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Wasser zu baden, im Winter aufs Eis zu gehen oder sich mit Schneeballen zu werfen. Als er zur Zeit der Pest, die nach der großen Hungersnoth in Goldberg ausbrach, seine Schüler zum Unterrichte in der Kirche versammelte, so stieg er mit ihnen aufs hohe Chor, weil er meinte, dort wäre die Luft reiner.

Im folgenden Jahre brannte Goldberg ab, weshalb Trozendorf mit seinen Schülern nach Liegniß zog. Von hier aus betrieb er den Wiederaufbau der Goldberger Schule; allein er sollte nicht dahin zurückkehren.

Der Tod ereilte ihn in seinem Berufe. Eben las er den 4. Vers des 23. Psalmen: „Und ob ich schon wanderte im finstern Thal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und Stab tröstet mich“ — da rührte ihn der Schlag (20. April 1556). Nach seinem Tode gerieth die Goldberger Schule in Verfall.

Johannes Sturm.
(1506-1589).

Johannes Sturm war neben Trogendorf der hervorragendste Schulmann seiner Zeit. Der Schauplah seiner Lehrwirksamkeit war Straßburg.

Das Ziel der Schulbildung war ihm ein dreifaches: Frömmigkeit, Kenntnisse und Rede kunst. Frömmigkeit ist das Ziel aller menschlichen Bildung, durch Wissenschaft und Redekunst unterscheidet sich der Gelehrte von dem Ungelehrten. Die Realien fehlten in seiner Schule gänzlich; eben so war die deutsche Sprache aus derselben verbannt.

Nichts destoweniger gehört Sturm zu den hervorragendsten Methodikern. Er schritt von der Anschauung zum Begriffe und von der Sache zum Worte fort und drang auf stufenmäßige organische Entwickelung. Er schrieb eine Anzahl guter Lehrbücher, die in ganz Deutschland Verbreitung fanden.

Michael Neander.
(1525-1589)

war ein unmittelbarer Schüler Martin Luthers. Er versah 45 Jahre hindurch die Klosterschule zu Ilefeld am Harze und gab eine große

Anzahl pädagogischer Schriften heraus, unter denen die bedeutendste ist: „Bedenken, wie ein Knabe zu unterrichten, dass er vom sechsten bis zum achtzehnten Jahre Frömmigkeit, Latein, Griechisch, Hebräisch, die schönen Künste und die ganze Philosophie lerne".

Neanders Lehrbücher zeichneten sich durch prägnante Kürze aus; was daher in denselben enthalten war, mussten die Schüler sicher wissen.

Besonders ist bezüglich seines Lehrplanes hervorzuheben, dass er den Realien erheblichen Wert beimaß.

Franz Baco von Verulam.

(geb. 1561 zu London, gest. 1626.)

Von angesehenen Eltern abstammend (sein Vater war Großsiegelbewahrer der Königin Elisabeth) zeigte Baco schon als Knabe hervorragende Geistesanlagen. Nachdem derselbe seine rechtswissenschaftlichen Studien beendet hatte, zog ihn die Königin Elisabeth in politischen Dingen wiederholt zu Rathe; unter Jakob I. erlangte er die Würde eines Kanzlers von England und Barons von Verulam.

Wir haben hier nicht seine glänzende politische Laufbahn und deren unrühmliches Ende zu betrachten; wohl aber darf nicht übersehen werden, dass er auf dem Gebiete der Wissenschaft zu jenen hervorragenden Geistern zu rechnen ist, die bahnbrechend für den Fortschritt einwirkten. Man hat Baco nicht mit Unrecht den Aristoteles der Neuzeit genannt; denn in der That reicht sein Einfluss bis auf unsere Tage herab: Baco ist der Begründer des Realismus.

Bisher flegte man ausschließlich das Bücherstudium; man las, was die Alten, namentlich Aristoteles und Plinius, über die Natur und die natürlichen Dinge geschrieben hatten, aber niemand dachte daran, die Natur selbst zu beobachten, oder zu untersuchen, wie sich das geschriebene Wort zur Wirklichkeit verhalte. Wer dies im 16. Jahrhundert versucht hätte, wäre wohl in den Ruf eines Zauberers und Herenmeisters gekommen.

