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Familien sich Kinder befanden und stellten „den Herrn Jesus" dar. Die Eltern giengen ihnen mit ihren Kindern entgegen, hörten den Gesang an und entließen sodann die Sänger oft mit reichen Geschenken. Um 9 Uhr abends ward dann vom Thurme des Münsters herab die heil. Nacht eingeläutet, dies war das Zeichen zum Kirchgang. Im Münster stimmten die Knaben das Lied an: „Quem pastores", und am Weihnachtsmorgen sang der Cantor den Weihnachtsgesang: „Puer natus im Bethlehem."

Das eigentliche Kinderfest um diese Zeit fiel aber auf den Tag „Unschuldige Kinder", während es in Norddeutschland schon am St. Nikolaustage gefeiert wurde. An Dom- und Klosterschulen, später auch an Stadtschulen, zogen die Knaben unter Anführung ihres Chorbischofs, der mit Mitra und Stab gegeschmückt war, in die Kirche und hielten dort den Chor ganz wie die Geistlichen. An diesem althergebrachten Spieltage, an welchem in Wien noch der Chorbischof herumzog, erfreuten sich die Schüler der größten Ungebundenheit. Weil aber Muthwille und Missbrauch dabei immer größer wurden, so gieng man in der Folge daran, dieses Spiel abzuschaffen.

Am Neujahrsfeste giengen die Schulkinder zu ihren Taufpathen „Neujahr ansingen", wobei Geschenke gegen Glückwünsche umgetauscht wurden.

Am heil. Dreikönigstage war das „Sternsingen“ üblich; die Chor= schüler zogen dabei einen Stern tragend und religiöse Lieder singend von Haus zu Haus. Außerdem gab es Schulfeste am Lichtmesstage, zu Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, am Michaelis- und Andreastage.

Eines der lieblichsten Schulfeste wurde am 1. Mai gefeiert. An diesem Tage zogen, wie an vielen andern Orten, die Schüler der Bürgerschule von St. Stephan mit Maienkränzen geschmückt, unter Begleitung ihrer Eltern und Lehrer hinaus in Feld und Flur, in den grünen Wald, durch die Weinberge, wo heute die Vorstädte sich ausdehnen. An vielen Orten fand in der Maienzeit auch der „Ruthenzug" statt. Von den Lehrern geführt und von der halben Stadt begleitet, zog die Schuljugend in den Wald, um den für sie nöthigen Bedarf an Ruthen für das laufende Jahr selbst herbeizuschaffen.

Ein ureigenes Fest der Schule war endlich das „Gregorifest“ am 12. März. Mit diesem Feste waren im Mittelalter sehr häufig dramatische Aufführungen (Schulkomödien) verbunden. Die Schüler der Stephansschule und der Cantorei führten lange Zeit hindurch solche Komödien auf in dem Rathhaussaale in der Salvatorgasse und später in dem neuen Bürgerzeughause auf dem Hof, denen allerhöchste und hohe Persönlichkeiten mit Interesse beiwohnten. Diese Schulkomödien waren namentlich auch in Oberösterreich bis ins achtzehnte Jahrhundert üblich, wurden jedoch später, da sie zu vielen Klagen Anlass gaben, gesetzlich abgeschafft.

Niedergesäß, Geschichte der Pädagogik.

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III.

Die Reformations- und nach-reformatorische Beit.

A. Zeitalter der Reformation bis zum Ende des XVI. Jahr

hunderts.

1. Die Reformatoren und deren nächste Nachfolger.
Martin Luther.

(Geb. am 10. November 1483 zu Eisleben, gest. am 18. Febr. 1546 zu Eisleben.) Sein Vater, Hans Luther, war Bergmann im Dorfe Möhra und wurde später Hüttenherr und Rathmann in Mannsfeld. Die Eltern, schlichte, fromme Leute, erzogen den Knaben sehr streng. Nachdem er die Schule in Mannsfeld am Harz besucht hatte, kam er im fünfzehnten Jahre auf die lateinische Schule nach Magdeburg, und ein Jahr später (1498) nach Eisenach, wo er sich als Currendeschüler sein Brot ersingen musste. Dort nahm ihn Frau Cotta, eine Verwandte seiner Mutter, ins Haus, dieweil sie um seines Singens und herzlichen Gebets willen in der Kirchen eine sehnliche Zuneigung zu dem Knaben trug."

