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Bei Straßburg auf der Schanze.

Bei Straßburg auf der Schanze
Da ging mein Trauern an,
Ich sah im Abendglanze
Des Münsters Hochaltan,
Sah durch die grünen Auen
Des Rheines Silberband,
Sah die Vogesen blauen
Am duft'gen Himmelsrand.

Doch plöglich seh ich's blizen.
Dort drüben auf dem Wall,
Ich höre von Geschüßen
Den dumpfen Donnerknall,
Und auf der Schanze hüben
Kracht scharf der Gegengruß,
Und hüben blißt's und drüben
Und donnert Schuß um Schuß.

Und rasender gewittert
Der Mordgeschüße Schlund,
Das weite Elsaß zittert,

Der Schwarzwald bebt im Grund;
Die Sonne muß erblassen,
Umflort vor Rauch und Dunst,
Und drüben in den Gassen
Loht auf die Feuersbrunst.

Wie schaut das hehre Münster
In purpurroter Tracht
So traurig und so finster
Herüber durch die Nacht,
Es starrt hinab wie klagend
In wilder Flammen Lauf,
Und drohend hebt's und fragend
Den Riesenfinger auf.

O Brüder, liebe Brüder,
So lautet der Empfang?
So findet ihr euch wieder
Und war't getrennt so lang'?
Kinder, drin und draußen,
Wie tobt ihr sinnberaubt,
Und eure Kugeln sausen
Um mein geheiligt Haupt!"

1871.

Ja Straßburg, laß dich fragen:
Besinnst du dich so schwer,
Blieb dir aus alten Tagen
Kein blaß Gedächtnis mehr,
Da du am deutschen Rheine
Die wunderschöne Stadt,
Die ihresgleichen keine
Vom Fels zum Meere hat?

Als Erwins Haupt entsprungen
Des Münsters Herrlichkeit,
Als Gottfrieds Mund gesungen
Der Minne Lust und Leid,
Als Meister Brant die Thoren
Gegeißelt im Gedicht,

Als Spener dir geboren,
Der Kirche mildes Licht!

Ist das die Stadt, wo Goethe
Voll Jugendmut gehaus't,
Im Herzen seine Grete,
Im Kopfe seinen Faust,
Wo, wenn die Engel schweigen,
Die Ahnen in der Gruft,
Die stummen Steine zeugen:
Hier wehte deutsche Luft?

Zum Sturm denn, wilde Werber!
Schlagt kühn die Braut heraus,
Doch haus't nicht als Verderber
Im alten Mutterhaus!

Die heil'gen Engel schirmen
Mit Flügeln Gottes Dom,

Schont ihr auch, kommt's zum Stürmen,
Des Knaben Absalom!

Bei Straßburg auf der Schanze

Da ging mein Jubel an:
Ich sah im Morgenglanze
Des Münsters Hochaltan,
Ich sah vom Hochaltane
Ein schneeweiß Banner weh'n,
Ich sah die Friedensfahne
Sich sanft im Winde bläh'n.

Und statt Kanonendröhnen
Und statt Granatenknall
Zusammen hört' ich tönen
Der Glocken frommen Schall,
Und bei der Glocke Schallen
Sah ich des Volkes Strom
In Feierkleidern wallen
Zum Friedensfest im Dom.

Zwei Berge Schwabens. *) 1871.

Zur Wendenacht des Jahres
Beim stillen Sternenlicht
Ward mir ein wunderbares
Erhab'nes Nachtgesicht.

Nachts um die zwölfte Stunde
Stand ich am Bergesrand,
Sah dämmern in die Runde
Mein schwäbisch Heimatland.

Vom Zollern bis zum Staufen
Sah ich die Schwabenalp
Am Horizont verlaufen,
Der Mond beschien sie falb.

Aus Nachtgewölken ragte
Des Staufen kahles Haupt,
Das edle, vielbeklagte,
Des Diadems beraubt.

Doch wie die Wolken wallten,
Wuchs langsam draus empor
Von riesigen Gestalten
Ein geisterhafter Chor.

Die alten Schwabenkaiser,

Das edle Staufenblut,
Die starken Eichenreiser,
Die tapf're Löwenbrut.

