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Mercurius tritt auf und giebt im Prolog (V. 1-153) den Inhalt der Komödie. Amphitruo, der Gatte der Alcumena und Feldherr der Thebäer, ist abwesend im Kriege mit den Teleboern. Juppiter, der von Liebe zur schönen Alcumena entbrannt ist, benutzt diesen Umstand zur Befriedigung seiner Leidenschaft. Er nimmt die Gestalt des fernen Amphitruo an, sowie Mercurius in jener des Sklaven Sosia auftritt, und täuscht auf diese Weise Alcumena.

Mit dem ersten Akte erscheint Sosia. Amphitruo hat ihn vorausgesandt, um seiner Gattin Alcumena seine siegreiche Rückkehr anzukündigen. Mercurius, in der Gestalt des Sosia, bewacht bereits das Haus, in welchem sich Juppiter in einer eigens verlängerten Nacht Alcumenas freut. Mercurius tritt dem Sklaven entgegen, verwehrt ihm den Eintritt in Amphitruos Haus, jagt ihn mit Schimpfen und Schlägen von dannen und macht ihn vollständig verwirrt, da Sosia in dem Fremdling unleugbar sein Ebenbild erblickt. Juppiter tritt mit Alcumena auf; er nimmt mit dem Grauen des Tages zärtlichen Abschied von ihr; er habe sich, sagt er, nur vom Lager zu ihr hergestohlen; niemand dürfe seine Abwesenheit wahrnehmen. Scheidend schenkt er ihr die Trinkschale des Königs Pterelas, die er nach dessen Besiegung als Lohn seiner Tapferkeit erhalten hatte. Es wird Tag, und zwar ein viel kürzerer, auf dass die lange Nacht ausgeglichen werde. (V. 550.)

Am Beginne des zweiten Aktes erzählt Sosia seinem Herrn Amphitruo, was ihm begegnet sei. Ein anderer Sosia, sein treuestes Ebenbild, habe ihn geprügelt und nicht in das Haus eingelassen. (V. 632.) Indessen Amphitruo den Bericht nicht verstehen kann, naht Alcumena, in einem sehr hübschen Monologe die wiederholte Trennung von ihrem teuern Gatten beklagend, doch aber des Ruhmes seines Heldensinnes sich freuend. Plötzlich erblickt sie Amphitruo vor sich. Da sie seine Fragen nicht verstehen, vielmehr ihm nur versichern kann, dass er diese Nacht bei ihr gewesen und soeben erst geschieden sei, kömmt es zu einer aufgeregten Szene, in welcher Amphitruo seiner Gemahlin schwere Vorwürfe macht. Diese zeigt ihm den Becher des Pterelas, den nun Amphitruo vergeblich in seinem Etuis sucht, da ihn Mercurius gestohlen hat. In höchstem Unmute verlässt Amphitruo Alcumena, um ihr durch das Zeugnis ihres Verwandten Naucrates zu beweisen, dass er diese Nacht bei ihm verbrachte. (V. 860.)

Der dritte Akt führt Juppiter ein, bedacht, Alcumena keinen Schaden zuzufügen; denn (V. 871):

Nam mea sit culpa, quod egomet contraxerim,
Si id innocenti (inmerito damnosum) expetat,

eine Gerechtigkeitspflicht, der schon früher (V. 492) Mercurius mit den Worten Ausdruck verlieh:

nemo id probro

Profecto ducet Alcumenae: nam deum

Non par uidetur facere, delictum suum

Suamque ut culpam expetere in mortalem sinat.

Juppiter besänftigt, als Amphitruo die schmollende Alcumena, indem er ihr förmlich Abbitte für seine früheren Reden leistet, worauf sie sich versöhnen. Sosia, der dazu kömmt, sieht mit Freude und Staunen diesen Friedensschluss (V. 957):

Iam pax est (facta) uos inter duos?

Nam quia uos tranquillos uideo, gaudeo et volup est mihi.

Er geht mit ihnen ins Haus. Mercurius aber, als Sosia, bleibt wieder als Wache vor demselben. Vergeblich hat mittlerweile Amphitruo überall nach Naucrates gesucht; er will in seine Wohnung, um Weiteres von Alcumena zu erfahren, Mercurius aber zieht ihn, auf dem Dache stehend, auf. (V. 1034.) Hier ist die Lücke. In dem Fragmente des vierten Aktes hören wir von Blepharo, dass Alcumena eben entbunden werde. Erregt, mit allen Drohungen, will Amphitruo ins Haus dringen; ein Donnerschlag erfolgt; er stürzt zusammen. (V. 1052.)

