Page images
PDF
EPUB

„Euren Sohn kann ich nicht geben Für noch so vieles Geld; Euer Sohn, der muß marschieren Ins weit und breite Feld.

Jns weite, ins breite Und auch noch vor den Feind, Wenn gleich sein schwarzbraun Mädchen. So bitter um ihn weint."

Sie weinet, sie greinet,
Sie klaget also sehr:
,,Ade, Herzallerliebster,
Wir sehn uns nimmermehr!"

Gruß aus der Heimat.

Kommt ein Vogel geflogen, Seht sich nieder auf mein Fuß, Hat ein Briefchen im Schnabel Mit'm freundlichen Gruß.

Ach, so fern ist die Heimat, In der Fremde bin ich hier; Und es fraget kein Hündlein Und kein Käßlein nach mir!

Im Wald und auf der Heide Da such' ich meine Freude, Ich bin ein Jägersmann. Den Wald und Forst zu hegen, Das Wildpret zu erlegen Mein' Lust hab' ich daran. Halli, hallo, halli, hallo! Mein' Lust hab' ich daran.

Kein Heller in der Tasche, Kein Schlückchen in der Flasche, Ein Stückchen trocken Brot, Den treuen Hund zur Seite, Wenn ich den Wald durchschreite: Dann hat es keine Not. Halli, hallo, halli, hallo! Dann hat es keine Not.

Hab' mich allweil vertröstet
Auf die sommerliche Zeit,
Und der Sommer ist kommen,
Und ich bin noch so weit.

Liebes Vöglein, flieg weiter,
Bring gar herzinnigen Gruß!
Ach, ich kann dich nicht begleiten,
Weil ich hier bleiben muß.

Jägerlied. *)

Das Huhn im schnellsten Zuge, Die Schnepf' im Zickzackfluge Treff' ich mit Sicherheit. Die Hasen, Reh' und Hirsche Erleg'ich auf der Birsche, Der Fuchs läßt mir sein Kleid. Halli, hallo, halli, hallo! Der Fuchs läßt mir sein Kleid.

So streich' ich durch die Wälder, So zieh' ich durch die Felder Wohl hin den ganzen Tag; Dann schwinden mir die Stunden Gleich flüchtigen Sekunden, Tracht' ich dem Wilde nach. Halli, hallo, halli, hallo! Tracht' ich dem Wilde nach.

Wenn sich die Sonne neiget,
Der feuchte Nebel steiget,
Mein Tagwerk ist gethan:
Dann zieh' ich von der Heide
Zur häuslich stillen Freude,
Ein froher Jägersmann.
Halli, hallo, halli, hallo!
Ein froher Jägersmann.

*) Nach einem Lied von Wilhelm Bornemann († 1851 in Berlin) zum Volkslied geworden.

Heil dir im Siegerkranz. *)

Heil dir im Siegerkranz Herrscher des Vaterlands, Heil, Kaiser, dir!

Fühl' in des Thrones Glanz Die hohe Wonne ganz, Liebling des Volks zu sein; Heil, Kaiser, dir!

Nicht Roß, nicht Reisige Sichern die steile Höh', Wo Fürsten stehn. Liebe des Vaterlands, Liebe des freien Manns Gründen den Herrscherthron Wie Fels im Meer.

Heilige Flamme, glüh!
Glüh und verlösche nie
Fürs Vaterland!
Wir alle stehen dann
Mutig für einen Mann,
Kämpfen und bluten gern
Für Thron und Reich!

Handlung und Wissenschaft
Hebe mit Mut und Kraft
Ihr Haupt empor!
Krieger- und Heldenthat
Finde ihr Lorbeerblatt
Treu aufgehoben dort
An deinem Thron!

Sei, Kaiser Wilhelm, hier
Lang' deines Volkes Zier,
Des Landes Stolz!

Fühl' in des Thrones Glanz
Die hohe Wonne ganz,
Liebling des Volks zu sein,
Heil, Raiser, dir!

*) Erschien zuerst im Flensburger Wochenblatt vom 27. Januar 1790 für dänische Unterthanen. Der Dichter, Heinrich Harries, war damals Kandidat der Theologie in Flensburg, geb 1762, gest. 1802 als Prediger zu Brügge bei Kiel. 1793 wurde das Lied von einem Dr. jur. Balthasar Gerhard Schumacher in verkürzter Gestalt (statt 8 Strophen nur 5) zu einem „Berliner Volksgesang" umgestaltet.

