die Beziehungen desselben zu den Entwicklungsverhältnissen der außerösterreichischen deutschen Volksschule nicht unberücksichtigt blieben.

Von besonderer Wichtigkeit erschien mir die vom Lehrplane gelegentlich des Unterrichts in der Geschichte der Pädagogik vorgeschriebene Hinweisung auf unsere pädagogischen Classiker. Nach meiner Erfahrung haben dergleichen Hinweisungen, wenn sie sich auf nichts anderes als Nomenclaturen erstrecken, keinen größern Bildungswert, als ihn etwa die „Literaturgeschichte“ ohne Literaturkenntnis, beziehungsweise ohne die entsprechende Lectüre hat. Wenn daher für die Einführung in die National-Literatur eine Anthologie unentbehrlich ist, so bedarf es bei dem Studium der Geschichte der Pädagogik nicht minder einer ähnlichen Handreichung. Die Würdigung

der historischen Persönlichkeit muss aus der Betrachtung dessen hervorgehen, was diese Persönlichkeit für ihre Zeit geleistet hat; fertige Urtheile und Raisonnements haben hier wie in allem Unterrichte

keinen Wert, sind verwerflich.

Die in dem vorliegenden Lehrbuche enthaltenen Proben aus pädagogischen Hauptwerken, die eingestreuten Inhaltsangaben und Übersichten haben sohin den Zweck:

1. die bewegenden und treibenden Ideen gewisser Epochen in ein möglichst klares Licht zu stellen;

2. das zur Charakteristik der hervorragenden Persönlichkeiten nothwendige Material herbeizuschaffen und

3. den Leser zu einem weiteren selbständigen Studium der pädagogischen Literatur anzuregen.

Während somit der „Leitfaden der Geschichte der Pädagogik“ für die Bedürfnisse der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten berechnet ist, empfiehlt sich das vorliegende Buch in seiner erweiterten Form vorzugsweise zum Selbststudium für Lehramtscandidaten und Lehrer.

Wien, den 12. December 1882.

R. Niedergefäß.

Einleitung.

Die Pädagogik ist die Wissenschaft von der Erziehung des Menschen. Die Geschichte der Pädagogik lehrt uns die Entwickelung der Erziehungswissenschaft; sie macht uns damit bekannt, wie diese Wissenschaft bei den verschiedenen Culturvölkern im Laufe der Zeiten sich gestaltet hat.

Der Wert dieser Geschichte liegt darin, dass sie uns 1. zeigt, wie durch die gemeinsame Thätigkeit der Culturvölker und durch die einflussreiche Wirksamkeit ihrer hervorragenden Männer das Ziel der Erziehung nach und nach erfolgreicher angestrebt wurde, und 2. legt sie uns die aus dieser Betrachtung hervorgehenden Erfahrungen für die Erziehungspraxis nahe.

Die Quellen für die Geschichte der Pädagogik sind die Weltgeschichte und die Geographie im allgemeinen, im besondern aber die Culturgeschichte, die Geschichte der Religionen, der Philosophie und der Kunst und die Geschichte der Gesetzgebung.

Die Geschichte der Pädagogik gliedert sich mit der Geschichte der Menschheit in drei große Entwickelungsperioden: 1. die vorchristliche Zeit, 2. die christliche Zeit bis zur Reformation und 3. die Reformations- und nach -reformatorische Zeit.

Niederges äß, Geschichte der Pädagogik.

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I.

Die vorchriftliche Beit.

Diejenigen Völker, welche keine Entwickelungsgeschichte haben, mögen sie nun der Vergangenheit oder der Gegenwart angehören, weisen auch keine Geschichte der Pädagogik auf (Jäger-, Fischerund Hirtenvölker). Es fehlt diesen Völkern das ideale Streben zu geistiger Fortentwickelung. Wenn wir bei ihnen von Erziehung reden, so kann darunter nur ein Ersaß der dem Kinde noch unmöglichen Selbsthilfe und eine Anleitung zu derselben verstanden werden.

Erst wenn der menschliche Geist sich über die Natur stellt, das Leben in derselben auf einen göttlichen Ursprung zurückführt und sich über sein Verhältnis zur Gottheit klar zu werden trachtet, beginnt eine auf Aneignung geistiger Güter gerichtete Erziehung.

Unter den Völkern der vorchristlichen Zeit haben sich im Orient besonders die Chinesen, Inder, Berser, Ägypter und Israeliten zu dieser Höhe emporgeschwungen, und unter den Völkern des Cccidents namentlich die Griechen, Römer und Germanen. Die Interessen dieser Völker reichen über die physischen Bedürfnisse des Lebens hinaus; die einzelnen Glieder hängen hier durch gleiches. geistiges Streben zusammen und bilden in dieser Gemeinsamkeit ein Ganzes. Die gewonnenen Resultate ihres geistigen Strebens, also ihre Gotteserkenntnis, ihre Ansicht von der Bestimmung des Menschen, ihre Glaubens- und Sittenlehre, ihren religiösen Cultus übertragen sie auf ihre Nachkommen, und so ist die Geschichte ihrer Entwickelung auch die Geschichte ihrer Pädagogik.

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