Baco gieng von der Natur und Erfahrung aus und gründete die Erkenntnis auf Beobachtung und Prüfung; in diesem Sinne

Niedergesäß, Geschichte der Pädagogik.

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können wir ihn daher als den geistigen Urheber des modernen Anschauungsunterrichtes ansehen.

,,Mögen die Menschen demüthig und mit Erfurcht das Buch der Creaturen aufschlagen, sich ausdauernd in dasselbe vertiefen, und reingewaschen von Meinungen, keusch und von ganzer Seele sich einleben in dieses Buch. Das ist die Rede und Zunge, welche von allen Enden der Erde ausgegangen, ungeirrt durch Babels Verwirrung; diese Sprache mögen die Menschen erlernen und verjüngt werden wie die Kinder, es nicht verschmähend, das A B C jener Sprache zu treiben."

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„Es handelt sich dabei nicht etwa nur um eine beschauliche Ergötung, sondern um die Angelegenheiten und das Glück der Menschen, ja um die Macht ihres Wirkens. Denn der Mensch, ein Diener und Ausleger der Natur, wirkt und erkennt in dem Maße, als er die Naturordnung durch Experimente wirkend oder durch Beobachtung erfahren hat; mehr weiß und vermag er nicht. Denn keine Kräfte vermögen die Kette der Ursachen aufzulösen oder zu zerbrechen, noch wird die Natur anders als durch Gehorsam besiegt. Daher fallen die doppelten Bestrebungen der Menschen- nach Wissen und nach Macht wahrhaft zusammen, und Unkenntnis der Ursachen ist meistens der Grund, dass die Experimente nicht gerathen. Alles kommt darauf an, dass wir die Augen des Geistes nie von den Dingen selbst wegwenden, und ihre Bilder, ganz so wie sie sind, in uns aufnehmen. Gott verhüte, dass wir ein Traumbild unserer Phantasie für das Abbild der Welt ausgeben, er möge uns vielmehr gnädig segnen, damit wir eine Ent

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hüllung und ein wahrhaftes Schauen der Spuren und Siegel, die 'er seinen Geschöpfen aufgedrückt, niederschreiben.“

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‚Es ist mit den Wissenschaften und Künsten wie mit den Pflanzen. Willst du von einem Baume Gebrauch machen, so liegt dir nichts daran, was aus der Wurzel werde; willst du ihn aber in anderen Boden verpflanzen, so ist es sicherer, du nimmst die Wurzeln als die Schösslinge. Die Unterrichtsweise, wie sie jest gewöhnlich ist, reicht nur abgehauene Stämme oder Äste der Wissenschaften dar, freilich schöne, aber doch ohne Wurzeln, dem Tischler, Drechsler, Zimmermann und anderen, die in Holz arbeiten, unstreitig ganz brauchbar, aber dem Gärtner, der Bäume pflanzen will, ganz unnük. Liegt es dir nun am Herzen, dass die. Wissenschaften in deinem Schüler leben und wachsen, so achte nicht viel auf die Schnißlinge vom Baume der Wissenschaften, aber darauf verwende alle deine Sorgfalt, dass du die Wurzeln unverlegt, ja auch noch mit etwas daran haftender Erde aus dem Boden nehmest und verpflanzest.“

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„Der Unterricht in den öffentlichen Schulen und Erziehung in den Collegien haben Vorzüge vor dem Privatunterichte; denn es gibt da mehr Nacheiferung, Achtung und Muster. Vorlautes Wissen taugt nichts. Man soll deshalb keinen compendiarischen Unterricht ertheilen. Es gibt zwei Hauptmethoden; die eine geht vom Leichteren zum Schwereren, die andere übt die Kraft, indem sie mit dem Schweren beginnt; dort schwimmt man auf Schläuchen, hier tanzt man in schweren Schuhen. Beide Methoden sollte man verbinden. Auf die Auswahl der Gegenstände kommt ebenfalls viel an. Der Lehrer muß die Individualität des jungen Menschen genau kennen und nach dieser die künftige Lebensweise desselben bestimmt.

