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Auf Recht und Freiheit, Kraft und Treue Erhöh'n sie dir den Stuhl aufs neue, Drum Barbarossas Adler kreist, Daß du vom Fels zum Meere waltend Des Geistes Banner hoch entfaltend, Die Hüterin des Friedens heißt.

Drum wirf hinweg den Witwenschleier; Drum schmücke dich zur Hochzeitsfeier, O Deutschland, mit dem grünsten Kranz! Flicht Myrten in die Lorbeerreiser! Dein Bräut'gam naht, dein Held und Kaiser Und führt dich heim im Siegesglanz.

Die schöne Form macht kein Gedicht, Der schön Gedanke thut's auch nicht; Es kommt drauf an, daß Leib und Seele Zur guten Stunde sich vermähle.

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Christian Fürchtegott Gellert. *)

(Geschichte der deutschen National-Litteratur § 44.)

Die Geschichte von dem Hute. **)

Das erste Buch. 1746.

Der erste, der mit kluger Hand Der Männer Schmuck, den Hut, erfand, Trug seinen Hut unaufgeschlagen, Die Krempen hingen flach herab; Und dennoch wußt' er ihn zu tragen, Daß ihm der Hut ein Anseh'n gab.

Er starb und ließ bei seinem Sterben Den runden Hut den nächsten Erben.

Der Erbe weiß den runden Hut Nicht recht gemächlich anzugreifen; Er sinnt, und wagt es kurz und gut, Er wagt's, zwo Krempen aufzusteifen. D'rauf läßt er sich dem Volke seh'n;

Das Volk bleibt vor Verwund'rung steh'n Und schreit: Nun läßt der Hut erst schön! Er starb, und ließ bei seinem Sterben Den aufgesteiften Hut dem Erben.

Der Erbe nimmt den Hut und schmält. Ich, spricht er, sehe wohl, was fehlt. Er seht darauf mit weisem Mute Die dritte Krempe zu dem Hute. O! rief das Volk, der hat Verstand! Seht, was ein Sterblicher erfand! Er, er erhöht sein Vaterland!

Er starb, und ließ bei seinem Sterben. Den dreifach spißen Hut dem Erben.

*) Gellerts Fabeln und Erzählungen, mit Einleitung herausgegeben von Karl Biedermann. Leipzig 1871. **) Göinger I, 99.

Der Hut war freilich nicht mehr rein;
Doch sagt, wie konnt' es anders sein?
Er ging schon durch die vierten Hände.
Der Erbe färbt ihn schwarz, damit er was
erfände.

Beglückter Einfall! rief die Stadt,
So weit sah keiner noch, als der gesehen hat.
Ein weißer Hut ließ lächerlich!
Schwarz, Brüder, schwarz! so schickt es sich.
Er starb, und ließ bei seinem Sterben
Den schwarzen Hut dem nächsten Erben.

Der Erbe trägt ihn in sein Haus
Und sieht, er ist sehr abgetragen,
Er sinnt und sinnt das Kunststück aus,
Ihn über einen Stock zu schlagen.
Durch heiße Bürsten wird er rein;
Er faßt ihn gar mit Schnüren ein.
Nun geht er aus, und alle schreien:
Was seh'n wir? Sind es Zaubereien?
Ein neuer Hut! O, glücklich Land,
Wo Wahn und Finsternis verschwinden!
Mehr kann kein Sterblicher erfinden,
Als dieser große Geist erfand.

Er starb, und ließ bei seinem Sterben Den umgewandten Hut dem Erben.

Das

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Gespenst. *)

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Der Geist erschrak und winkte mit der Daß kein Gedicht so elend ist,

Hand,

Der Diener sollte ja nicht gehen.
Und kurz, der weiße Geist verschwand
Und ließ sich niemals wieder sehen.

Ein jeder, der dies Wunder liest, Zieh' sich daraus die gute Lehre,

Das nicht zu etwas nüßlich wäre.
Und wenn sich ein Gespenst vor schlechten
Versen scheut,

So kann uns dies zum Troste dienen:
Gesezt, daß sie zu uns'rer Zeit
Auch legionenweis erschienen;
So wird, um sich von allen zu befrei'n,
An Versen doch kein Mangel sein.

Der Prozeß. *) 1746.

Ja, ja, Prozesse müssen sein! Gesezt, sie wären nicht auf Erden, Wie könnt' alsdann das Mein und Dein Bestimmet und entschieden werden? Das Streiten lehrt uns die Natur; Drum, Bruder, recht' und streite nur! Du siehst, man will dich übertäuben; Doch gieb nicht nach, sez' alles auf Und laß dem Handel seinen Lauf; Denn Recht muß doch recht bleiben.

Was sprecht Jhr, Nachbar, dieser Rain,
Der sollte, meint Jhr, Euer sein?
Nein, er gehört zu meinen Hufen."

„Nicht doch, Gevatter, nicht, Ihr irrt;
Ich will Euch zwanzig Zeugen rufen,
Von denen jeder sagen wird,
Daß lange vor der Schwedenzeit

„Gevatter, Jhr seid nicht gescheit!
Versteht Ihr mich, ich will's Euch lehren,
Daß Rain und Gras mir zugehören.
Ich will nicht eher sanfte ruh'n;
Das Recht, das soll den Ausspruch_thun.“
So saget Kunz, schlägt in die Hand
Und rückt den spizen Hut die Quere.
„Ja, eh' ich diesen Rain entbehre,
So meid' ich lieber Gut und Land."
Der Zorn bringt ihn zu schnellen Schritten;
Er eilet nach der nahen Stadt.
Allein Herr Glimpf, sein Advokat,
War kurz zuvor ins Amt geritten.
Er läuft und holt Herr Glimpfen ein.
Wie, sprecht Ihr, kann es möglich sein?
Kunz war zu Fuß, und Glimpf zu Pferde.
So glaubt Ihr, daß ich lügen werde?
Ich bitt' Euch, stellt das Reden ein,
Sonst werd' ich, diesen Schimpf zu rächen,
Gleich selber mit Herrn Glimpfen sprechen!

