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verschwunden; in Bachmann's System der Logik, Leipzig, 1828 S. 300-325 ist dasselbe mit Umsicht und Geschmack noch bearbeitet. Die französischen Compendien für Regierungsanstalten müssen ein Capitel haben: Auctorité du temoignage des hommes.

Die sinnliche Gewißheit ist ihrem Inhalt nach unendlich mannigfaltig. Das Fühlen, Riechen, Schmecken, Sehen, Hören wirst sich in eine unermessliche Breite der verschiedensten Empfindungen auseinander, allein eben diese Unendlichkeit verliert sich in die Zerstreutheit eines ungeordneten Haufens, eines wüsten Durcheinander. Das Bewußtsein muß daher die Zufälligkeit der vielfachen Erregung der Sinnigkeit, der es für sich als einfache Beziehung auf sich gegenübersteht, aufheben. Es muß den bloßen Besit zum Eigenthum machen, indem es den Inhalt seiner Wahrheit nach zu erkennen, und die dem Object substantiell inhärirenden Bestimmungen von den nur accidentell adhärirenden auszuschließen sucht. Diese Kritik will von dem Inhalt den Schein entfernen, der ihn für das Bewußtsein zu einem andern, als er an sich ist, machen könnte. An sich, seinem Wesen nach, ist das Object, Eines und sich selbst gleich; allein in seiner mannigfaltigen Berührung mit andern Objecten und durch die verschiedene Bestimmtheit des Subjects im Acte der Auffassung kann es als ein anderes erscheinen. Das Denken hat daher, es nach seiner Wahrheit zu nehmen, einerseits das Object, andererseits das erkennende Subject zu isoliren. Durch

die Isolirung des Objects wird der Zusammenhang desselben mit andern Objecten möglichst abgebrochen und seiner Eigenthümlichkeit die Freiheit gegeben, sich ungehindert darzustellen. Es kann, unalterirt, sein eigent= liches Fürsichsein leichter darstellen. Umgekehrt verhält es sich mit dem für den Act des Wahrnehmens, wie der Augur in seinem Templum, eigends isolirten Subjecte eben so, denn, vor den Störungsmöglichkeiten ge= borgen, wird ihm die Concentration der Aufmerksamfeit leichter.

So lauscht nun das Bewußtsein, gleichsam mit an= gehaltenem Athem, auf den Gegenstand, ob er sich gleich bleibt, oder ob und wie er sich ungleich wird? Das einfache Aussprechen dessen, was diesem Spähen als das Constante erscheint, macht die ursprüngliche Beschrei bung aus. Sie ist das, was die gewöhnliche Logik schon Begriff zu nennen pflegt und wobei sie mit der Auseinandersetzung, daß die wesentlichen Merkmale von den unwesentlichen geschieden werden müßten, mit wichtiger Miene selbst das Wesentlichste aller Logik gefagt zu haben verräth. In der That sind die wesentlichen Merkmale diejenigen, ohne welche der Gegenstand gar nicht, was er ist, sein würde. Diesem Beobachten ist innerhalb der physikalischen Natur das Erperiment möglich, durch welches das Bewußtsein den Gegenstand gewissermaaßen auf die Probe segt, wie er in der Berührung mit anderen schon bekannten Objecten sich be= nehmen werde. Das liftige Denken führt den Gegen

stand in Versuchung; es bringt ihn in eine Gesellschaft, welche ihn zwingt, seinen Charakter zu enthüllen.