Beim Beginne des fünften Aktes findet die Amme Bromia ihren Herrn, Amphitruo, am Boden liegend; „sepultust quasi sit mortuos." (V. 1074.) Sie berichtet ihm, der langsam zum Leben erwacht, von Alcumenas schmerzloser Entbindung, und dass sie zwei Knaben zur Welt gebracht habe, deren einer ein ihn bedrohendes Schlangenpaar getötet habe. Juppiter sei der Vater des einen Knaben, worauf sich Amphitruo mit den Worten tröstet (V. 1124):

Pol me hau paenitet,

Si licet boni dimidium mihi diuidere cum Ioue.

Zur Bestätigung des Gesagten erscheint noch Juppiter selbst. Alcumena ist schuldlos und rein; denn (V. 1142):

Mea ui subactast facere.

Auch Amphitruo ist befriedigt; denn begrüsste er schon bei der ersten Kunde die Geburt der Zwillinge als günstiges Zeichen (V. 1089), so ist er mit Juppiters Versicherung, dass der eine der beiden wirklich sein Sohn sei (V. 1135-1140), und dass der andere ihm Ruhm und Ehre bringen werde, völlig beruhigt; und das Stück schliesst mit einer Aufforderung an die Zuschauer, Juppiter zuliebe zu klatschen (V. 1145):

Spectatores, nunc Iouis summi causa clare plaudite!

Die Handlung des Stückes ist gewiss keine ganz befriedigende, 1) indem der „deux ex machina" dieselbe gewaltsam löst. Andrerseits lässt sich nicht leugnen, dass selbst ein mythologisch so bedeutsamer Vorgang, wie die Zeugung des Herkules, nicht wichtig genug erscheint, um ihm die glückliche Ehe zweier liebender Gatten so gewaltsam aufzuopfern. Mehrfach hat man daraus auf die niedrige Anschauung jener Zeit vom Weibe geschlossen. 2)

Die Feinheit jedoch, welche im Dialoge herrscht, und die herrliche Komik, vor allem die überraschende Ähnlichkeit der beiden Amphitruo und Sosia, auf welche in der Komödie wiederholt hingewiesen wird, 3) und welche dem Zuschauer nur durch die Flügelchen (pinulae) des Mercurius und das goldene Hutband (torulus aureus) des Juppiter etwas aufgeklärt wird, 4) muss des

1) Vgl. indessen, wie Mercurius der abgedroschenen Motive spottet, wie sie im Trinummus und in der Mostellaria gebraucht sind (V. 986):

Nam mihi quidem hercle qui minus liceat deo minitarier
Populo, ni decedat mihi, quam seruolo in comoediis?

Ille nauem saluam nuntiat aut irati aduentum senis.

2) Vgl. Benoist, De personis muliebribus apud Plautum. Mars. 1862, und auch den Vorwurf, dass das Weib den Schwur nicht achte (V. 836): Mulier es, audacter iuras,

den in ähnlicher Weise im „Miles gloriosus" Sceledrus der Philocomasium macht (V. 456):

,Muliebri fecit fide."

3) V. 120. Nam meus pater nunc intus eccum Iuppiter
In Amphitruonis uortit sese imaginem,
Omnesque eum esse censent serui qui uident.

V. 441. Certe edepol, quom illum contemplo et formam cognosco

meam,

Quem ad modum ego sum (saepe in speculum inspexi):

nimis similist mei.

Itidem habet petasum ac uestitum: tam consimilist at

que ego.

Sura, pes, statura, tonsus, oculi, nasum, uel labra,
Malae, mentum, barba, collus: totus. quid uerbis opust?
Si tergum cicatricosum, nihil hoc similist similius.

V. 457. Nam hic quidem omnem imaginem meam, quae antehac

I. 600.

fuerat, possidet.

Tum formam una apstulit cum nomine. Neque lac lacti magis est simile quam ille ego similis est mei.

4) V. 142. Nunc internosse ut nos possitis facilius,
Ego has habeo usque hic in petaso pinulas:
Tum meo patri autem torulus inerit aureus
Sub petaso: id Amphitruoni signum non erit.
Ea signa nemo horunce familiarium

Videre poterit, uerum uos uidebitis.

Siehe hierüber R. Steinhoff. II, 7, Note 22.

Erfolges auf der Bühne sicher sein. Sie führt zu so trefflich ausgebeuteten Situationen, dass man gerne auf einige Zeit vergisst, wie arg bedenklich vom moralischen Standpunkte aus dieses Quiproquo ist.

Der Vergleich der Arbeiten der Nachfolger nötigt uns, die Hauptzüge der Charaktere des plautinischen Stückes in Kürze zu betrachten. Sie sind insgesamt scharf ausgeprägt.

