Bei Straßburg auf der Schanze.
Bei Straßburg auf der Schanze Da ging mein Trauern an, Ich sah im Abendglanze Des Münsters Hochaltan, Sah durch die grünen Auen Des Rheines Silberband, Sah die Vogesen blauen Am duft'gen Himmelsrand.
Doch plöglich seh ich's blizen. Dort drüben auf dem Wall, Ich höre von Geschüßen Den dumpfen Donnerknall, Und auf der Schanze hüben Kracht scharf der Gegengruß, Und hüben blißt's und drüben Und donnert Schuß um Schuß.
Und rasender gewittert Der Mordgeschüße Schlund, Das weite Elsaß zittert,
Der Schwarzwald bebt im Grund; Die Sonne muß erblassen, Umflort vor Rauch und Dunst, Und drüben in den Gassen Loht auf die Feuersbrunst.
Wie schaut das hehre Münster In purpurroter Tracht So traurig und so finster Herüber durch die Nacht, Es starrt hinab wie klagend In wilder Flammen Lauf, Und drohend hebt's und fragend Den Riesenfinger auf.
O Brüder, liebe Brüder, So lautet der Empfang? So findet ihr euch wieder Und war't getrennt so lang'? Kinder, drin und draußen, Wie tobt ihr sinnberaubt, Und eure Kugeln sausen Um mein geheiligt Haupt!"
Ja Straßburg, laß dich fragen: Besinnst du dich so schwer, Blieb dir aus alten Tagen Kein blaß Gedächtnis mehr, Da du am deutschen Rheine Die wunderschöne Stadt, Die ihresgleichen keine Vom Fels zum Meere hat?
Als Erwins Haupt entsprungen Des Münsters Herrlichkeit, Als Gottfrieds Mund gesungen Der Minne Lust und Leid, Als Meister Brant die Thoren Gegeißelt im Gedicht,
Als Spener dir geboren, Der Kirche mildes Licht!
Ist das die Stadt, wo Goethe Voll Jugendmut gehaus't, Im Herzen seine Grete, Im Kopfe seinen Faust, Wo, wenn die Engel schweigen, Die Ahnen in der Gruft, Die stummen Steine zeugen: Hier wehte deutsche Luft?
Zum Sturm denn, wilde Werber! Schlagt kühn die Braut heraus, Doch haus't nicht als Verderber Im alten Mutterhaus!
Die heil'gen Engel schirmen Mit Flügeln Gottes Dom,
Schont ihr auch, kommt's zum Stürmen, Des Knaben Absalom!
Bei Straßburg auf der Schanze
Da ging mein Jubel an: Ich sah im Morgenglanze Des Münsters Hochaltan, Ich sah vom Hochaltane Ein schneeweiß Banner weh'n, Ich sah die Friedensfahne Sich sanft im Winde bläh'n.
Und statt Kanonendröhnen Und statt Granatenknall Zusammen hört' ich tönen Der Glocken frommen Schall, Und bei der Glocke Schallen Sah ich des Volkes Strom In Feierkleidern wallen Zum Friedensfest im Dom.
Zwei Berge Schwabens. *) 1871.
Zur Wendenacht des Jahres Beim stillen Sternenlicht Ward mir ein wunderbares Erhab'nes Nachtgesicht.
Nachts um die zwölfte Stunde Stand ich am Bergesrand, Sah dämmern in die Runde Mein schwäbisch Heimatland.
Vom Zollern bis zum Staufen Sah ich die Schwabenalp Am Horizont verlaufen, Der Mond beschien sie falb.
Aus Nachtgewölken ragte Des Staufen kahles Haupt, Das edle, vielbeklagte, Des Diadems beraubt.
Doch wie die Wolken wallten, Wuchs langsam draus empor Von riesigen Gestalten Ein geisterhafter Chor.
Die alten Schwabenkaiser,
Das edle Staufenblut, Die starken Eichenreiser, Die tapf're Löwenbrut.
Sie rechten ihre Glieder, Sie standen hoch und stark, Als fühle jeder wieder Das alte Heldenmark.