Darin wird jeder es am weitesten bringen, wozu er am meisten Anlagen hat. Doch lässt sich auch in dem viel thun, woran es von Natur fehlt, wenn man nur das rechte Mittel findet. Dem flüchtigen Kopfe ist z. B. die Mathematik sehr heilsam, und gesezt, dass er auch bei diesem Unterrichte unachtsam wäre, so muss man den betreffenden Beweis nur von neuem vornehmen. Man muss viele Übungen (exercitia) anstellen, zuweilen aber sie unterbrechen, denn sonst werden auch die Fehler mitgeübt. Theatralische Übungen sind sehr nüßlich, weshalb sie auch die Jesuiten haben; fie bilden Gedächtnis, Aussprache, Ton, Nachdruck, Miene und Geberde.

Die früheste Erziehung ist für das ganze Leben so wichtig, wie für sproffende Pflanzen die gute Pflege."

Verwandt mit den Bestrebungen Baco's sind die des französischen Schriftstellers Michel de Montaigne (1533—1592). Montaigne fordert lebendiges Lernen im Umgange mit der Natur und mit Menschen; er verlangt sachliche Bildung anstatt angelernter Buchweisheit, selbständiges Urtheil des Zöglings, kräftigende Leibesübungen und einen heiteren Sinn.

2. Die Entstehung der Volksschulen in der Reformationszeit.

Die Grundlagen für alle Schulen der Reformationsepoche bildeten die Schulpläne und Kirchenordnungen, und zwar vornehmlich der von Melanchthon ausgearbeitete „sächsische Schulplan", die von Bugenhagen (dem Mitarbeiter Luthers und Melanchthons) aufgestellte „Braunschweigische Kirchenordnung“ und endlich die „württemberger Kirchenordnung". Diese Schulordnungen galten zunächst für die niederen und höheren Stadtschulen, für die Fürsten- oder Klosterschulen und für die akademischen Gymnasien, mit einem Worte für die lateinischen Schulen der damaligen Zeit.

Was die Volksschule betrifft, so lag dieselbe zur Zeit der Reformation noch in ihren Anfängen. Wie schon früher bemerkt, stand dieselbe ausschließlich im Dienst der Kirche und entbehrte jeglicher Selbständigkeit.

Den Pfarrherren war es geboten, an Sonntag-Nachmittagen dem Gesinde und den Kindern die drei Hauptstücke“ vorzusprechen, zu erklären und einzuprägen. Auf den Dörfern, in denen ein Pfarrherr nicht allen seinen Pfarrkindern ausreichenden Unterricht ertheilen konnte, weil er oft mehreren Gemeinden vorstand, musste der Diener des Pfarrers für ihn eintreten. Er führte den Namen „Kirchner“, weil er dem Pfarrer in der Kirche zur Hand sein musste, auch „Glöckner“, weil er das Läuten der Glocke zu besorgen, oder „Küster" (custos), weil er die heiligen Gefäße unnd Geräthschaften zu verwahren hatte. In Süddeutschland hieß er auch Sigrist und hatte die Nebengottesdienste und das Amt des Katecheten zu verwalten. Somit wurde in der Folge der Küster „Schulmeister," eine Bezeichnung, die jedoch erst von der Mitte des 17. Jahrhunderts an allgemein wurde.

Auf Grund der Schulordnungen des 16. Jahrhunderts hatten die Gemeinden das Recht Lehrer aufzunehmen; allein das Recht der Bestätigung der letteren fiel der geistlichen Behörde zu, welche darüber zu wachen hatte, dass niemand ein Schulamt übernehme, dem es an der rechten Eignung hiezu fehle.

Waren nun auch die Anfänge der Volksschule gegründet, so fehlten ihr doch die Hauptbedingungen ihrer gesicherten Existenz: Vorbereitungsanstalten lehrfähiger Schulmeister.

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