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Im Jahre 1501 bezog Luther die Universität Erfurt, 1505 wurde er Magister und eröffnete sodann Vorlesungen über Aristoteles; zugleich studierte er Jura. Erschüttert durch den jähen Tod seines Freundes Alexius (dieser wurde nämlich an seiner Seite vom Blize getödtet), floh er in der Nacht des 17. Juli 1505 in das Augustinerkloster zu Erfurt und wurde Mönch. Im Jahre 1507 erhielt er die Priesterweihe, und ein Jahr darauf wurde er Professor an der Universität Wittenberg. Hier begann seine reformatorische Wirksamkeit. Es ist hier nicht der Ort, ihn als Kirchen-Reformator zu charakterisieren, wohl aber als Reformator der deutschen Schule.

Als solcher gieng er von dem Gedanken aus, dass ein gutes Hausregiment das Fundament eines guten Völkerregiments sei, dass aber die häusliche Zucht in der Schulzucht die nöthige Unterstützung finden müsse.

Während Luther in seiner 1520 erschienenen Schrift: „An den

christlichen Adel deutscher Nation" auf die Nothwendigkeit einer durchgreifenden Reform der Hochschulen hinweist, dringt er in einem weiteren Schreiben (1524): „An die Bürgermeister und Rathsherren aller Städte Deutschlands" auf die Errichtung von neuen Bildungsstätten für das niedere Volk. In diesem Sinne ist er der eigentliche Gründer der Volksschule.

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In seinem Sendschreiben an die Bürgermeister und Rathsherren hebt Luther folgende Punkte hervor:

1. Anlegung von Schulen für Knaben und Mädchen in den Städten und auf dem Lande.

2. Anstellung geschickter Lehrer, die in den Sprachen und in der Religion, in den freien Künsten unterrichten können.

3. Pflege der Musik und Mathematik.

4. Die Knaben und Mädchen sollen eine oder zwei Stunden des Tages zur Schule gehen und in der übrigen Zeit sich zuhause beschäftigen, ein Handwerk lernen, oder sonst etwas, was ihnen später nüßen könne.

Luthers wichtigste pädagogische Schriften sind außer seiner Übersetzung der Bibel ins Hochdeutsche (1521 bis 1534) folgende:

1. Über Hausregiment und Kinderzucht.

2. Deutsche Auslegung des Vaterunser für den einfältigen Laien, nicht für die Gelehrten (1518).

3. Sermon vom ehelichen Leben. Die kurze Form, die 10 Gebote, Glauben und Vaterunser zu betrachten (1520).

5. Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes (1528). 6. Der große und der kleine Katechismus (1529).

7. Der Sermon an die Geistlichkeit, dass man die Kinder zur Schule halten solle (1529).

8. Etliche Fabeln Äsops von Luther verdeuscht, sammt einer schönen Vorrede (1539).

Durch seine zahlreichen Sermone (Reden, Vorträge) und kleinen Schriften wirkte Luther ins Weite; durch zahllose Briefe, in denen er Anfragenden Rath und Auskunft gab, auf die Einzelnen. Einige Auszüge aus den ersteren mögen hier Plag finden.

Schlechte Kinderzucht.

„Von Natur sind die Kinder so geartet, dass sie es gerne sehen, wenn man ihnen den Zügel schießen lässt. Die Jugend ist nicht anders, und wenn sie auch so fest gehalten wird, dass sie nicht durchbrechen kann, so murret sie doch dagegen. Das Recht der Väter über die Kinder rühret von Gott her: der ist der rechte Vater über alles, was Kinder heißt, im Himmel und auf Erden. Eph. 3, 15. Daher soll auch die Herrschaft der Väter über ihre Kinder auf Erden nicht störrisch und unfreundlich sein. Wer zornig herrschet, der macht Übel ärger. Wenn die Väter und Herren auf Erden Gott nicht erkennen, so macht Gott auch, dass kein Kind und Gesinde geräth. Die Erfahrung lehrt, dass durch Liebe mehr ausgerichtet werden könne, als durch knechtische Furcht und Zwang. Der Kinder Pflicht aber ist, dass sie vor allen Dingen Gott fürchten lernen; sodann aber auch, dass sie diejenigen lieben, die an ihrer Auferziehung arbeiten. Die Furcht vor Gott muß nie aus ihrem Herzen kommen, sonst sind sie zu allen Geschäften untüchtig und weder Gott noch Menschen bräuchlich. Die Zucht, die an Kindern sowohl mit Worten als mit Werken geschieht, errettet die Seele eines Kindes von den ewigen Höllenstrafen. Ein Vater schonet der Ruthe nicht, sondern bedenket dass ihm diese Ehre Kinder zu ziehen, von Gott gegeben sei; ja, dass es Gottes eigenes Werk sei, wann Kinder wohl gerathen sollen. Wer das nicht weiß, der hasset seine Kinder und Familie und wandelt in Finsternis. Eltern, die ihre Kinder allzusehr lieben, lassen ihnen den Muthwillen, die thun im Grunde nichts anders, als dass

