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An dem Unterricht theilzunehmen waren außer der Priesterkaste und der Kriegerkaste nur noch die Kaufleute und Gewerbetreibenden berechtigt; für den Arbeiterstand hielt man Bildung nicht für erforderlich, ebenso wenig wie für das weibliche Geschlecht, dessen Sittenreinheit man durch Bildung zu gefährden glaubte. Eine Ausnahme hievon machten die öffentlichen Tänzerinnen, die nicht bloß in Musik, Gesang und Tanz, sondern auch im Lesen und Schreiben ausgebildet wurden.

Was die Erziehung betrifft, deren Zweck theilweise durch die religiöse Denkweise der Inder gegeben ist, so war lehterer nicht so flar ausgesprochen wie bei den Chinesen. Die Religion der Inder ist vorwiegend eine Religion des Gemüthes, und darum waltete auch in ihrer Erziehung dieses Moment einseitig vor.

Das Kind war den Eltern Liebe und Gehorsam schuldig, nicht minder aber auch dem Lehrer.

„Dem hier auf Erden geborenen Mann sind drei Personen besonders ehrwürdig: der Lehrer, der Vater und die Mutter. Der Vater erzeugt ihn ja, die Mutter zieht ihn groß, und der Lehrer gibt ihm die Einsicht; darum heißt dieser der Ehrwürdige."

„Unter den zwei Vätern, dem Erzeuger und dem Lehrer des heiligen Wortes, ist dieser der Ehrwürdigere, da die durch das heilige Wort bewirkte Geburt des Brahmanen in dieser und in jener Welt eine ewige ist."

„Zehn Brahmanen überragt ein Lehrer an Würde, zehn Lehrer überragt ein Vater, zehn Väter, aber wohl auch die ganze Erde übertrifft, o Herr, an Würde eine einzige Mutter. Welcher Ehrwürdige kommt einer Mutter gleich? Lehrer, die der Kaste verlustig gegangen sind, soll man verlassen, eine Mutter aber nie und nimmer.“ 1)

Die Priester sind die alleinigen Lehrer; öffentliche Schulen gibt es nicht. Die bestehenden Lehranstalten sind nur für die Familien der höheren Classen. Unter diesen wird auf die Erziehung der Brahmanen-Kinder die höchste Sorgfalt verwendet, da diese später Kunst und Wissenschaft pflegen und als Lehrer, Rathgeber, Ärzte und Richter wirksam sein sollen.

Der Elementarunterricht befasst sich mit Lesen, Schreiben und Rechnen. Die beiden ersten Gegenstände werden eng mit einander verbunden und wechselseitig geübt, indem ein Kind das andere unter Aufsicht des Lehrers unterrichtet. Geschrieben wird anfangs

1) Böthling K. Indische Sprüche.

in Sand, später mit einem eisernen Griffel auf Palmblätter und zulezt mit Tinte auf Palmblätter.

Bei den Buddhisten werden die Kinder noch strenger zur Entsagung erzogen als bei den Brahmaiten. Ihr Ideal ist das Klosterleben, das strenge Befolgung der Ceremonien und Ordensregeln fordert. Die Grundlage aller Erziehung bilden die folgenden zehn Gebote:

1. Du sollst kein lebendiges Wesen tödten.

2. Du sollst nicht stehlen.

3. Du sollst keine Unkeuschkeit begehen.

4. Du sollst nicht Unrecht thun mit deinem Munde.

5. Du sollst nichts Berauschendes trinken.

6. Du sollst das Haar auf dem Scheitel deines Hauptes nicht salben und
deinen Körper nicht bemalen.

7. Du sollst nicht dem Gesange zuhören, noch Schauspielen beiwohnen.
8 Du sollst nicht sißen oder liegen auf einem hohen und breiten Polster.
9. Du sollst nicht essen nach der Zeit.

10. Du sollst weder Geld noch Silber, noch sonst etwas von Wert als
Eigenthum besigen.

Das gesammte Eigenleben der Inder ist im Laufe der Zeit völlig umgestaltet worden und ist gegenwärtig in gänzlicher Auflösung begriffen.

Brahmanismus und Buddhismus.

Die Hindus bilden einen Zweig der großen indogermanischen Völkerfamilie. So lange diese in ihrem Ursige, dem Gebirgslande des Hindukusch weilte, mögen sie mit den nachmaligen Baktrern, Medern und Persern (dem Zendvolke) noch einen Stamm gebildet haben. Bei der großen indogermanischen Auswanderung theilte sich dieser Stamm: das Zendvolk wanderte südwestlich, die nach= maligen Inder (das Sanskritvolk) südöstlich in das Fünfströmeland (Pandschab) nnd in das Thalgebiet des Indus, von wo sie dann weiter in das Gangesgebiet vordrangen.

Diese Ausbreitung des Sanskritvolkes geschah auf Kosten einer rohen Urbevölkerung, welcher es an geistiger Begabung und körperlicher Schönheit überlegen war. Das Innewerden dieser Vorzüge führte zum Verbote der Zwischenheiraten und zu der lieblosesten Kastenordnung.

