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Die CALIFORNIA

Politische Dichtung

in Deutschland.

Ein Beitrag zu ihrer Geschichte während der ersten
Hälfte unsres Jahrhunderts...

Mit einer Arbeit über:

Friedrich von Sallet. Sein Leben und seine Werke

als

Inaugural-Dissertation

der

Hohen Philosophischen Fakultät der K. Ludwig-Maximilians-
Aniversität zu München

vorgelegt von

Paul Traeger.

Berlin.

Druck von F. W. Schapte.

1895.

CALIFORNIA

PT573
PITT

Die nachfolgenden Studien über die politische Dichtung legte ich im Sommer 1893 der hohen philosophischen Fakultät der Universität München als Theil einer Arbeit über „Friedrich von Sallet, sein Leben und seine Werke" vor. Der Beschäftigung mit diesem Dichter verdankten sie hauptsächlich ihr Entstehen. Um den letzten Theil seiner Wirksamkeit zu verstehen, deren Ausdruck die „Ernsthaften Gedichte" sind, war es nöthig, ein genaueres Bild von den politischen Bewegungen der Zeit zu gewinnen, welche in der Lyrik ein so lebhaftes Echo fanden. Eingehende, litterarhistorische Arbeiten über die politische Dichtung fehlen beinahe ganz; ich war also wesentlich nur auf eigene Studien darüber angewiesen, deren Frucht der nachfolgende Beitrag zu ihrer Geschichte ist.

Für mannigfachen wissenschaftlichen Rath und Beistand bei der Abfassung fühle ich mich besonders Herrn Prof. Muncker verpflichtet und möchte nicht unterlassen, ihm auch an dieser Stelle aufrichtigen Dank zu sagen.

483850

P. T.

I.

Die ersten Keime.

Die Jie tiefe Erniedrigung der napoleonischen Fremdherrschaft hatte zum ersten Mal das deutsche Volk zu einem starken, politischen und nationalen Empfinden gereift. Der moralische und materielle Druck hatte einen gemeinsamen Haß erzeugt, durch welchen es sich zu gemeinsamer That zusammenfinden konnte. Deutsche Dichter, allen voran Heinrich von Kleist, waren von der uninteressierten Höhe der schönen Kunst herabgestiegen, um mit ihren Gesängen diesen Haß zu schüren und das sich regende Gefühl zu thatbereiter Begeisterung zu entflammen. Die Lieder von Arndt, Körner und Schenkendorf hatten die Kämpfer im Felde begleitet; die einzelnen Ereignisse und die Männer des Kampfes hatte besonders Fr. Rückert in seinen kriegerischen Spott- und Ehrenliedern gefeiert. Der Freiheitskrieg war eine Erhebung und ein Sieg des Volkes gewesen, ein Umstand, dessen man sich mit Stolz bewußt war. Preußens König hatte sich ausdrücklich an sein Volk gewandt, und Theodor Körner in seinem Aufruf gesungen: „Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen.“

Nach langer Zeit hatte sich die vielköpfige Nation deutscher Zunge wieder einmal in Einigkeit beisammen gesehen; es war nur natürlich, daß das politische und nationale Interesse, gekräftigt in der erhebenden Stimmung des Sieges, diese Einheit auch für die Zukunft in festerer Form zu wahren wünschte. Man hatte vor dem Krieg die Göttin der Freiheit beschworen, und in der deutschen Dichtung wurde damals zuerst der Begriff der Freiheit an sich zum Vorwurf der Lyrik, wie er es vier Jahrzehnte hindurch mehr und mehr werden sollte. Wie später Herwegh forderte Körner: „Der Freiheit eine Gaffe", allerdings dachte er noch, anders wie jener, nur an die Freiheit von der Fremdherrschaft. Und nur diese schwebt Rückert in den Geharnischten Sonetten vor:

Was schreibest Dichter du? In Gluthbuchstaben
Einschreib' ich mein' und meines Volkes Schande,
Das seine Freiheit nicht darf denken wollen."1

1 Schluß des III. Sonetts.

Traeger, Polit. Dichtung.

1

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