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los, sondern er schlägt es leise mit einem Hämmerchen ab, oder schabt es mit der Feile ab, oder nimmt es mit der Zange weg, aber alles behutsam; zuleht jedoch glättet und poliert er es immer. Und wir sollten wähnen, dass sich die Gebilde des lebendigen Gottes, vernünftige Wesen, mit blindem Ungestüm heranbilden lassen.

12. Aber auch der Fischer, welcher mit einem größeren Schleppnet in tieferen Gewässern zu fischen sich anschickt, hängt seinem Neße nicht nur Blei an, welches dasselbe senkt und zu Boden zieht; sondern er bringt im Gegentheile auch leichte Korkstücke an, welche das Netz von der andern Seite an die Oberfläche des Wassers heben. In gleicher Weise wird auch derjenige, welcher mit der Jugend zum Fischfang der Tugend sich rüstet, dieselbe einerseits durch Strenge zu Furcht und demüthigem Gehorsam herabdrücken, andererseits aber auch wieder durch Leutseligkeit zur Liebe und heitern Munterkeit erheben müssen. Glücklich sind die Meister, die beides vereinigen! Glücklich eine Jugend, die ihnen anvertraut ist!"

Karl von Raumer1) sagt von Comenius sehr zutreffend :

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Comenius ist eine große, ehrwürdige Leidensgestalt. Verfolgt und heimatlos umherirrend während jener entseßlichen, verwüstenden dreißig Kriegsjahre, verzweifelte er nicht, sondern mit ausdauernder glaubensstarker Treue arbeitete er unermüdet dahin, die Jugend besser für eine bessere Zukunft zu erziehen. Scheint es doch, als hätte seine zweifellose Sehnsucht in einem großen Theile Europas viele, von der grimmigen Zeit niedergebeugte, ernste Männer aufgerichtet und auch sie mit der Hoffnung belebt: durch fromme und weise Erziehung sei eine gottgefälligere Generation herbeizuführen. Adolf Tasse, ein gelehrter Hamburger Professor der Mathematik, schreibt: In allen Ländern Europas betreibt man das Studium einer bessern Lehrkunst mit Enthusiasmus. Hätte Comenius auch nichts weiter geleistet, als dass er eine solche Saat von Anregungen in aller Seelen ausgestreut, so hätte er genug geleistet.“

Herzog Ernsts' Schulmethodus.

Die Methode Ratichs und des Comenius fand zunächst weitere Förderung durch Herzog Ernst den Frommen von Gotha, welcher von 1640 bis 1675 regierte. Er wurde hiebei unterstüßt von dem Rector Arnold Reyher aus Schleusingen. Das Verdienst beider besteht in einer Verordnung, der „Schul1) Gesch. d. Päd. II. 94.

methodus" genannt, „oder die Anleitung zur Knaben- und Mädchenerziehung für Dorf- und Stadtkinder des Fürstenthums Gotha“.

Nach dem „Schulmethodus“ sollten die Kinder nicht nur im Lesen, Schreiben, Singen und Rechnen, sondern auch in den Realien und „gemeinnüßlichen Dingen“ unterrichtet werden.

Der Lehrstoff wurde auf Classen vertheilt und die Methode furz angedeutet.

Die weittragendste Bedeutung des „Schulmethodus" liegt jedoch darin, dass ein förmlicher Schulzwang eingeführt und die jährliche Kündigung der Lehrer aufgehoben wurde.

Auch für Lehrbücher wurde gesorgt. Es erschien von Reyher ein ABC-Buch, eine Arithmetik, ein deutsches Lesebuch und mehrere andere Schulbücher.

Neben den innern Angelegenheiten des Schulwesens vergaß Herzog Ernst auch die äußeren Verbesserungen nicht; namentlich war er auf die Verbesserung der materiellen Lage der Lehrer bedacht.

In die Fußstapfen des Herzogs Ernst traten später die Pietisten, vornehmlich Francke, von dem später die Rede sein wird.

John Locke. 1)

(Geb. 1632; gest. 1704.)