Auch den Namen Arier') haben die erobernden Einwanderer wahrscheinlich erst im Gegensaß zu den von ihnen unterworfenen Ureinwohnern Indiens angenommen.

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Die Keime ihrer Bildung hatten die Arier aus ihrer Urheimat mitgebracht, aber diese Keime mussten sich nun den neuen Verhältnissen des Volkes gemäß entwickeln.

Anfangs lebten die Einwanderer unter der Leitung von Ältesten und Königen in viele Stämme getheilt als Hirten und Ackerbauer. Sie verehrten den Sonnengott Indra und andere Naturkräfte mit Opfern und Liedern. Dieser naive Naturdienst zeigt sich noch in ihren älteren Hymnen. Ein solcher Hymnus an die Morgenröthe mag dazu dienen, den Übergang von der alten Naturreligion zum Brahmanismus zu verdeutlichen:

„Auf heil'gen Pfaden, Morgenroth, vom Himmelsglanze komm herab!

Die rothen Kühe fahren dich zum Hause hin des Opfernden.

Nah', Himmelstochter, heut dem Mann, der fremmen Segensspruch dir weiht, im Wagen ihm, dem glänzenden, dem glücklichen, den du betratst. Die Vögel, die da fliegen, all' und Menschen und Gethier, das kommt, wenn du erschiener, Morgenroth, von jedem Himmelsstrich hervor. Die Nebel scheuchend hat dein Strahl die ganze Welt so licht erhellt; um Reichthum bittend preisen dich des Kanva Söhne „Morgenroth!"

Dies ist kein einfaches Preis- und Danklied mehr. Es sind nicht mehr die reinsten Beweggründe, wie etwa Überströmen des Dankes oder der Wunsch nach Sühne eines Fehlers, welche den Sänger begeistern: Reichthum will er als Lohn für sein Lied. Die Gottheit beginnt bereits als der beschenkte Theil zu erscheinen, und der Geber erwartet eine Gegenleistung. An diese Auffassung knüpften die indischen Priester an und lehrten, die Götter könnten durch Gebete und Opfer und wirksame sinnbildliche Handlungen zu den erwünschten Leistungen gezwungen werden. Daraus folgt, dass Bußübungen, Opfer und Gebet über den Göttern stehen, und hiemit gelangten die Inder zu dem Begriffe Brahma, der geistigen Macht des Gebetes. Die Priester nannten sich nun Brahmanen, die Betenden. Männlich gedacht erscheint dann Brahma als Gott des Gebetes und nahm in der Folge als Weltschöpfer, Allseele und Urquell alles Seins die erste Stelle im indischen Religionswesen ein. Indra und die übrigen alten Naturgötter wurden zu bloßen Welthütern herabgedrückt. Als Ausflüsse Brahmas gelten Vishnu, der Durchdringer, und Siva, der Verehrte. Der erstere stellt die erhaltende Kraft, der lettere den Wechsel der Dinge dar. Beide bilden mit Brahma eine Art Dreieinigkeit (Trimurti). An sie schloss sich eine große Anzahl untergeordneter Gottheiten an.

Den Menschen anlangend, ist der Mittelpunkt der Religion der Inder die Lehre von der Seelenwanderung. Nach ihr ist die menschliche Seele nur zur Strafe für Vergehen in einem früheren Dasein dem irdischen Körper zuge= sellt. Ihr Ziel soll die Wiedervereinigung mit der göttlichen Weltseele (Brahma) sein. Darum ist das Leben auf Erden für den Inder nur eine Straf- und Prüfungszeit. Nur durch heiligen Wandel, Gebet und Opfer, sowie durch Bußübungen kann diese Zeit abgekürzt werden. Versäumt er diese Selbstreinigung, so geht die Seele nach Abstreifung der abgenußten Körperhülle in einen neuen, oft niedrigeren (Thier-) Körper über und die Wanderung beginnt von neuem.

Wie eine Judasqual lastete auf dem Hindu die Vorstellung einer endlosen Erneuerung. Daher die Neigung zum Trübfinn und zum Lebensüberdruss, daher die sclavische Beobachtung zahlloser Gebote, Regeln und Vorschriften, daher die übertriebenen Bußübungen, Fasten und Selbstpeinigungen, um die Aufgabe ihres Lebens zu lösen und der ewigen Ruhe in Brahmas Schoß theilhaftig zu werden.

