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Dämon der Lik.

Herr, du verkennest meinen Sinn!
Zu dienen dir, ist mein Gewinn;
Und wo kann freieres Leben sein,
Als dir zu dienen, dir allein!
Was Großes auch die Welt gesehn,
Für deinen Zepter ist's geschehn;
Was Himmel zeugte, Hölle fand,
Ergoffen über Meer und Land,
Es kommt zuletzt in deine Hand.

Dämon der Unterdrückung.
Sehr wohl! Die Mühe mir verkürzen,
Das ist dein edelster Beruf:

Denn was die Freiheit langsam schuf,
Es kann nicht schnell zusammenstürzen,
Nicht auf der Kriegsposaune Ruf;

Doch hast du klug den Boden untergraben,
So stürzt das alles Blizz vor Bliz.
Da kann ich meinen stummen Sitz
In sel'gen Wüsteneien haben.
Du hast getan, wie ich gedacht.
Ich will nun sehn, was du vollbracht.
(Verliert sich unter die Ruinen.)

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11. Auftritt

Dämon der Lift (zuversichtlich).
Ja gehe nur und sieh dich um!
In unsrer Schöpfung magst du wohnen.
Du findest alles still und stumm,
Denkst du in Sicherheit zu thronen.
Ihr brüstet euch, ihr unteren Dämonen;
So mögt ihr wüten, mögt auch ruhn,
Ich deut' euch beides heimlich an.
Da mag denn jener immer tun
Und dieser glauben, es sei getan.

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Ich aber wirke schleichend immer zu,
Um beide nächstens zu erschrecken:
Dich Kriegesgott bring' ich zur Ruh,
Dich Sklavenfürsten will ich wecken.

Zu dringen und zu weichen,
Das ist die größte Kunst,
Und so zu überschleichen
Das Glück und seine Gunst.
Die Wege, die sie gehen,
Sie sind nach meinem Sinn;
Der Übermut soll gestehen,
Daß ich allmächtig bin. (26.)

12. Auftritt

Dämon der Unterdrückung (aus den Ruinen hervortretend).
Es ist noch allzu frisch, man könnt' es wieder bauen;
Die graue Zeit, wirkend ein neues Grauen
Verwittrung, Staub und Regenschlick

Mit Moos und Wildnis düstre sie die Räume.
Nun wachst empor, ehrwürd’ge Bäume,

Und zeiget dem erstaunten Blick

Ein längst veraltetes, verschwundenes Geschick,
Begraben auf ewig jedes Glück.

(Während dieser Arie begrünet sich die Ruine nach und nach.)

Nicht zu zieren zu verdecken,

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Nicht zu freuen zu erschrecken,
Wachse dieses Zaubertal!

Und so schleichen und so wanken,
Wie verderbliche Gedanken,
Sich die Büsche, sich die Ranken
Als Jahrhunderte zumal.

So sei die Welt denn einsam! aber mir,
Dem Herrscher, ziemt es nicht, daß er allein:
Mit Männern mag er nicht verkehren,

Eunuchen sollen Männern wehren,

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Und halb umgeben wird er sein;
Nun aber sollen schöne Frauen

Mit Taubenblick mir in die Augen schauen,
Mit Pfauenwedeln luftig wehen,
Gemeßnen Schrittes mich umgehen,
Mich liebenswürdig all' umsehnen,
Und ganze Scharen mir allein.
Das Paradies, es tritt herein!
Er ruht im Überfluß gebettet,
Und jene, die sich glücklich wähnen,
Sie sind bewacht, sie sind gekettet.

13. Auftritt

Liebe (ungesehen, aus der Ferne).
Ja, ich schweise schon im Weiten
Dieser Wildnis leicht und froh:
Denn der Liebe sind die Zeiten
Alle gleich und immer so.

Dämon der Unterdrückung.

Wie? was hör' ich da von weiten ?

Ist noch eine Seele froh?

Ich vernichte Zeit auf Zeiten,

Und sie sind noch immer so. —

(Melodie jenes Gesangs, durch blasende Instrumente. Der Dämon zeigt indessen Gebärden der Überraschung und Rührung.)

Doch dein Busen will entflammen,

Dich besänftigt dieser Schall?

Nimm, o nimm dich nur zusammen
Gegen diese Nachtigall!

Liebe (tritt auf).

(Der Dämon ist zurückgetreten.)
Ja, ich walle gar im Weiten
Dieser Pfade leicht und froh:
Denn der Liebe sind die Zeiten
Alle gleich und immer so.

Goethes Werke. IX.

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Dämon der Unterdrückung.

, wie kommt sie da von weiten, Ohne Furcht und immer froh!

Liebe.

Denn der Liebe sind die Zeiten
Immer gleich und immer so.

Dämon der Unterdrückung (zu ihr tretend).
Wen suchst du denn? Du suchest wen!
Ich dächte doch, du mußt ihn kennen.

Liebe.

Ich suche wohl es ist so schön!
Und weiter weiß ich nichts zu nennen.

Dämon der Unterdrückung

(anständig zudringlich, gehalten und scherzhaft).
Nun! o nenne mir den Lieben,
Dem entgegen man so eilt!

Liebe.

Ja, es ist, es ist das Lieben,
Das im Herzen still verweilt!
(Der Dämon entfernt sich.)

14. Auftritt

Glaube hat die Schwester am Gesang erkannt, kommt eilig herbei, wirft sich ihr an die Brust. Liebe fährt in ihrem heitern Gesange noch eine Zeitlang fort, bis Glaube sich leidenschaftlich losreißt und abwärts tritt.

Glaube.

Oliebste Schwester! Kannst du mich
Und meine Leiden so empfangen?

Jch irre trostlos, suche dich,

An deinem Herzen auszubangen;
Nun flieh' ich leider, wie ich kam,
Mich abgestoßen muß ich fühlen:
Wer teilt nun Zweifel, Kummer, Gram,
Wie sie das tiefste Herz durchwühlen!

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Liebe (fich nähernd).

Schwester! mich so im Verdacht?
Die immer neu und immer gleich
Unsterbliche unsterblich macht,
Die Sterblichen alle gut und reich.
Von oben kommt mir der Gewinn
Die höchste Gabe willst du lästern?
Denn ohne diesen heitren Sinn,
Was wären wir und unsre Schwestern!

Glaube.

Nein, in diesen Jammerstunden
Klinget keine Freude nach!
Schmerzen, tausendfach empfunden,
Herz um Herz, das knirschend brach,
Leer Gebet, vergebne Tränen,
Eingekettet unser Sehnen,
Unfrer Herrlichkeit Verhöhnen,
Der Erniedrigung Gewöhnen!
Ewig deckt die Nacht den Tag.
Liebe.

Es sind nicht die letzten Stunden,
Laß den Göttern das Gericht!

Glaube.

Nie hast du ein Glück empfunden:
Denn der Jammer rührt dich nicht!

(Sie treten aus einander.)

Dämon der Unterdrückung (für fich).

Still! nun hab' ich überwunden

Schwestern und verstehn sich nicht!

(Zum Glauben.) Herrlich Mädchen! welches Bangen,
Welche Neigung, welch Verlangen
Reget diese schöne Brust?

Glaube.

Herr, o Herr! gerecht Verlangen
War, die Schwester zu umfangen,
Treue bin ich mir bewußt.

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