Königs ist seit 1871 der Kaiser getreten.

An Stelle des

[graphic][merged small]

Der siebzigste Geburtstag. *)

Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens,

Saß der redliche Tamm in dem Lehnstuhl, welcher mit Schnißwerk Und braunnarbigem Zucht voll schwellender Haare geziert war: Tamm, seit 40 Jahren in Stolp, dem gesegneten Freidorf,

Organist, Schulmeister zugleich und ehrsamer Küster,

Der fast allen im Dorf, bis auf wenige Greise der Vorzeit,
Einst Taufwasser gereicht und Sitte gelehrt und Erkenntnis,
Dann zur Trauung gespielt und hinweg schon manchen gesungen.
Oft nur faltend die Händ' und oft mit lauterem Murmeln,
Las er die tröstenden Sprüch' und Ermahnungen. Aber allmählich
Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Mittagsschlummer.
Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener Jacke;
Und bei entglittener Brill' und silberfarbenem Haupthaar
Lag auf dem Buche die Müze von violettenem Sammet,
Mit Fuchspelze verbrämt uud geschmückt mit goldener Troddel.

[blocks in formation]

Denn er feierte heute den siebzigsten frohen Geburtstag,
Froh des erlebeten Heils. Sein einziger Sohn Zacharias,

Welcher als Kind auf dem Schemel gepredigt und, von dem Pfarrer
Auserseh'n für die Kirche, mit Not vollendet die Laufbahn
Durch die lateinische Schul' und die teuere Akademie durch:
Der war jest einhellig erwähleter Pfarrer in Merlig,

Und seit kurzem vermählt mit der wirtlichen Tochter des Vorfahrs.
Fernher hatte der Sohn zur Verherrlichung seines Geburtstags
Edlen Tobak mit der Fracht und stärkende Weine gesendet,
Auch in dem Briefe gelobt, er selbst und die freundliche Gattin,
Hemmeten nicht Hohlweg' und verschneiete Gründe die Durchfahrt,
Sicherlich kämen sie beide, das Fest mit dem Vater zu feiern
Und zu empfah'n den Segen von ihm und der würdigen Mutter.
Eine versiegelte Flasche mit Rheinwein hatte der Vater
Froh sich gespendet zum Mahl und mit Mütterchen auf die Gesundheit
Ihres Sohnes Zacharias geklingt und der freundlichen Gattin,
Die sie so gern noch sähen und Töchterchen nennten und bald auch
Mütterchen, ach! an der Wiege der Enkelin, oder des Enkels!
Viel noch sprachen sie von den Tagen des Grams und der Tröstung,
Und wie sich alles nunmehr auflös' in behagliches Alter:

„Gutes gewollt, mit Vertrau'n und Beharrlichkeit, führet zum Ausgang! Solches erfuhren wir selbst, du trauteste; solches der Sohn auch! Hab' ich doch immer gesagt, wenn du weinetest: Frau, nur geduldig! Bet' und vertrau'! Je größer die Not, je näher die Rettung! Schwer ist aller Beginn; wer getrost fortgehet, der kommt an!"

Feuriger rief es der Greis, und las die erbauliche Predigt. Nach, wie den Sperling ernähr' und die Lilie kleide der Vater. Doch der balsamische Trank, der altende, löste dem Alten Sanft den behaglichen Sinn und duftete süße Betäubung.

Mütterchen hatte mit Sorg' ihr freundliches Stübchen gezieret,
Wo von der Schule Geschäft sie ruheten und mit Bewirtung
Rechtliche Gäst' aufnahmen, den Prediger und den Verwalter,
Hatte gefegt und geuhlt und mit feinerem Sande gestreuet,
Reine Gardinen gehänget um Fenster und luftigen Alkov,
Mit rotblumigem Teppich gedeckt den eichenen Klapptisch
Und das bestäubte Gewächs am sonnigen Fenster gereinigt,
Knospende Ros' und Levkoj' und spanischen Pfeffer und Goldlack,
Samt dem grünenden Korb Maililien hinter dem Ofen.
Ringsum blinkten gescheuert die zinnernen Teller und Schüsseln
Auf dem Gesims'; auch hingen ein paar stettinische Krüge
Blaugeblümt an den Pflöcken, die Feuerkieke von Messing,
Desem und Mangelholz, und die zierliche Elle von Nußbaum.
Aber das grüne Klavier, vom Greise gestimmt und besaitet,
Stand mit gebildertem Deckel und schimmerte; unten befestigt
Hing ein Pedal; es lag auf dem Pult ein offnes Choralbuch.
Auch den eichenen Schrank mit geflügelten Köpfen und Schnörkeln,
Schraubenförmigen Füßen und Schlüsselschilden von Messing
(Jhre selige Mutter, die Küsterin, kauft' ihn zum Brautschaß)
Hatte sie abgestäubt und mit glänzendem Wachse gebohnet.
Oben stand auf Stufen ein Hund und ein züngelnder Löwe,