Sie rechten ihre Glieder,
Sie standen hoch und stark,
Als fühle jeder wieder
Das alte Heldenmark.

Voran dem stolzen Trosse
Erhob sich feierlich
Der alte Barbarosse,
Der Kaiser Friederich.

Er trug die Kaiserkrone,
Den Mantel und das Schwert,
Womit er einst vom Throne
Des Reiches Macht gemehrt.

Dann drängten sich die Söhne,
Die Enkel her um ihn,
Zuleht der bleiche, schöne,
Der Knabe Konradin.

Ein jeder mit den Waffen,
Den Kronen, die er trug,
Auch sah ich Wunden klaffen
Bei manchem Mann im Zug.`

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Und ohne Steg und Brücken Ging wolkenleis ihr Gang

Den vielgezahnten Rücken

Der Schwabenalp entlang.

Die Nebelmäntel schweifen
Lang hin am Bergessaum,
Die Wolkenschuhe streiften
Der Wälder Wipfel kaum.

Und wo zur lezten Strecke
Sich das Gebirg verzweigt,
Als Hüter an der Ece
Die Zollernburg aufsteigt.

Da schien der Zug zu halten,
Im lezten Mondenschein
Zerflossen die Gestalten
Zu grauen Wolkenreih'n.

Mir war's, die Fürsten legen
Am Berg die Kronen hin,
Mir schien's, die Geister flögen
Wie segnend rings um ihn.

Und wie ich stand und lauschte,
Kühl streifte mir's das Haar,
Ein Morgenwehen rauschte:
Auf stieg das junge Jahr.

Und allgemach im vollern,
Im klaren Tageslicht
Erhob der Hohenzollern
Erwachend sein Gesicht.

Den Kaiserpurpur legte
Das Morgenrot ihm an,
Zu krönen ihn bewegte
Die Sonne sich heran.

Und bis hinab zum Staufeu
Mit hellem Rosenschein
Begann's zu überlaufen
Der Berge grau Gestein.

Ein Adler that sich wiegen,
Die Schwingen ausgespannt,
Mit stolzen Wendeflügen
Hoch ob dem deutschen Land.

Und rings im Land erklangen
Die Glocken all' zugleich,
Den Segen zu empfangen
Fürs Deutsche Kaiserreich.

Aus deutschen Lesebüchern III, 570.

Sedan.

Wie Märchen klingt's, und doch im

Jubelton Durch alle Straßen wälzt sich's freudebrausend:

,,Sie haben ihn, den Schelm Napoleon, Sie haben ihn und seine achtzigtausend!" Die Kinder rufen's in den Gassen aus, Den Männern rollen Thränen von den Wangen,

In Flaggen hüllt sich festlich Haus um Haus! Viktoria! Der Kaiser ist gefangen!

Viktoria! So wuchtig lag die Frucht Voll reifen Siegs noch nie in deutschen Händen,

Seit Hermann in der Teutoburger Schlacht Roms Heer zerquetschte zwischen Felsenwänden.

Nicht Leipzig ist's, nicht Waterloo fortan,
Wo deutscher Kraft ihr Bestes ist gelungen;
Dort hat es halb Europa mitgethan,
Bei Sedan haben wir's allein gezwungen.

Viktoria! So jählings lag, so tief Der Deutschen Todfeind niemals noch darnieder,

Augustus nicht, als er verzweifelnd rief:
,,Gieb, Varus, meine Legionen wieder!"
Nicht König Franz, der nach Pavias Strauß
Dem Deutschen Heere übergab die Wehre
Und aus der Haft des Kaisers schrieb nach
Haus:

„Alles verloren, aber nicht die Ehre!"

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Du brachtest nicht die Ehre mit ins Feld, Du nimmst sie nicht vom Feld mit ins Gefängnis;

Ein kecker Spieler warest, doch kein Held, Nicht groß im Glück und klein in der Bedrängnis;

Des Siegers Mitleid, deines Heeres Hohn Und deines Volkes Fluch wird mit dir gehen, Und zürnend wird dein Ohm Napoleon Allnächtlich neben deinem Lager stehen.