sie dieselben hassen. Die Eltern sind gewöhnlich schuld an dem Verderben ihrer Kinder. Sie versehen es insgemein auf diesen zwei Seiten; entweder durch allzu große Hätschelei und Verzärtelung, oder durch eine allzugroße Strenge und Erbitterung. Es muss auf beiden Seiten Maß gehalten werden.“

Nothwendigkeit der Schulen.

Wenn Schulen zunehmen, so steht's wohl, und die Kirche bleibt rechtschaffen. Junge Schüler und Studenten sind der Kirche Sonnen und Quellen. Um der Kirche willen muss man christliche Schulen haben und erhalten. Gott erhält die Kirche durch die Schulen. Da wird die Jugend zur Gottseligkeit und zu allen ehrlichen und christlichen Ständen geschickt, unterrichtet und erzogen, daraus Schulmeister und Gesellen zu Kirchendienern gewählt und genommen werden.

Man bedarf aber auch der Schulen, um den weltlichen Stand äußerlich zu halten, und dass die Männer wohl regieren können Land und Leute, die Frauen wohl ziehen und halten können Haus, Kinder und Gesinde.

Mönchische Kinderzucht.

Salomon ist ein rechter königlicher Schulmeister. Er verbeut der Jugend nicht, bei den Leuten zu sein oder fröhlich zu sein, wie die Mönche ihren Schülern; denn da werden eitel Hölzer und Klöße daraus, wie denn auch Anselmus gesagt hat: Ein junger Mensch, so eingespannt, und von den Leuten abgezogen, sei gleich wie ein feiner junger Baum, der Frucht tragen könnte, in einen engen Topf gepflanzt. Denn also haben die Mönche ihre Jugend gefangen, wie man Vögel in die Bauer sett, dass sie die Leute nicht sehen noch hören mussten, mit niemand reden durften. Es ist aber der Jugend gefährlich, also allein zu sein, also gar von Leuten abgesondert zu sein. Darum soll man junge Leute lassen hören und sehen, und allerlei erfahren; doch dass sie zu Zucht und Ehren ge= halten werden. Es ist nichts ausgerichtet mit solchem mönchischen Zwange. Es ist gut, dass ein junger Mensch viel bei den Leuten sei; doch dass er ehrlich zur Redlichkeit und Tugend gezogen und von Lastern abgehalten werde. Jungen Leuten ist solcher spanischer mönchischer Zwang ganz schädlich und ist ihnen Freude und Ergößen so sehr vonnöthen, wie ihnen Essen und Trinken ist; denn sie bleiben auch desto eher bei Gesundheit.

Preis des Lehramtes.

Wo wollten Prediger und Juristen und Ärzte herkommen, wo nicht die Grammatica und andere Redekünste vorhanden wären? Aus diesem Brunnen müssen sie alle herfließen. Das sage ich kürzlich: einem fleißigen, frommen Schulmeister oder Magister, oder wer es ist, der Knaben treulich zeucht und lehret, dem kann man nimmermehr genug lohnen und mit keinem Gelde bezahlen; wie auch der Heide Aristoteles sagt. Noch ist's bei uns so schändlich veracht, als sei es gar nichts, und wollen dennoch Christen sein. Und ich wenn ich vom Predigtamt ablassen könnte oder müsste und von andern Sachen, so wollte ich kein Amt

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