Juppiter, der „Amphitruo" subditiuos" (V. 497), ist nach den Darstellungen seines eigenen Sohnes ohne sittlichen Halt in seinen Anschauungen (V. 104):

Nam ego uos nouisse credo iam ut sit meus pater,
Quam liber harum rerum et multarum siet

Quantusque amator, si ei quid conplacitumst semel.

Seine Gottheit giebt ihm zu allem, auch zum Diebstahl, wie wir sahen, volle Macht. Er ist ein abscheulicher Lügner (V. 506): Nimis hic scitust sucophanta, qui quidem sit meus pater.

In seiner Lüsternheit teilt er des Sklaven Sosia Ansicht (V. 287): Vbi sunt isti scortatores, qui soli inuiti cubant?

Haec nox scitast exercendo scorto conducto male,

worauf Mercurius sagt:

Meus pater nunc pro huius uerbis recte et sapienter facit,
Qui conplexus cum Alcumena cubat amans, animo opsequens.

Noch klingt uns, wenn er sich in der letzten Szene pathetisch als den Gott Juppiter zeigt (Iuppiter supremus, V. 1127; quom sum Iuppiter, V. 1134; ego in caelum migro, V. 1142), sein Monolog vom dritten Akte, „qui interdum fio Iuppiter, quando libet" (V. 864), nicht ohne arge Beeinträchtigung seiner Göttlichkeit im Ohre.

Auf derselben Stufe steht Mercurius, der sich schon im Prologe als den Gott nicht gerade des schönsten Handels und ehrlichsten Gewinnes und als Helfer „in omnibus rebus" einführt. Er hat mit der Sklavengestalt den niedrigen Sklavensinn angenommen (V. 266):

Et enimuero quoniam formam huius cepi in me et statum,
Decet et facta moresque huius habere me similis item.
Itaque me malum esse oportet, callidum, astutum ad modum
Atque hunc telo suo sibi, malitia, his a foribus pellere.

Gegen diese beiden Göttergestalten heben sich Amphitruo und Alcumena durch besondere Reinheit des Charakters ab. Amphitruo („der unermüdliche Kriegsmann") ist kühn und tapfer als Feldherr (V. 191):

Id ui et uirtute militum uictum atque expugnatum oppidumst,
Imperio atque auspicio mei eri Amphitruonis maxume,
Qui praeda agroque adoreaque adfecit popularis suos
Regique Thebano Creoni regnum stabiliuit suum.

Milde gegen seinen Sklaven, will er ihn nicht mit Arbeit überlasten (V. 674):

Alium ego isti rei adlegabo: ne time!

Wahrheitsliebe ist ein Grundzug seines Charakters (V. 687):

„Quia uera didici dicere“,

und so bringt er seiner Gattin, von der er überzeugt ist, dass Theben kein besseres Weib hat, aufrichtige Liebe und Verehrung entgegen. (V. 676):

Amphitruo uxorem salutat laetus speratam suam,

Quam omnium Thebis uir unam esse optumam diiudicat,
Quamque adeo ciues Thebani uero rumificant probam.

Gewiss ein Gegenstück zu Juppiter!

Die verführte Alcumena („die Starke") ist nicht minder mit allen guten Zügen ausgestattet. Diese uxor usuraria" Juppiters (V. 498) ist eine vortreffliche Hausfrau, die sich der „res communis" ernstlich annimmt (V. 499) und voll Liebe zu ihrem Gatten ist. (V. 640):

Sola hic mi nunc uideor, quia ille hinc abest, quem ego amo praeter omnis. Plus aegri ex abitu (mei) uiri quam ex aduentu uoluptatis cepi.

Sie ist auch voll Teilnahme an seinem Ruhme, und dies ist ihr einziger Trost gegenüber der Trennung von ihrem Gemahle; ein Trost, den sie in jenem herrlichen Monologe des zweiten Aktes, den alle Nachahmer von Geschmack sich angeeignet haben, in so zarter Form zum Ausdruck bringt (V. 642):

Set hoc me beat saltem, quoniam (ille) uicit
Perduellis et domum laudis conpos reuenit

und so weiter.

Sie ist sittsam (proba V. 678), keusch und treu, wie ihr Schwur (V. 831) bezeugt:

Per supremi regis regnum iuro et matrem familias
Iunonem, quam te uereri et metuerest par maxume,
Vt mi extra unum te mortalis nemo corpus corpore
Contigit, quo me inpudicam faceret.

und darin sucht sie ihre einzige Ehre. (V. 839):1)

1) Vgl. Sulzer, Theorie etc. III, 702a.

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