Unter solchen Umständen war es kein Wunder, dass die Inder am Ganges dem wirklichen und thätigen Leben gänzlich entfremdet wurden, und diesem vollständiger Untergang drohte. Da trat, nach der Überlieferung, im sechsten Jahrhundert vor Christus, Siddhârtha, später Buddha (der Erweckte) genannt, mit einer Hoffnung auf Erlösung unter das indische Volk. Er war der Sohn Çuddhôdanas, des Königs von Kapilavastu 1), aus dem Stamme Gautama. Durch den Anblick so mannigfacher Leiden, von Krankheit, Alter und Tod, war er auf den Gedanken gekommen, wie sich wohl der Mensch dem Elend des Daseins entziehen möchte. Im Verhältnis zu so viel Jammer schienen ihm die endlosen Gebete, Opfer und Bußübungen der Brahmanen nichtig und wertlos. Er verwarf daher den ganzen Götterhimmel mit Brahma sowie die heiligen Bücher (Veden) und seßte an die Stelle der grausamen Bußübungen, der Opfer und Reinigungsgesehe, eine Sittenlehre des Wohlwollens, der Barmherzigkeit und Menschenliebe gegen alle Geschöpfe 2). Die Kastenordnung mit dem Hochmuth der höheren Stände durchbrach er mit der Lehre von der Gleichberechtigung aller Menschen. Daher verkündete er seine Lehre nicht an Bevorzugte und wie ein Geheimnis, sondern er predigte im Gegensaß zu den Brahmanen öffentlich in der Volkssprache (Pali). Seine Lehre sollte ein Gesek der Gnade für alle sein. Dies beweist auch die schöne Legende von seinem Lieblingsschüler Ânanda, die unwillkürlich an die Begegnung Christi mit der Samariterin am Jakobsbrunnen erinnert. Ânanda begehrt nämlich von einem Tschândâla- (Paria=) Mädchen, das Wasser schöpft, einen Trunk. Als dieses zögert, um ihn nicht durch Berührung zu verunreinigen, spricht er: „Meine Schwester, ich frage nicht nach deiner Kaste und deiner Abkunft, ich bitte um Wasser, wenn du es mir geben fannst."

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Die Grundlehren des Buddhismus sind:

1. Das Sein ist die Quelle unseres Elends;

2. dieses Elend entsteht durch die fortgesette Anhänglichkeit an die Sinnenwelt;

3. das Abstreifen dieser Anhänglichkeit erlöst vom Dasein;

4. es gibt einen Pfad zu einer solchen Erlösung.

Dieser Pfad zur Buddhahöhe fordert Entsagung und regungsloses Versenken in sich selbst. Hiedurch gelangt der Fromme stufenweise zum Nirvâna, dem Gebiete der völligen Ruhe, die durch nichts mehr gestört wird.

1) An den Vorhöhen des Himalaya.

2) Darum gehört bei den Buddhisten die Errichtung und Erhaltung von Schuhorten und Heilstätten für Thiere ebenso zu den frommen Werken, [wie die Stiftung von Armenhäusern für bedürftige Menschen.

Die Lehre des Buddha fand eine rasche Verbreitung über ganz Indien. Leider begann ihre Ausartung schon bald nach dem Tode des Lehrers. Acht Städte erhielten Theile seiner Asche, und über diesen Reliquien erhoben sich Heiligthümer (Tope) und Wallfahrtsorte. Diese zu Ehren des Buddha und späterer Heiligen erbauten Tempel (Grottentempel, Pagoden) wurden von den Brahmanen nachgeahmt.

Bei einer von den Brahmanen angeregten Verfolgung wurde der Buddhismus in Indien fast gänzlich ausgerottet. Was er hier verlor, gewann er wieder in anderen Ländern, z. B. in Tibet, China und Japan. Doch war der Buddhismus zur Zeit der Verfolgung bereits sehr gesunken, und der Neubuddhismus ist nicht viel besser als der Fetischdienst.

Als Oberhäupter der Neubuddhisten gelten der Dalai Lama, welcher in Lása, und der Bogda Lama, der in Táschilhúnpo seinen Siß hat.

(Nach O. Peschel und Joh. Scherr.)

3. Die Erziehung bei den Persern. 1)
(Der Kriegerstaat.)

Während die übrigen Völker des alten Orients von der Religion Sitte und Lebensweise vorgeschrieben erhalten und zu Dienern der Tempel erzogen werden, nicht aber zum Nationalgefühl, tritt dies leßtere Moment gegensäßlich bei den Persern entschieden hervor.

In wissenschaftlicher Beziehung haben die Perser keinerlei bemerkenswerte Leistungen aufzuweisen; aber mitten in dem erschlaffenden Orient, im Besiz der Lurusstädte Babylon und Ninive erhielten sie sich frisch und tüchtig. Denn vom 5. bis 20. Jahre wurden die Knaben im Reiten und Bogenschießen geübt und zu ehrenhafter offener Gesinnung erzogen; die Lüge galt für die größte Schande.

Der persische Knabe wurde abgehärtet gegen körperliche Anstrengungen und gegen Entbehrungen. Er wurde zum Krieger, zum Eroberer und Beherrscher erzogen, und dieses Bewusstsein gab den jungen Gemüthern Schwung und Feuer.

In öffentlichen Anstalten, die unter der Leitung erfahrener Greise standen, sollte der Jugend Gerechtigkeitsgefühl, Selbstbeherrschung und Wahrhaftigkeit anerzogen werden, da man mit Recht erkannte, dass auf diesen Tugenden die Macht eines Volkes beruht.

*) Vergl. Fr. Körner. Gesch. d. Päd. S. 14 ff.

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