Von großem Einflusse auf die Theorie und Praris der Erziehung in Deutschland war der Engländer John Locke. Sein Vater war Hauptmann in der Armee und erzog den Sohn in früher Jugend streng; in dem Maße, als dieser jedoch heranwuchs, freundlicher und freier.

Erst besuchte John Locke die Westminsterschule, darauf die Universität Orford, wo er mit besonderer Vorliebe Medicin studierte.

Im Jahre 1664 gieng er als englischer Gesandtschaftssecretär nach Berlin, kehrte jedoch ein Jahr darauf nach Oxford zurück.

Im Jahre 1666 machte er die Bekanntschaft von dem Grafen Shaftesbury, dessen damals fünfzehnjährigen Sohn er später erzog. Dieser Sohn war sehr kränklich, doch ward er durch Lockes Sorgfalt am Leben erhalten. Den ältesten Sohn seines früheren Zöglings erzog Locke in der Folge ebenfalls.

1) Vergl. K. v. Raumer, Gesch. d. Päd. II. 113 ff.

Im Jahre 1672 ward Shaftesbury Großkanzler, Locke sein Secretär; doch schon im folgenden Jahre traten beide zurück.

Im Jahre 1690 erschien sein berühmtes Werk: „Über den menschlichen Verstand" und drei Jahre später: „Gedanken über die Erziehung der Kinder.“

Im Hinblick auf seine gesellschaftliche Stellung darf es nicht befremden, dass er den Interessen der Volksbildung fern stand. In

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der That hat er auch in seinem lettgenannten Werke nur die häusliche Erziehung eines vornehmen und reichen Kindes durch einen Hofmeister im Auge. Das gemeinsame Schulleben der Jugend erschien ihm geradezu verderblich. Dadurch, dass Locke in dem Ausspruche Juvenals: Mens sana in corpore sano das Ideal der Erziehung erkennt, brach er der Anschauung Bahn, dass der physischen Erziehung gleiches Recht mit der psychischen gebührt.

Erhaltung der Gesundheit.

Kinder vornehmer Eltern sollten in leiblicher Hinsicht etwa wie Kinder wohlhabender Landleute gehalten werden.

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Die Kinder dürfen nicht zu warm gekleidet werden, selbst nicht im Winter. Tag und Nacht bei Wind und Wetter sollen sie barhäuptig gehen.

Täglich sollen sie die Füße in kaltem Wasser baden, dieselben gegen Näffe so abhärten, wie die Hände gegen Nässe abgehärtet sind.

Schwimmen müssen alle Knaben lernen; das verstand sich bei den alten Deutschen von selbst.

Der Knabe treibe sich in jeder Jahreszeit im Freien herum.

Enge Kleider taugen nicht, am wenigsten die Schnürleiber der Mädchen. Kleinen Kindern gebe man kein Fleisch, dagegen Milch. Zu stark gesalzene und gewürzte Speisen sind ihnen schädlich.

Früh aufstehen, früh zu Bette gehen, sei Regel, 8 Stunden Schlaf reicht hin. Man wecke nicht aufschreckend. Das Lager sei hart, auf Matraßen, nicht auf Federbetten.

Man gebe den Kindern möglichst wenig Arznei, besonders keine Präservativ= mittel. Auch schicke man nicht um jede Kleinigkeit nach dem Arzte.

Bildung des Geistes.

Man muß den Körper stark erhalten, um ihn fähig zu machen, der Seele zu dienen.

werden.

Selbstverleugnung und Selbstüberwindung muss früh geübt Kinderfehler sind nicht zu übersehen, sie erwachsen zu Mannesfeh lern. Dressiert man doch junge Thiere zum Guten, warum nicht Kinder? Dagegen leitet man die Kinder zum Bösen an. Gib ihm einen Schlag, sagt man, oder: ich will ihn wieder schlagen. Früh erweckt man ihre Putsucht, gibt ihnen lügenhafte Ausreden an die Hand, verwöhnt sie zur Leckerei; so find die Erwachsenen Versucher und Verführer der Jugend.