Voran dem stolzen Trosse Erhob sich feierlich Der alte Barbarosse, Der Kaiser Friederich.
Er trug die Kaiserkrone, Den Mantel und das Schwert, Womit er einst vom Throne Des Reiches Macht gemehrt.
Dann drängten sich die Söhne, Die Enkel her um ihn, Zuleht der bleiche, schöne, Der Knabe Konradin.
Ein jeder mit den Waffen, Den Kronen, die er trug, Auch sah ich Wunden klaffen Bei manchem Mann im Zug.`
Und ohne Steg und Brücken Ging wolkenleis ihr Gang
Den vielgezahnten Rücken
Der Schwabenalp entlang.
Die Nebelmäntel schweifen Lang hin am Bergessaum, Die Wolkenschuhe streiften Der Wälder Wipfel kaum.
Und wo zur lezten Strecke Sich das Gebirg verzweigt, Als Hüter an der Ece Die Zollernburg aufsteigt.
Da schien der Zug zu halten, Im lezten Mondenschein Zerflossen die Gestalten Zu grauen Wolkenreih'n.
Mir war's, die Fürsten legen Am Berg die Kronen hin, Mir schien's, die Geister flögen Wie segnend rings um ihn.
Und wie ich stand und lauschte, Kühl streifte mir's das Haar, Ein Morgenwehen rauschte: Auf stieg das junge Jahr.
Und allgemach im vollern, Im klaren Tageslicht Erhob der Hohenzollern Erwachend sein Gesicht.
Den Kaiserpurpur legte Das Morgenrot ihm an, Zu krönen ihn bewegte Die Sonne sich heran.
Und bis hinab zum Staufeu Mit hellem Rosenschein Begann's zu überlaufen Der Berge grau Gestein.
Ein Adler that sich wiegen, Die Schwingen ausgespannt, Mit stolzen Wendeflügen Hoch ob dem deutschen Land.
Und rings im Land erklangen Die Glocken all' zugleich, Den Segen zu empfangen Fürs Deutsche Kaiserreich.
Aus deutschen Lesebüchern III, 570.
Wie Märchen klingt's, und doch im
Jubelton Durch alle Straßen wälzt sich's freudebrausend:
,,Sie haben ihn, den Schelm Napoleon, Sie haben ihn und seine achtzigtausend!" Die Kinder rufen's in den Gassen aus, Den Männern rollen Thränen von den Wangen,
In Flaggen hüllt sich festlich Haus um Haus! Viktoria! Der Kaiser ist gefangen!
Viktoria! So wuchtig lag die Frucht Voll reifen Siegs noch nie in deutschen Händen,
Seit Hermann in der Teutoburger Schlacht Roms Heer zerquetschte zwischen Felsenwänden.
Nicht Leipzig ist's, nicht Waterloo fortan, Wo deutscher Kraft ihr Bestes ist gelungen; Dort hat es halb Europa mitgethan, Bei Sedan haben wir's allein gezwungen.
Viktoria! So jählings lag, so tief Der Deutschen Todfeind niemals noch darnieder,
Augustus nicht, als er verzweifelnd rief: ,,Gieb, Varus, meine Legionen wieder!" Nicht König Franz, der nach Pavias Strauß Dem Deutschen Heere übergab die Wehre Und aus der Haft des Kaisers schrieb nach Haus:
„Alles verloren, aber nicht die Ehre!"
Du brachtest nicht die Ehre mit ins Feld, Du nimmst sie nicht vom Feld mit ins Gefängnis;
Ein kecker Spieler warest, doch kein Held, Nicht groß im Glück und klein in der Bedrängnis;
Des Siegers Mitleid, deines Heeres Hohn Und deines Volkes Fluch wird mit dir gehen, Und zürnend wird dein Ohm Napoleon Allnächtlich neben deinem Lager stehen.
