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Daher verfügt die Straßburger Kirchenordnung unter andern: Von Seminario Eccelesiae, das ist, Welcher maßen bei der Kirche und Schule, solche Personen mögen aufgezogen werden, die man künftig zu Kirchen- und Schuldiensten nüßlich möge gebrauchen.“ Schulen konnten somit nur da errichtet werden, wo der Küster zum Lehren geeignet und bereit gefunden wurde, wo ferner die Ortsbewohner geneigt waren ihre Kinder unterrichten zu lassen, und wo man endlich sich dazu verstand,,,den Gehalt des Küsters für die übernommene neue Mühwaltung zu erhöhen."

Für diese Schulen gab es keine eigenen Häuser: in Privatwohnungen, oft in elenden Hütten, „in denen die Schulkinder enge eingepfercht mit der Familie und mit dem Viehstande des Schulmeisters zusammen waren", wurden sie untergebracht. Nicht selten geschah es, dass der Schulmeister im Dorfe reihum wohnte. In den Städten wurde das ganze Jahr hindurch, auf den Dörfern in der Regel nur während des Winters, Unterricht ertheilt. Nach der sächsischen Schulordnung sollte die tägliche Unterrichtszeit mindestens 4 Stunden betragen. Der Eintritt in die Schule geschah nicht gleichmäßig, jedoch oft schon mit dem 5. Lebensjahre, der Austritt in der Regel mit dem 11. und 12. Lebensjahre. Erst später wurde die Dauer der Schulzeit gefeßlich geregelt und ein förmlicher Schulzwang eingeführt. Es geschah dies seit der Zeit der Kirchen= spaltung, wo das Versäumen der Katechismuslehre den Verdacht kezerischer Unzufriedenheit mit der bestehenden Kirchenordnung nahe Legte.

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Der Bestand der Mädchenschulen in den größern Städten hieng durchaus von dem Belieben der Schulfrau“ oder „Lehrfrau" und von der Willkür der Eltern ab, die ihre Töchter zur Schule schicken und aus derselben zurücknehmen konnten, wann sie wollten. Ohnehin war nur in den Städten das Bedürfnis von Töchterschulen fühlbar, welche für die weibliche Jugend der höheren Stände dasselbe leisten sollten, was die Schreib- und Rechenschulen, die sich aus dem Bedürfnis des bürgerlichen Berufslebens gestalteten, dem zukünftigen Bürgers- und Geschäftsmann leisteten. Bugenhagens eifrige Bemühungen, in allen Städten Norddeutschlands weibliche Schulanstalten ins Leben zu rufen, hatten nur geringen Erfolg

weil es vor allem an Lehrerinnen fehlte. Da aber,

wo Töchterschulen bestanden, waren die Lehrerinnen derselben gewöhnlich Witwen, unglückliche Frauen, auch wohl gewesene Nonnen, die keinen andern Weg des Broterwerbs zu erwählen hatten. Es erklärt sich daher, dass von diesen Schulfrauen noch weniger geleistet wurde als von den Schulmeistern.

Die Unterrichtsgegenstände in den Volksschulen waren: Katechismuslehre und Kirchengesang, Lesen und Schreiben; vereinzelt Rechnen. Gemäß der Schulordnung wurden die Schüler in drei Häuflein getheilt: in das eine kommen die, „so erst anfahen zu Buchstaben“, in das andere die, „so anfahen die Syllaben zusammenzuschlagen", in das dritte die, welche ansahen lesen nnd schreiben“. Jedes Häuflein sollte wieder in Rotten getheilt werden, damit die sich gleichstehenden Kinder zusammenkommen, dadurch aber die Kinder zum Fleiß angereizt und den Schulmeistern die Arbeit geringert werde".

Dem Lesenlernen wurde viel Fleiß zugewendet. Können die Kinder ziemlich gut lesen, sollen sie im Schreiben unterrichtet werden. Der Schüler hat ein Schreibbüchlein anzulegen, damit der Schulmeister in dasselbe vorschreibe und den Schülern unterweilen die Hand führe“.

Für den Kirchengesang waren gewisse Tage und Stunden der Woche angesetzt.

Im Religionsunterrichte bildete Luthers Katechismus die Grundlage. Katechismus und Gesangbuch waren die eigentlichen Schulbücher der Volksschule, neben diesen noch ein Psalmbüchlein oder ein Sprachbüchlein, wie etwa Troßendorfs Spruchsammlung "Rosarium". Im Jahre 1520 gab Valentin Ickelsamer ein methodisches Lesebuch heraus: „Von der rechten Weise lesen zu lernen; auch deutsche Grammatika, daraus einer von ihm selbst mag lesen lernen." Das Büchlein verlangt merkwürdiger Weise das Lesen ohne Buchstabieren zu lernen.

Die gewöhnliche Fibel des sechzehnten Jahrhunderts war „der Kinder Handbüchlein von Luther"; es enthielt das Vaterunser, den Glauben und die Gebote.

Auch erschien noch vor dem Jahre 1526 ein vollständigeres Lehrbuch für die Elementarclassen und deutschen Schulen unter dem Titel: Ein Büchlein für die Kinder, der Laien Biblia", worin :

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1. das Alphabet, die Lautbuchstaben und die stummen Buchstaben,

2. die drei Hauptstücke mit Erklärungen aus Luthers Schriften, 3. einige Bibelsprüche und die Ziffern von eins bis hundert gedruckt waren.

Von Methode im Volksschulunterricht war kaum die Rede.

Die Schüler seßten sich meistens ebenso regellos, wie sie kamen, in der Schulstube zusammen, wo der Schulmeister, ohne dass es einen Anstoß erregte, während des Unterrichts zugleich sein ehrbares Handwerk trieb. Die Schüler mussten nach einander hervortreten und ihr Pensum aufsagen.

