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Zwei Reime heiß' ich viermal kehren wieder
Und stelle sie, geteilt, in gleiche Reihen,
Daß hier und dort zwei eingefaßt von zweien
Im Doppelchore schweben auf und nieder.

Dann schlingt des Gleichlauts Kette durch zwei Glieder
Sich freier wechselnd, jegliches von dreien.
In solcher Ordnung, solcher Zahl gedeihen
Die zartesten und stolzesten der Lieder.

Den werd' ich nie mit meinen Zeilen kränzen,
Dem eitle Spielerei mein Wesen dünket
Und Eigensinn die künstlichen Geseze.

Doch, wem in mir geheimer Zauber winket,
Dem leih' ich Hoheit, Füll' in engen Grenzen,
Und reines Ebenmaß der Gegensätze.

An die südlichen_Dichter.**)

Nehmt dies mein Blumenopfer, heil'ge Manen!
Wie Göttern biet' ich euch die eignen Gaben.
Mit euch zu leben und den deutschen Ahnen,
Jst, was mir einzig das Gemüt kann laben.
Halb Römer, stammt ihr dennoch von Germanen;
So laßt mit deutscher Red' euch denn begaben
Und heim euch führen an des Wohllauts Banden
Zu nördlichen aus südlich schönen Landen.

Eins war Europa in den großen Zeiten,
Ein Vaterland, des Boden hehr entsprossen,
Was Edle kann in Tod und Leben leiten.
Ein Rittertum schuf Kämpfer und Genossen,
Für einen Glauben wollten alle streiten,
Die Herzen waren einer Lieb' erschlossen;
Da war auch eine Poesie erklungen,

In einem Sinn, nur in verschied'nen Zungen.

*) Leimbach IV, 236. **) Gude VI, 8.

Nun ist der Vorzeit hohe Kraft zerronnen,
Man wagt es, sie der Barbarei zu zeihen.
Sie haben enge Weisheit sich ersonnen:
Was Ohnmacht nicht begreift, sind Träumereien.
Doch mit unheiligem Gemüt begonnen,

Will nichts, was göttlich ist von Art, gedeihen.
Ach, diese Zeit hat Glauben nicht, noch Liebe:
Wo wäre denn die Hoffnung, die ihr bliebe?

Das echte Neue keimt nur aus dem Alten,
Vergangenheit muß unsre Zukunft gründen.
Mich soll die dumpfe Gegenwart nicht halten;
Euch, ew'ge Künstler, will ich mich verbünden.
Kann ich neu, was ihr schust, und rein entfalten,
So darf auch ich die Morgenröte künden
Und streu'n vor ihren Himmelsheiligtumen
Der Erde Lieblosungen, süße Blumen.

August Wilhelm_Schlegel.*)
Der Völkersitten, mancher fremden Stätte
Und ihrer Sprache frühe schon erfahren,
Was alte Zeit, was neue Zeit gebaren,
Vereinigend in Eines Wissens Kette.

Im Steh'n, im Geh'n, im Wachen und im Bette,
Auf Reisen selbst, wie unter'm Schuß der Laren
Stets dichtend, aller, die es sind und waren,
Besieger, Muster, Meister im Sonette.

Der erste, der's gewagt auf deutscher Erde

Mit Shakespeares Geist zu ringen und mit Dante,
Zugleich der Schöpfer und das Bild der Regel:

Wie ihn der Mund der Zukunft nennen werde,
Ist unbekannt, doch dies Geschlecht erkannte
Jhn bei dem Namen August Wilhelm Schlegel.

Der Dichter über sich selbst.
Kosmopolit der Kunst und Poesie,
Verkündigt' ich in allen Formen sie.
Shakespeare, der Genius der Briten, fand
Durch mich in Deutschland noch ein Vaterland.
Im neuen Indien thront Britannia stark,
Im alten such' ich alter Weisheit Mark;
Des Ramas Thaten zog ich an das Licht,
Wovon Valmikis so erhaben spricht.
Drum siegl' ich mit des Helden Siegelring,
Den ich zum Lohn für mein Bemüh'n empfing.

*) Leimbach VI, 240.

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Das versunkene Schloß.

Bei Andernach am Rheine
Liegt eine tiefe See;
Stiller wie die ist keine
Unter des Himmels Höh'.
Einst lag auf einer Insel
Mitten darin ein Schloß,
Bis krachend mit Gewinsel
Es tief hinunter schoß.

Da find't nicht Grund und Boden
Der Schiffer noch zur Stund';
Was Leben hat und Odem,
Ziehet hinab der Schlund.
So schritten zween Wandrer
Zu Abend da heran,
Zu ihnen trat ein andrer,
Bot ihnen Gruß fortan.

,,Könnt, wie vor grauen Tagen
Das Schloß im See versant,
Jhr mir die Kunde sagen,
So habet dessen Dank.
Ich wandre schon seit Jahren
Die Lande aus und ein,
Manch' Wunder zu bewahren
In meines Herzens Schrein."

Der jüngste von den zween
Bereit der Frage war.
Er sprach: Das soll geschehen,
So wie ich's hörte zwar.
Als noch die Burgen stunden,
Lebt' da ein Ritter gut,
In Trauer fest gebunden,
Grämt er den stolzen Mut.

Warum er das mußt' dulden,
Hat keiner noch gesagt;
Ob alter Väter Schulden
Ihm das Gericht gebracht,
Ob eig'ne Missethaten
Ihn rissen in den Schlund,
Wo keiner ihm mag raten,
In offnen Grabes Mund."

So sprach von jenen beiden
Der jüngste an dem Ort;
Der Fremdling dankt den beiden,
Als traut' er wohl dem Wort.
Der Alte sprach: „Mit nichten!
Wie sprichst du falsch, o Sohn!
Es soll der Mensch nicht richten,
Find't jeder seinen Lohn.

„Wahr ist's, es hausen Geister
Da unten wundervoll;
Doch nimmer sind sie Meister,
Wer wandelt fromm und wohl.
Der Ritter gut und bieder
War ehrentreu und recht,
Noch rühmen alte Lieder
Das edele Geschlecht.

„Nur daß so schwere Trauer
Das Herz ihm hält umspannt,
Drum sucht er öde Schauer,
All' Freude weit verbannt;
und des Gesanges Klagen
Sind seine einz'ge Lust;
Nur diese Wellen schlagen
Einsam an seine Brust.

Wohl jene Wasser drunten
Sind voller Klag' und Schmerz;
Stets einsam wohnt dort unten,
Wem sie gerührt das Herz.
Denn alles, was vergangen,
Schwebt lockend vor dem Blick,
Es steigt aus dem Gesange
Klagend die Welt zurück.

Die Gegenwart verschwindet, Die Zukunft wird uns hell, Und was die Menschen bindet, Geht unter in den Quell. Wer in den Schwermutswogen Das Licht im Auge hält, Hat hier schon überflogen Die Bande dieser Welt.

„So dünkt mich, daß die Geister,
Durch Neid in ihrem Grab
Jhn, des Gesanges Meister,
Zogen den Schlund hinab
Wir sah'n, wie jedes Schöne
Des Todes Wurm verdirbt;
Schnell fliehen so die Töne,
Und der Gesang erstirbt.

,,Wem alle Zukunft offen,
Klar die Vergangenheit,
Sezt oben hin sein Hoffen,
Flieht aus der starren Zeit;
Und wenn er nicht so dächte,
So haßt das Ird'sche ihn;
Wo es den Tod ihm brächte,
Lockt es ihn schmeichelnd hin.“

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