Den Launen der Kinder muss man nie dienen, sie zuerst an unbedingten Gehorsam, darnach mit den Jahren an Freiheit gewöhnen, so dass sie aus gehorsamen Kindern Freunde werden. (John Lockes Verhältnis zu seinem Vater.)

Strafen und Belohnungen.

Was beim Unterrichten eingebleut wird, erregt eben deshalb dem Kinde Widerwillen, zudem wird es durch Schläge seig und sclavisch.

Dagegen wirke man auf die Kinder durch Lob und Tadel. Von allen Motiven, welche geeignet sind, eine vernünftige Seele zu rühren, ist kein mächtigeres, als Ehre und Schande, wenn man einmal das Geheimnis gefunden hat, sie für diese Eindrücke empfänglich zu machen. Kann man daher den Kindern Liebe zur Reputation einflößen und ihnen eine Idee von Scham und Schande beibringen, so hat man ihnen damit ein wahrhaftes Princip eingepflanzt, welches sie unaufhörlich zum Guten führen wird.

Die Lobsprüche, welche die Kinder verdienen, sollten sie in Gegenwart anderer erhalten. „Die Belohnung wird verdoppelt, wenn das Lob verbreitet

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wird." Dagegen soll man ihre Fehler nicht bekannt machen, das macht sie stumpf.

Weinen und Schreien der Kinder.

Widerspenstigem Schreien muss streng entgegengetreten werden; im Schreien über Schmerz müssen die Kinder nicht durch Bedauern bestärkt, vielmehr sollen sie abgehärtet werden.

Furcht und Herzhaftigkeit der Kinder.

Man entwöhne von Furcht, doch so, dass die Kinder nicht dummdreist werden, und erziehe sie zu rechtem Muth. Dieser bleibt seiner mächtig, bei jeder Gefahr und in jedem Leiden gewissenhaft.

Man mache die Kinder nicht schreckhaft, gewöhne sie an den Anblick_widerwärtiger Thiere, der Frösche 2c., härte sie ab, so dass sie selbst freiwillig Schmerzen ertragen.

Neigung der Kinder zur Grausamkeit,

besonders zur Thierquälerei ist zu bekämpfen. Aber das Gegentheil geschieht. Man lehrt die Kinder schlagen, und lacht darüber, wenn sie andern wehe thun. Läuft doch das ganze Geschwäß, womit die Geschichte uns bewirtet, fast auf nichts anderes als auf Fechten und Todtschlagen hinaus. Die Eroberer sind große Schlächter des Menschengeschlechts, sie lernt der Jüngling bewundern, sein Wohlwollen wird dadurch erstickt.

Man halte auch die Kinder zur Freundlichkeit gegen Geringere, besonders gegen Dienstboten an.

Wissbegierde und träge Achtlosigkeit der Kinder.

Das fragende Kind muss nicht unfreundlich zurückgewiesen, auch nicht mit unrichtigen Antworten gefoppt werden.

Kinderfragen machen oft Männern zu schaffen. Um die Wissbegierde zu fördern, erzähle man in ihrem Beisein von den Kenntnissen anderer. „Und weil wir einmal alle, selbst von der Wiege an, eitle und stolze Geschöpfe sind, so schmeichle man ihrer Eitelkeit mit Dingen, die ihnen nüßlich werden können, und lasse ihren Stolz da wirksam sein, wo es zu ihrem Vortheil sein kann.“ Ein ähnlicher Sporn ist's, wenn man jüngere Geschwister durch ältere unterrichten lässt.

Kindern, die zum Spielen fleißig, zum Lernen träge sind, befehle man ernstlich, den ganzen Tag zu spielen, um es ihnen zum Überdruss zu machen, ihre Arbeit behandle man dagegen als Erholung, mache sie ihnen nie zum Geschäft. Auch körperliche Arbeit ist gut für die Trägen, da sie leicht beaufsichtigt und controliert werden kann.

Spielsachen der Kinder

sind nicht im Überfluss anzuschaffen, auch müssen nicht viele zugleich in die Hände gegeben werden. Wo möglich sollen die Kinder sich die Spielsachen selbst machen, wobei man helfen kann.

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