Kühl zu deinem Verstand spricht jegliche Lehre; sie bleibt dir Morgenwanderung. *) Wer recht in Freuden wandern will, Der geh' der Sonn' entgegen! Da ist der Wald so kirchenstill, Kein Lüftchen mag sich regen; Noch sind nicht die Lerchen wach, Nur im hohen Gras der Bach Singt leise den Morgensegen. Die ganze Welt ist wie ein Buch, In bunten Zeilen manch ein Spruch, Sind Zeugen von seinem Lieben. Da zieht die Andacht wie ein Hauch Durch alle Sinnen leise, Da pocht ans Herz die Liebe auch Pocht und pocht, bis sich's erschließt, Und plößlich läßt die Nachtigall Der Mai ist gekommen. **) Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus, Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt'! Frisch auf drum, frisch auf im hellen Sonnenstrahl, Und abends im Städtlein, da kehr' ich durstig ein: *) Lüben und Nade III, 584. - Leimbach II, 11. Aus deutschen Lesebüchern II, 703. **) Leimbach II, 8. Aus deutschen Lesebüchern II, 445. Und find' ich keine Herberg', so lieg'ich zur Nacht O Wandern! o Wandern, du freie Burschenlust! Schon fängt es an zu dämmern, Der Mond als Hirt erwacht Und singt den Wolkenlämmern Ein Lied zur guten Nacht; Gute Nacht. Schlafet in Ruh, schlafet in Ruh! Nun suchen in den Zweigen Schlafet in Ruh, schlafet in Ruh! Von Thür zu Thüre wallet Schlafet in Ruh, schlafet in Ruh! Und wie nun alle Kerzen Verlöschen durch die Nacht, Da schweigen auch die Schmerzen, Die Sonn' und Tag gebracht; Lind säuseln die Cypressen, Ein seliges Vergessen Durchweht die Lüfte sacht. Schlafet in Ruh, schlafet in Ruh! Und wo von heißen Thränen Schlafet in Ruh, schlafet in Ruh! Gute Nacht denn' all' ihr Müden, Schlafet in Ruh, schlafet in Ruh! Minnelied, Es giebt wohl manches, was entzücket, Es giebt wohl manches, was gefällt: Der Mai, der sich mit Blumen schmücket, Die güld'ne Sonn' im blauen Zelt. Doch weiß ich Eins, das schafft mehr Wonne, Als jeder Glanz der Morgensonne, Als Rosenblüt' und Lilienreis; Das ist getreu im tiefsten Sinne Zu tragen eine fromme Minne, Davon nur Gott im Himmel weiß. Wem er ein solches Gut beschieden, Der freue sich und sei getrost! Ihm ward ein wunderbarer Frieden, Wie wild des Lebens Brandung tos't. Mag alles Leiden auf ihn schlagen: Sie lehrt ihn nimmermehr verzagen, Sie ist ihm Hort und sich'rer Turm; Sie bleibt im Labyrinth der Schmerzen Die Fackelträgerin dem Herzen, Bleibt Lenz im Winter, Ruh' im Sturm. Doch suchst umsonst auf irrem Pfade Die Liebe du im Drang der Welt; Denn Lieb' ist Wunder, Lieb' ist Gnade, Die wie der Tau vom Himmel fällt. Sie kommt, wie Nelkenduft im Winde, Sie kommt, wie durch die Nacht gelinde Aus Wolken fließt des Mondes Schein; Da gilt tein Ringen, tein Verlangen, In Demut magst du sie empfangen, Als kehrt' ein Engel bei dir ein. Und mit ihr kommt ein Bangen, Zagen, Ein Träumen, aller Welt versteckt; Mit Freuden mußt du Leiden tragen, Bis aus dem Leid ihr Kuß dich weckt; Dann ist dein Leben ein geweihtes, In deinem Wesen blüht ein zweites, Ein reineres voll Licht und Ruh'; Und todesfroh in raschem Fluten Fühlst du das eig'ne Ich verbluten, Weil du nur wohnen magst im Du. Es blüht; es ist der Lenz tief innen, Ein Geisteslenz für immerdar; Du fühlst in dir die Ströme rinnen Der ew'gen Jugend wunderbar. Die Flammen, die in dir frohlocken, Sind stärker als die Aschenflocken, Mit denen Alter droht und Zeit; Es leert umsonst der Tod den Köcher, So trinkst du aus der Liebe Becher Den süßen Wein: Unsterblichkeit. Spät ist es hinter dunklen Gipfeln Färbt golden sich der Wolken Flaum; Tiefrötlich steigt aus Buchenwipfeln Der Mond empor am Himmelssaum. Der Wind fährt auf in Sprüngen, losen, Und spielet mit den weißen Rosen, Die rankend blüh'n am Fenster mir. O fäuselt, säuselt fort, ihr Lüfte, Und tragt, getaucht in Blumendüfte, Dies Lied und meinen Gruß zu ihr! Rühret nicht daran! Wo still ein Herz von Liebe glüht, O rühret, rühret nicht daran! Den Gottesfunken löscht nicht aus! Fürwahr, es ist nicht wohlgethan. Wenn's irgend auf dem Erdenrund Ein unentweihtes Pläßchen giebt, So ist's ein junges Menschenherz, Das fromm zum ersten Male liebt. |