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Rudolf_Baumbach.*)

(Geschichte der deutschen National-Litteratur § 66.)
Mein Thüringen.

Mein Thüringen, aus dem ich schied,
Dir klingt mein Sang, dich grüßt mein Lied,
Ich sing's am fernen Meere.

So weit der Erdengarten reicht,
Kein Land dir, meine Heimat, gleicht
An Wonne und an Ehre.

Du bist so lieb, du bist so traut,
Urahne bist du mir und Braut,
Du wunderschöne Fraue!

Der Tannwald ist dein Mantel gut,
Der blaue Himmel ist dein Hut,
Dein Schemel grüne Aue.

Und drückt aufs Haupt der Winter dir
Der diamantnen Krone Zier
Und hüllt die stolzen Glieder
In silberweißen Hermelin,

Dann beug' ich mich, o Königin,
Andächtig vor dir nieder.

Jeder nach

Nie werden Trauben süß und schwer

An Haselbüschen reifen,

Der Distelfink, lernt nimmermehr

Wie eine Drossel pfeifen.

Sehnsüchtig klagt im Hollerstrauch
Das Nachtigallenmännchen,
Ich singe nach Vagantenbrauch
Beim Klapp der Deckelkännchen.

Es klingt in mir ein Kinderreim:
„Daheim, daheim ist doch daheim.“
Sie singen's in den Gassen.
Ich selber sang's wohl tausendmal
In meinem grünen Werrathal
Und hab' es doch verlassen.

Oweh', ich hab' mich selbst verbannt
Und vor das Thor mit eigner Hand
Geschoben einen Riegel.

Doch seh' ich jede Nacht im Traum
Mein Heimatland mit Berg und Baum,
Als zeigte mir's ein Spiegel.

Bringt meiner Heimat dieses Lied,
Die ihr nach seinen Wäldern zieht,
Jhr Vögelein, ihr schnellen!
Ihr Freunde all' am Werrafluß
Nehmt's hin als einen Wandergruß
Des fahrenden Gesellen.

seiner Art.

Der feilt an einer Elegie,
Der schmiedet eine Fabel,
Ich singe in die Winde, wie
Gewachsen mir der Schnabel.

Ich hab's gelernt im grünen Wald
Beim Rauschen alter Föhren,
Und wem mein Singsang nicht gefallt,
Der braucht nicht zuzuhören.

Am Meer.

Es rauscht und braust und wogt und

bebt

O Meer, ich hab' dich wieder!

Die Sonne goldene Schleier webt,
Und über dem Blau die Möve schwebt
Mit leuchtendem Gefieder.

Es rauscht und braust und singt und
sagt

Von fernen, glühenden Zonen,
Wo der mähnenumwallte Löwe jagt,
Wo die schlanke, schwankende Palme ragt
Hoch über des Urwalds Kronen.

*) Karl Leimbach, die deutschen Dichter er Neuzeit und Gegenwart, Kaffel (Theodor Kay) 1884. Bd. 1. S. 76-95.

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Luftschloß.

Mein Liebchen, ich hab' mir ein Schlößchen gebaut,

Drin wollen wir hausen zu zwein;
So luftig und lustig ward keins noch geschaut
An Tiber und Donau und Rhein.
Kristall sind die Wände, das Dach ist Rubin,
Von Golde gebaut ist der Saal.
Ein Tischelein Deckdich steht mitten im Saal
Und lädt uns zum fröhlichen Mahl.
Es springen zwei Brunnen aus Marmel-
gestein,

Die rauschen uns frühe und spat.
Es giebt uns der eine Burgunderwein,
Der andere sprudelt Muskat.

Es stehen die Truhen mit edlem Geschmeid'
In allen Gemächern umher,

Und wolltest du schöpfen in Ewigkeit,
Sie würden doch nimmermehr leer.

Und rings um das Schlößlein ein grünender Hag

Mit Blumen von seltener Pracht,
Sie duften wie fremdes Gewürze bei Tag
Und leuchten wie Sterne bei Nacht.
Es weht in Lüften wie Harfenschall
Und lockender Vöglein Ruf.

Zwölf mutige Rößlein wiehern im Stall
Und scharren mit goldenem Huf.
Das ist mein Schlößlein, ich hab' es gemacht,
Wie der Sänger sich macht ein Gedicht.
Im Traume habe ich mir's ausgedacht
Und träumend zusammen gericht't.

Es schimmert und blinkt aus der Höhe herab
Sein luftiges Wundergestein,

Und wenn ich das Fliegen erfunden noch hab', Mein Liebchen, dann ziehen wir ein.

13

Nicolaus Becker.

(Geschichte der deutschen Nationallitteratur § 64 Anm.)

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*) K. Leimbach, die deutschen Dichter der Neuzeit und Gegenwart I, S. 137 ff.

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