Ein Gottesurteil ist's, ein Weltgericht, Wie keins in der Geschichte Buch geschrieben. Die Lüge bläht sich, doch besteht sie nicht, Gott bläst darein – die Blase muß zerstieben. Der Pharao begrub im roten Meer, Nebukadnezar zwang, den Staub zu essen, Und Sanherib zerschlug mitsamt dem Heer, Ist wieder einmal zu Gericht gesessen.

Ihr aber rollt aufs neue die Fahnen auf, Glorreiche Helden, deutsche Gottesstreiter! Mit Gott voran im blut'gen Siegeslauf! Bis hierher half er und noch hilft er weiter.

Auf nach Paris, ins stolze Babylon, Kein Halt, bis seine trog'gen Mauern fallen!

Dann soll's noch lauter, soll im Donnerton Viktoria!" durch deutsche Lande schallen!

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Auguste Viktoria.

Mutter, reich an Ehr' und Glücke,
Die in ihrer treuen Hut
Warm im Neste, bis sie flügge,
Pflegt die junge Adlerbrut;
Die in muntrer Kinder Mitte
Häuslich waltet ernst und mild,
Deutscher Ehe, Zucht und Sitte
Allem Volk ein Musterbild!

Freundlich Herz, das voll Erbarmen
Für die Not des Volkes schlägt,
Unters niedre Dach des Armen
Gerne Trost und Freude trägt,
Für der Kinder Gruß zu danken
Ein beglückend Lächeln hat,
Und als Engel sich dem Kranken
Neigt auf seine Lagerstatt!

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Hermann von Gilm.

(Geschichte der deutschen Nationallitteratur § 62.)

Allerseelen.

Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
Die lezten roten Astern trag' herbei
Und laß uns wieder von der Liebe reden,
Wie einst im Mai.

Gieb mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke,
Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei,
Gieb mir nur einen deiner süßen Blicke,
Wie einst im Mai.

Es blüht und funkelt heut' auf jedem Grabe,
Ein Tag im Jahre ist den Toten frei;
Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe,
Wie einst im Mai.

Ich habe drei Kränze gewunden.

Ich habe drei Kränze gewunden,
Gleich einer Schäferin,
Und will sie nun verteilen
Nach meinem thörichten Sinn.

Den ersten aus Eichenblättern,
Den drücke ich dir aufs Haupt,
Es liegt eine Kraft in der Eiche,
Auf die man vertraut und glaubt.

Warum so spät erst, Georgine? Das Rosenmärchen ist erzählt, Und honigsatt hat sich die Biene

Den zweiten aus wilden Rosen
Geb' ich dem Bächlein im Wald,
Das färbt mit rosigem Leben
Die Wangen von Jung und Alt.

Den dritten aus Blumen des Feldes
Leg' ich dem Heiland aufs Haar;
Er soll keinen Dornenkranz tragen
In meinem seligsten Jahr.

Die Georgine.

Das Bett zum Schlummer schon gewählt.

Sind nicht zu lang dir diese Nächte,
Die Tage nicht zu schnell dahin?
Wenn ich dir jezt den Frühling brächte,
Du feuergelbe Träumerin!

Wenn ich mit Maitau dich beneßte,
Begösse dich mit Junilicht!

Doch ach, dann wärst du nicht die leyte,
Die stolze Einzige auch nicht.

Du spät gebornes Kind der Sonne,
Jch reich' dir brüderlich die Hand:
Ich hab' des Lebens Frühlingswonne,
Wie du den Maitag nicht gekannt;

Und spät wie dir, du feuergelbe
Stahl sich die Liebe mir ins Herz
Ob spät, ob früh —, es ist dasselbe
Entzücken und derselbe Schmerz!

Aus dem Walde tritt die Nacht,
An den Bäumen schleicht sie leise
Schaut sich um im weiten Kreise -
Nun gieb acht!

Alle Lichter dieser Welt,
Alle Blumen, alle Farben
Löscht sie aus und stiehlt die Garben
Weg vom Feld.

Die Nacht.

Alles nimmt sie, was nur hold,
Nimmt das Silber weg des Stromes,
Nimmt vom Kupferdach des Domes
Weg das Gold.

Ausgeplündert steht der Strauch
Rücke näher, Seel' an Seele!
die Nacht, mir bangt, sie stehle
Dich mir auch.

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