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wollten. Der Grund zu diesen Versuchen ist die Auffassung der Gedanken als bloßer Quanta, welche unter einander das Verhältniß des Gleichen und Ungleichen, des Positiven und des Negativen, der Factoren und des Resultats haben. Indem die Zahl alle diese Bestimmungen an sich hat, nimmt das mit der abstracten Form des Logischen noch nicht vertraute Denken sie noch selbst als das Logische und Metaphysische; das Denken aber welches bereits eine formale Logik besigt, wünscht durch die Behandlung des Denkens als eines Calculs die objectivste Bestimmtheit zu erreichen und gerade das von den Gedanken abzuhalten, was ihr eigenthümlichstes Wesen ist, nämlich das übergehen der Bestimmungen durch sich selbst ineinander. Wie solche Logiker die Beziehung der Urtheile auf einander durch concentrische, excentrische und sich schneidende Kreisfiguren zu verbildlichen lieben, so auch lieben sie die Darstellung des ab= stracten Gedankens als solchen durch Buchstaben. Mit A, B, C, D u. f. f. kann ich den Begriff eines Subjectes, Prädicates, einer Copula als mit reinen Zeichen darstellen und von der specifischen Inhaltsbestim= mung des Subjects, des Prädicats absehen. Ich kann also die Formen des Urtheils und des Schlusses durch solche abstracte Buchstabenschemata darstellen. Ich fann sagen: A ist B; wenn A ist, so ist B; A ist entweder B oder C u. s. f. Ich drücke alsdann aus, daß die concrete Besonderung dieser Bestimmungen für die einfache logische Form an sich gleichgültig ist, oder,

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wie sich auch sagen läßt, daß diese Form hier selbst den Inhalt ausmacht. Da nun diese Form innerhalb des concreten Denkens sich wiederholt und da die Wahrheit desselben ohne jene Form nicht Wahrheit ist und nur in ihr zur Gewißheit wird, so schließe ich, daß an sich derselbe Proceß in allem Denken, worin auch sein besonderer Inhalt bestehen möge, sich erneuert. Und so komme ich dazu, das Denken als eine bloße Anwendung des Rechnens zu nehmen und die Logik von der Arithmetik abhängig zu machen.

Dies ungefähr ist der Gedankengang aller derjeni= ! gen gewesen, welche dem Denken durch seine Verwandlung in ein Rechnen die Unabhängigkeit von dem denkenden Subject zu wahren suchten. Der Gedanke, als ein bloßes Quantum, als ein für sich selbstständiges Eins genommen, soll ganz mechanisch operiren und das durch die Objectivität des Denkens garantiren.

Des Buchstabens als eines Zeichens für den Gedanken, sofern er nur das Beispiel eines abstracten Verhältnisses sein soll, hat schon Aristoteles im Organon sich beständig bedient und namentlich für das erste Schema des Schlusses a, B, 7, für das zweite , v, ¿, für das dritte, p, gebraucht. Dagegen hat er im legten Buch der Metaphysik ausführlich die Verirrung derer bekämpft, welche die Zahl als das Erstwesentliche oder die Ideen als Zahlen sehen. Bei dem Vielen, was von jeher über diese Materie geschrieben worden, noch mehr aber bei der großen Auctorität,

welche Aristoteles so Vielen und so lange gewesen, fällt es auf, daß seine Kritik der Zahlenmetaphysik am Schluß der Metaphysik nicht mehr und nicht häufiger beachtet werden, weshalb wir es, das für unsern Zweck Schlagendste daraus in Erinnerung zu bringen, für Pflicht halten. Göthe hat ganz Recht, daß man, was ein= mal gut gesagt worden, eben so wieder sagen solle. Diese Ehre gebührt auch hier dem Aristoteles. Wir entnehmen diese Stelle der Überseßung durch E. W. Hengstenberg, Bonn 1824, S. 299 ff.