Beide von Gips, Trinkgläser mit eingeschliffenen Bildern,
Zween Theetöpfe von Zinn und irdene Tassen und Aepfel.

Als sie den Greis wahrnahm, wie er ruht' in atmendem Schlummer,
Stand das Mütterchen auf vom binsenbeflochtenen Spinnstuhl,
Langsam, trippelte dann auf klirrendem Sande zur Wanduhr
Leis und knüpfte die Schnur des Schlaggewichts an den Nagel,
Daß ihm den Schlaf nicht störte das klingende Glas und der Kuckuck.
Jeho sah sie hinaus, wie die stöbernden Flocken am Fenster
Rieselten, wie der Ost dort wirbelte, dort in den Eschen
Rauscht' und der hüpfenden Kräh'n Fußtritte verweht an der Scheuer.
Lange mit ernstem Gesicht, ihr Haupt und die Hände bewegend,
Stand sie vertieft in Gedanken und flüsterte halb, was sie dachte:

„Lieber Gott, wie es stürmt, und der Schnee in den Gründen sich anhäust! Armer, wer jezt auf Reisen hindurch muß, ferne der Einkehr!

Auch wer, Weib zu erwärmen und Kind, auswandert nach Reisholz,
Hungrig oft und zerlumpt! Kein Mensch wohl jagte bei solchem
Wetter den Hund aus der Thüre, wer seines Viehes sich erbarmet!
Dennoch kommt mein Söhnchen, das Fest mit dem Vater zu feiern!
Was er wollte, das wollt er, von Kind auf! Gar zu besonders
Wühlt mir das Herz! Und seht, wie die Kay' auf dem Tritte des Tisches
Schnurrt und das Pfötchen sich leckt, auch Bart und Nacken sich puzet!
Das bedeutet ja Fremde, nach aller Vernünftigen Urteil!“

Sprach's und trat an den Spiegel, die festliche Haube zu ordnen,
Welche der Vater verschob, mit dem Kuß ausgleichend den Zwiespalt;
Denn er leerte das Glas auf die Enkelin, sie auf den Enkel.
Richt ganz schäme sich meiner die Frau im modischen Kopfzeug!
Dachte sie leis' im Herzen und lächelte selber der Thorheit.

Neben dem schlummernden Greis, an der anderen Ecke des Tisches,
Deckte sie jego ein Tuch von feingemodeltem Drillich,

Stellte dann die Tassen mit zitternden Händen in Ordnung;
Auch die blecherne Dos' und darin großklumpigen Zucker

Trug sie hervor aus dem Schrank und scheuchte die summenden Fliegen,
Die ihr Mann mit der Klappe verschont zur Wintergesellschaft;
Auch dem Gesims enthob sie ein Paar Thonpfeifen mit Posen,
Grün und rot, und legte Tobak auf den zinnernen Teller.

Als sie drinnen nunmehr den Empfang der Kinder bereitet,
Ging sie hinaus vorsichtig, damit nicht knarrte der Drücker.
Aus der Gesindestube darauf, vom murmelnden Spulrad,
Rief sie, die Thür halb öffnend, Marie, die geschäftige Hausmagd,
Welche gehaspeltes Garn von der Wind' abspulte zum Weben,
Hastiges Schwungs, von dem Weber gemahnt und eigenem Ehrgeiz.
Heiser ertönte der Ruf; und gehemmt war plößlich der Umschwung!

„Flint, lebendige Kohlen, Marie, aus dem Ofen gescharret,
Dicht an die Platte der Wand, die den Lehnstuhl wärmet im Rücken;
Daß ich frisch (denn er schmeckt viel kräftiger) brenne den Kaffee.
Heize mit Kien dann wieder und Torf und büchenem Stammholz,
Ohne Geräusch, daß nicht aus dem Schlaf aufwache der Vater.

« PreviousContinue »