Die Zucht in der Volksschule war dieselbe, wie in den lateinischen Schulen. Unaufhaltsames Prügeln, Schimpfen, Drohen, Fluchen, Vorwerfen körperlicher Gebrechen u. dergl. waren die in Übung stehenden Disciplinarmittel. Daher kam es auch, dass die Schule in der Vorstellung des Volkes und vor allem der Jugend durchaus als Zuchtanstalt in der übelsten Bedeutung des Wortes erschien, in der nur Brutalität und Härte walteten. Alle Schulordnungen machten es daher, wenn auch leider mit wenig Erfolg, den Präceptoren und Schulhaltern zur Pflicht, sich der herkömmlichen ganz unmenschlichen Disciplin zu enthalten.

Die Ruthe war überhaupt das von der Schuljugend mit Furcht und Schrecken respectierte Symbol der gesammten Schuldisciplin und spielte eine derartige Rolle, dass sie für das Bewusstsein der Schuljugend geradezu das Sinnbild der Schule selbst war. Es hatten sich in den Schulen uralte Gebräuche eingebürgert, welche beweisen, dass die Ruthe für die Schule ganz dieselbe Bedeutung hatte, wie die Fahne für das Kriegsvolk und wie das Scepter des Herrschers für die Unterthanen. Straffällig gewordene Schüler mussten die Ruthe halten, auch wohl die Finger an dieselbe legen oder sie küssen, 1) und bei ihr als dem Hort der Schule und der Zucht

1) J. Grimm in Wolfs Zeischrift für deutsche Myth. und Sittenkunde 2. 1. aus Geiler von Kaisersberg:

"

Wenn man ein Kind houwt, so muoss es dann die ruoten Küssen und sprechen ;

liebe ruot, trûte ruot,

werastu (nicht), ich thet niemer guot.

Sie küssent die ruot und springen darüber, io si hupfen darüber.“

Besserung geloben. Auch wurde der Präceptor durch überreichung der Ruthe angesichts der versammelten Schuljugend feierlich investiert.

Die Küster und deutschen Schulhalter in den Städten und Dörfern ahmten das ermunternde Beispiel, welches ihnen die Präceptoren und Cantoren der älteren Schulen gaben, getreulich nach und beeiferten sich in diesem Sinnne tüchtige Schulmeister und Jugenderzieher zu sein, bis urplöglich der Sturm des dreißigjährigen Krieges durch die Lande erbrauste und die geringen Anfänge des deutschen Volksschulwesens in seiner Verwüstung begrub.

3. Die Schulen der Jesuiten.

Im Jahre 1540 stiftete Ignatius von Loyola den Iesuitenorden. Die Gründung dieses Ordens bezeichnet eine neue Epoche im katholischen (gelehrten) Schulwesen.

Gegenüber den Bestrebungen der protestantischen Kirche auf dem Gebiet der Schule war auch die katholische Kirche nicht zurückgeblieben. In vielen Klöstern wurde das Studium der Alten ernstlich betrieben, die Benedictiner nahmen ihre wissenschaftliche Thätigkeit wieder auf, man gründete poetische Gymnasien; neue Lehrbücher und Methoden fanden in den katholischen Schulen Eingang.

Dennoch bleibt es unbestritten, dass erst die Jesuiten ein Schulwesen gründeten, welches das bestorganisierte ihrer Zeit war. Im Grunde genommen haben die Jesuiten kein neues System aufgestellt, sondern nur die Erziehungsmethode Trogendorfs mit der Unterrichtsmethode Sturms in Verbindung gebracht und zu einem Ganzen gestaltet. Der Wendepunkt, den die Jesuiten im Schulwesen bezeichnen, liegt darin, dass sie überhaupt Erziehung und Unterricht zu einem Ganzen vereinigen. Sie sind die ersten Pädagogen, die mit psychologischem Takte verfahren, die individuell entwickeln, für das praktische Leben erziehen und dadurch dem ganzen Schulwesen im bürgerlichen und staatlichen Leben eine bedeutsame Stellung sichern.

Der Schöpfer des Lehrplanes der Jesuiten ist Claudius von Aquaviva (1599). Nach seinem Plane wurde ein niederer und höherer Lehrcursus unterschieden. Der niedere Lehrcursus (studia inferiora), einem Gymnasium entsprechend, bestand aus 5 Classen; der obere Lehrcursus (studia superiora), eine Art Colleg oder Uni

versität, umfasste zunächst den philosophischen Cursus. Aus dem philosophischen Cursus traten die befähigten Zöglinge in den theologischen über.

Jeder Abtheilung stand ein Präfect vor, während das Ganze von einem Rector geleitet wurde.

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Auf das äußere Wesen und Benehmen der Zöglinge wurde mit Fleiß geachtet. Theatralische Vorstellungen sollten zum Anstand bilden helfeu; für die Erziehung des Leibes durch gymnastische Übungen wurde gleichfalls Sorge getragen. In den Anstalten herrschte Ordnung und Reinlichkeit. Die Arbeitsstunden waren schicklich vertheilt und die sonstigen Verrichtungen für den Tag zweckmäßig angeordnet.

Jede Classe begann morgens mit einer Andachtsübung, indem der Lehrer mit den Zöglingen kniend ein kurzes Gebet verrichtete. Sodann fieng jeder seine Lehrstunde wieder mit einem kurzen Gebet an und schloss sie eben so. Um halb 10 Uhr vormittags giengen Lehrer und Zöglinge zur Messe, nach deren Beendigung wurde

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