„Auch ist nichts darüber bestimmt, auf welche Art die Zahlen Ursachen der Wesenheiten und des Seins sein, ob als Begrenzungen, wie die Puncte Ursachen der Größen sind, und wie Eurytos bestimmt hat, wovon die Zahlen Zahlen seien, z. B. diese Zahl Zahl des Menschen, jene Zahl des Pferdes; gleichwie diejenigen, welche, die Zahlen auf die Figuren Dreieck und Viereck zurückführend, auf diese Weise die Gestalten der Pflanzen mit den Rechensteinen verglichen. Oder sind die Zahlen deshalb ursächlich, weil ihnen der Verhältnißbegriff und die Symphonie und ebenso Mensch und jedes Andere angehören? Wie sind dann aber die Affectionen Zahlen, das Weiße und das Süße und das Warme?"

„Daß nun die Zahlen nicht Wesenheiten und nicht Ursachen der Gestalt sind, ist offenbar. Denn der Begriff ist die Wesenheit, die Zahl hingegen Materie. So kann Zahl nicht die Wesenheit von Fleisch oder Knochen

sein, oder drei die Wesenheit von Feuer, zwei die Wesenheit von Erde. Denn immer ist die Zahl, welche sie auch sei, Zahl von etwas, entweder feurig, oder erdig, oder einheitlich. Die Wesenheit aber drückt aus das Sein eines so Großen, der Mischung nach, und dies ist nicht mehr Zahl, sondern Verhältniß der Mischung körperlicher und wie immer beschaffener Zahlen. Es ist also weder die Zahl überhaupt, noch die einheitliche Zahl bewirkende Ursache; auch ist sie weder Materie noch Begriff und Form der Dinge. Eben so wenig ist fie als das Weswegen Ursache."

Denn

„Auch danach läßt sich wohl zweifelnd fragen, was das von den Zahlen dadurch ausgehende Gute sei, daß die Mischung geschehe nach einem schönen Zahlenverhältniß oder nach einer ungleichen Zahl. das Honigwasser ist um nichts gesunder, wenn es im Verhältniß von dreimal drei gemischt ist, vielmehr wird es vielleicht zuträglicher sein, wenn es in keinem Verhältniß, sondern wässerig oder dem Zahlenverhältnisse nach ungemischt ist. Ferner liegen die Verhältnisse der Mischungen in der Addition der Zahlen, nicht in den Zahlen selbst; z. B. drei zu zwei und nicht dreimal zwei, weil bei der Vervielfältigung das Geschlecht dasselbe sein muß. Daher muß durch a die Reihe ge= messen werden, worin a b g, und durch d die Reihe, worin de z sich befinden, und folglich Alles durch dasselbe. Dann müßte also das Maaß des Feuers begz sein und die Zahl des Wassers zweimal drei."

"Ist es aber nothwendig, daß Alles an der Zahl Theil habe, so muß nothwendigerweise Vieles als Ein und dasselbe erscheinen und Ein und dieselbe Zahl als diesem und jenem Dinge angehörig."

„Kann nun diese Zahl wohl Ursache sein und die Sache durch sie entstehen? Oder zeigt sich das nicht? Eristirt z. B. eine Zahl für die Bewegungen des Mondes, und eine Zahl für das Leben und das Alter eines jeden der Thiere? Was hindert da, daß einige viereckig (quadratisch) seien, andere kubisch und gleich, an= dere doppelt? Dann steht nichts im Wege, sondern es muß sich so verhalten, wenn Alles an der Zahl Theil hat und wenn es angeht, daß das Verschiedene unter dieselbe Zahl falle. Wenn also einigen Dingen Ein und dieselbe Zahl zukommt, so müssen sie Ein und dieselben sein, da sie dieselbe Art der Zahl haben; so müssen z. B. Sonne und Mond dasselbe sein."

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Aber weshalb sollen die Zahlen denn Ursache sein? Sieben sind der Vocale, sieben der Saiten oder der Harmonieen, sieben der Plejaden, mit sieben Jahren wechseln einige Thiere die Zähne, andre nicht, sieben sind der Helden vor Theben. Sind nun wohl deshalb, weil die Zahl von dieser Beschaffenheit ist, jener sieben gewesen, oder besteht darum das Siebengestirn aus steben Sternen? Oder sind der Helden vor Theben sleben gewesen wegen der Thore, oder aus irgend einer andern Ursache? Das Siebengestirn zählen wir auf diese Weise; im Bären zwölf Sterne, andere noch meh

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