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Ich sag' es noch einmal, Kunz holt Herr Glimpfen ein, Greift in den Zaum und grüßt Herr Glimpfen. „Herr," fängt er ganz erbittert an, „Mein Nachbar, der infame Mann, Der Schelm, ich will ihn zwar nicht schimpfenDer, denkt nur, spricht, der schmale Rain, Der zwischen unsern Feldern lieget, Der, spricht der Narr, der wäre sein. Allein den will ich seh'n, der mich darum betrüget! Herr," fuhr er fort,,,Herr, meine beste Kuh, Sechs Scheffel Haber noch dazu; (Hier wieherte das Pferd vor Freuden) O, dient mir wider ihn und helft die Sach' entscheiden"!

,,Kein Mensch, "verseßt Herr Glimpf,,,dient
freudiger als ich.

Der Nachbar hat nichts einzuwenden;
Ihr habt das größte Recht in Händen,
Aus Euren Reden zeigt es sich.
Genug, verklagt den Ungestümen!
Ich will mich zwar nicht selber rühmen,
Dies thut kein ehrlicher Jurist;
Doch dieses könnt Ihr leicht erfahren,
Ob ein Prozeß seit zwanzig Jahren
Von mir verloren worden ist!
Ich will Euch Eure Sache führen,
Ein Wort, ein Mann! Jhr sollt sie nicht
verlieren."
Herr," ruft ihm Kunz

Glimpf reitet fort.

„Ich halte, was ich

noch nach, Euch versprach.“

Wie hitig wird der Streit getrieben! Manch Ries Papier wird vollgeschrieben; Das halbe Dorf muß in das Amt: Man eilt, die Zeugen abzuhören, Und fünfundzwanzig müssen schwören;

Und diese schwören insgesamt,
Daß, wie die alte Nachricht lehrte,
Der Rain ihm gar nicht zugehörte.

Ei, Kunz, das Ding geht ziemlich schlecht!
Ich weiß zwar wenig von dem Rechte,
Doch, im Vertrau'n gered't, ich dächte,
Du hättest nicht das größte Recht.

Manch widrig Urteil kömmt. Doch last
es widrig klingen,

Glimpf muntert den Klienten auf:
„Laßt dem Prozesse seinen Lauf,

Ich schwör' Euch endlich durchzudringen;
Doch

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Kunz borgt manch Kapital. Fünf Jahre

währt der Streit.

Allein warum so lange Zeit?
Dies, Leser, kann ich dir nicht sagen,
Du mußt die Rechtsgelehrten fragen.

Ein legtes Urteil kommt. O seht doch,
Kunz gewinnt!

Er hat zwar viel dabei gelitten;
Allein was thut's, daß Haus und Hof
verstritten

Und Haus und Hof schon angeschlagen
sind?

Genug, daß er den Rain gewinnt.

„O!" ruft er, „lernt von mir, den Streit aufs höchste treiben; Geld gleich bringen.“ | Ihr seht ja, Recht muß doch Recht bleiben!"

„Herr, ich hör' es schon, ich will das

Der Maler.

Ein kluger Maler in Athen,
Der minder, weil man ihn bezahlte,
Als weil er Ehre suchte, malte,
Lies einen Kenner einst den Mars im Bilde
seh'n

Und bat sich seine Meinung aus.
Der Kenner sagt' ihm frei heraus,
Daß ihm das Bild nicht ganz gefallen wollte,
Und daß es, um recht schön zu sein,
Weit minder Kunst verraten sollte.
Der Maler wandte vieles ein:

Der Kenner stritt mit ihm aus Gründen
Und konnt' ihn doch nicht überwinden.

Gleich trat ein junger Geck herein
Und nahm das Bild in Augenschein.
„D," rief er bei dem ersten Blicke,
„Ihr Götter, welch ein Meisterstücke!

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1746.

Ach welcher Fuß! O wie geschickt
Sind nicht die Nägel ausgedrückt!
Mars lebt durchaus in diesem Bilde.
Wie viele Kunst, wie viele Pracht
Ist in dem Helm und in dem Schilde
Und in der Rüstung angebracht!"

Der Maler ward beschämt gerühret
Und sah den Kenner kläglich an.
„Nun," sprach er, bin ich überführet;
Ihr habt mir nicht zu viel gethan.“
Der junge Geck war kaum hinaus,
So strich er seinen Kriegsgott aus.

Wenn deine Schrift dem Kenner nicht gefällt,
So ist es schon ein böses Zeichen;
Doch wenn sie gar des Narren Lob erhält,
So ist es Zeit sie auszustreichen.

sein Sohn. *) 1748.

„Ja, Vater," rief der unverschämte Knabe,
Jhr mögt mir's glauben oder nicht,
So sag' ich's Euch und jedem ins Gesicht,
Daß ich einst einen Hund bei - Haag
gesehen habe,

Hart an dem Weg, wo man nach Frank-
reich fährt,
Der ja, ich bin nicht ehrenwert,
Wenn er nicht größer war, als Euer größtes
Pferd."

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