Ein Gottesurteil ist's, ein Weltgericht, Wie keins in der Geschichte Buch geschrieben. Die Lüge bläht sich, doch besteht sie nicht, Gott bläst darein – die Blase muß zerstieben. Der Pharao begrub im roten Meer, Nebukadnezar zwang, den Staub zu essen, Und Sanherib zerschlug mitsamt dem Heer, Ist wieder einmal zu Gericht gesessen.
Ihr aber rollt aufs neue die Fahnen auf, Glorreiche Helden, deutsche Gottesstreiter! Mit Gott voran im blut'gen Siegeslauf! Bis hierher half er und noch hilft er weiter.
Auf nach Paris, ins stolze Babylon, Kein Halt, bis seine trog'gen Mauern fallen!
Dann soll's noch lauter, soll im Donnerton Viktoria!" durch deutsche Lande schallen!
Auguste Viktoria.
Mutter, reich an Ehr' und Glücke, Die in ihrer treuen Hut Warm im Neste, bis sie flügge, Pflegt die junge Adlerbrut; Die in muntrer Kinder Mitte Häuslich waltet ernst und mild, Deutscher Ehe, Zucht und Sitte Allem Volk ein Musterbild!
Freundlich Herz, das voll Erbarmen Für die Not des Volkes schlägt, Unters niedre Dach des Armen Gerne Trost und Freude trägt, Für der Kinder Gruß zu danken Ein beglückend Lächeln hat, Und als Engel sich dem Kranken Neigt auf seine Lagerstatt!
Hermann von Gilm.
(Geschichte der deutschen Nationallitteratur § 62.)
Stell auf den Tisch die duftenden Reseden, Die lezten roten Astern trag' herbei Und laß uns wieder von der Liebe reden, Wie einst im Mai.
Gieb mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke, Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei, Gieb mir nur einen deiner süßen Blicke, Wie einst im Mai.
Es blüht und funkelt heut' auf jedem Grabe, Ein Tag im Jahre ist den Toten frei; Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe, Wie einst im Mai.
Ich habe drei Kränze gewunden.
Ich habe drei Kränze gewunden, Gleich einer Schäferin, Und will sie nun verteilen Nach meinem thörichten Sinn.
Den ersten aus Eichenblättern, Den drücke ich dir aufs Haupt, Es liegt eine Kraft in der Eiche, Auf die man vertraut und glaubt.
Warum so spät erst, Georgine? Das Rosenmärchen ist erzählt, Und honigsatt hat sich die Biene
Den zweiten aus wilden Rosen Geb' ich dem Bächlein im Wald, Das färbt mit rosigem Leben Die Wangen von Jung und Alt.
Den dritten aus Blumen des Feldes Leg' ich dem Heiland aufs Haar; Er soll keinen Dornenkranz tragen In meinem seligsten Jahr.
Das Bett zum Schlummer schon gewählt.
Sind nicht zu lang dir diese Nächte, Die Tage nicht zu schnell dahin? Wenn ich dir jezt den Frühling brächte, Du feuergelbe Träumerin!
Wenn ich mit Maitau dich beneßte, Begösse dich mit Junilicht!
Doch ach, dann wärst du nicht die leyte, Die stolze Einzige auch nicht.
Du spät gebornes Kind der Sonne, Jch reich' dir brüderlich die Hand: Ich hab' des Lebens Frühlingswonne, Wie du den Maitag nicht gekannt;
Und spät wie dir, du feuergelbe Stahl sich die Liebe mir ins Herz Ob spät, ob früh —, es ist dasselbe Entzücken und derselbe Schmerz!
Aus dem Walde tritt die Nacht, An den Bäumen schleicht sie leise Schaut sich um im weiten Kreise - Nun gieb acht!
Alle Lichter dieser Welt, Alle Blumen, alle Farben Löscht sie aus und stiehlt die Garben Weg vom Feld.
Alles nimmt sie, was nur hold, Nimmt das Silber weg des Stromes, Nimmt vom Kupferdach des Domes Weg das Gold.
Ausgeplündert steht der Strauch Rücke näher, Seel' an Seele! die Nacht, mir bangt, sie stehle Dich mir auch.
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