Das wahrnehmende Bewußtsein wiederholt seine Beobachtung an einer Menge einzelner Fälle, an einer Menge von Eremplaren. Diese Menge ist unbestimmt und es läßt sich für ihre Grenze kein Grund angeben. Dafür stellt sich die Langeweile ein, wenn das Beobachten findet, daß etwas hier so, dort auch so, dort auch so u. s. f. erscheine. Dies monotone Auch wird durch eine Willkür, nach einer ungefähren Schäßung des Genug, abgebrochen. Die Gewißheit ist zwar gewiß, daß man keineswegs alle einzelnen Fälle eines Verhältnisses, alle einzelnen Eremplare einer Gattung sich unmittelbar zum Gegenstand der Erfahrung gemacht habe; ja, sie ist die Gewißheit, daß eine solche Allheit unmöglich sei. Das empirische Denken kann aber aus der Dede seiner Sammlerlangenweile nur dadurch herauskommen, daß es den Vorrath der wahrgenommenen Thatsachen zu Prämissen für Schlußfolgerungen macht. Mit dem Schließen verläßt es den Boden der Unmittelbarkeit und vertraut sich der logischen Vermittelung. Das Schließen der= selben soll nun zwar nicht die Wahrheit an und für sich, nur die Wahrscheinlichkeit betreffen, denn das empirische Denken muß wissen, daß seine Bestimmungen nur eine eingeschränkte Geltung haben können. Allein nichts ist häufiger, als daß der Empirismus sowohl sei=

nen Uebergang aus dem Sinnlichen in das Logische, wie auch die Bedingtheit eben seiner Schlüsse vergißt. Wird er daran erinnert, so führt er auch wohl die Sprache der Demuth, lobt die Genügsamkeit, tadelt die Anmaaßung der Speculation, macht den Apriorismus ihres Erkennens lächerlich. Er, der das bloße oder reine Denken so gründlich verachtet, vergißt, daß seine Resultate selbst Gedanken sind. Er täuscht jedoch sich und Andere hierüber dadurch, daß er sich für das logische Element eine eigene Terminologie zurechtmacht, die ihm das Ansehn gibt, als stünde er mit dem Denken als Denken in gar keinem Verhältniß. Er vermeidet eine Sprache zu führen, die ihn des Denkens als solchen verdächtig machen könnte. Der Empirismus spricht von Combinationen, von Ansichten, von Analysen, vom Calcul, von Gesezen, und strebt durch solche Phraseologie die Meinung zu erwecken, als ob bei ihm das Urtheilen und Schließen gar nicht vorkomme, als ob er lediglich mit Thatsachen der Beobachtung und außerdem nur mit dem exacten Rechnen zu thun habe. Und doch, während er so das von Außen oder Innen Gegebene zum güldenen Kalbe gemacht zu haben scheint, welches er mit allen Sinnen eifrig umtanzt, ist das Denken der Moses, der das ewige Gesez hier zwar nicht aus den Wolken von Oben her empfängt, wohl aber von Unten nach Oben in den Himmel der Idee hineinreicht. Das Geset auf welches der Empirismus als auf die unerschütterliche Wahrheit sich steift, kann niemals Gegenstand des

unmittelbaren Erkennens sein, nur seine mit accidentellen Beimischungen modificirte Erscheinung.

Ist daher gesagt worden: nihil est in intellectu, nisi quod antea fuerit in sensu, so hat man mit Recht daran erinnert, daß das Umgekehrte ebenso wahr fei: nihil est in sensu, nisi quod antea fuerit in intellectu. Nureinzelnes, Nurunallgemeines kann man gar nicht wahrnehmen, sondern aus allem Einzelnen schaut seine Allgemeinheit und Nothwendigkeit zugleich mit heraus. Diese in ihrer Einfachheit und Sichselbst= gleichheit als die Gesezlichkeit ist das verständige Resultat, zu welchem der Anfang des Empirismus sich hinaufläutert, denn in dem unorganischen Reichthum des Nureinzelnen der sinnlichen Gewißheit, und wär' er noch so groß, macht sich dem Denken nur die Sehnsucht nach der Einheit des Vielen empfindlich.

Die aus dem Standpunct des Bewußtseins entsprin= gende Logik des Empirismus macht in Bezug auf die Erfahrung der Natur den Inhalt des Novum Organon des Baco von Verulam aus. Baco wollte die natura naturans, die natura ipsissima erkennen und bemühte sich, zu beweisen, daß unter den verschiedenen Schlußformen die Induction die für die approximative Gewißheit angemessenste sei. Er bekämpfte die Ausartungen der Scholastik und die Aristotelische Physik, die er aber wohl, nach §. LXIII. des ersten Buchs des Organons zu urtheilen, nur in ihrer scholastischen Tradition Fannte. Wenn man sich aber nicht selten so ausdrückt, als ob

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