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Es können jedoch immer nur die einfacheren fundamentalen Momente, gebraucht werden; über dieselben hinaus zeigt sich sogleich die Incommensurabilität der Begriffsbestimmungen für die Formen der mathematischen Anschauung. Die einfacheren geometrischen Figurationen, wie der Punct, die Linie, das Dreieck, Vier- und Vielseit und der Kreis; so wie die einfacheren stereometrischen Gestalten des Prisma, des Würfels, der Kugel, des Cylinders, der Pyramide und des Kegels sind vom Denken ergriffen worden, seine Kategorieen sich zur Anschauung zu bringen. Die Chinesischen Kua's schweben eigentlich zwischen geometrischer und arithmetrischer Versinnbildung mitten inne. Es sind gerade Linien. Eine ungebrochene gerade für sich be= zeichnet die Sichselbstgleichheit und die Einheit; eine gebrochene den Unterschied; zwei einander parallele Linien bezeichnen die Gleichheit zweier Unterschiedenen; eine gebrochene gerade Linie mit einer ungebrochenen die Einheit des Negativen mit dem Positiven u. s. w. Es ist nicht hierorts, weiter auf diese eigenthümliche Darstellung einzugehen, welche in sehr vielen-Puncten, namentlich in der Tonlehre, mit Vorstellungen der Pythagoräer sich berührt. Windischmann hat im ersten Band seiner Philosophie im Fortgang der Weltgeschichte, Bonn 1827, S. 144.156 und S. 298 313 hierüber nähere Auskunft gegeben. Die Vergleichung der Pythagoräischen und der alterthümlichen Chinesischen Reichslehre ist späterhin von Gladisch noch viel weiter ausgeführt wor

den; s. dessen Einleitung in das Verständniß der Weltgeschichte; Erste Abtheilung: die alten Schinesen und die Pythagoräer. Posen 1841.

Bei den Pythagoräern war das Arithmetische und Geometrische mit dem Metaphysischen und Logischen gänzlich verschmolzen. Die Wissenschaft war noch nicht zur selbstbewußten Unterscheidung dieser Begriffe gelangt. Wenn Krause in der neueren Zeit, in seiner Lehre . vom Erkennen und von der Erkenntniss, Göttingen 1836, . 456 ff., die Mathesis als die allgemeine Wissenschaft des Erstwesentlichen hat aufstellen wollen, so kann dies im Grunde, nach seinen eigenen Forderungen, nur der Begriff der Ontologie sein, deren Bestim mungen des Begriffs der Qualität, Quantität und Modalität allerdings ganz allgemeine sind, so daß gegen fie die Phoronomie und Geometrie als concretere Wissen= schaften angesehen werden müssen. Krause liebte die Linearsymbolik für die Veranschaulichung des Logischen und Metaphysischen und hat dieselbe von allen Modernen wohl am Umfassendsten und Consequentesten sowohl in seiner 1828 herausgegebenen Logik als in dem zuvor genannten Buch durchgeführt. Eben diese scharfsinnige und mühsame Durchführung kann am Besten belehren, wie unzulänglich das starre Raumbild gegen die ideelle, abstracte Flüssigkeit des Logischen bleibt.

Die ähnlichen Bestrebungen J. Wagner's in seiner mathematischen Naturphilosophie, Erlangen 1811 und in seinem Organon der menschlichen Erkenntniß, Erlangen

1830, find spurlos vorübergegangen. Wagner ging von der Tetras aus und stellte im Anhang seines Organons den Unterschied der bildlichen, geometrischen, arithmetischen und philosophischen Darstellung auf. Das Beispiel seiner Lullianischen Begriffsbestimmung S. 353 ff. von der Kunst, nach welcher Nro. 12 das Oratorium bedeuten soll, wird hinreichen, jedem diesen construirenden Ausdruck der Dinge zu verleiden.

Auch Rühle v. Lilienstern hat in seiner Schrift: über Sein, Werden und Nichts, zwei Abtheilungen, Berlin 1833, mit vielem wissenschaftlichen Wiz, wie man es nennen könnte, eine geometrische Symbolik des Begriffs durch einen ideographischen Kegel versucht. Sein Grundgedanke ist wohl in der Anmerkung II. 34, am Einfachsten ausgesprochen: „Die Wissenschaft be= schreibt in ihrer Selbstbewegung einen Kreis, dessen Ende sich nicht in den Anfang, sondern in unendlicher Wiederholung über denselben hinausschlingt, indem ihr Centralpunct nicht im Centrum, sondern als ursprünglich im Ausgangspuncte der Bewegung gegeben, somit immanent in der Peripherie verbleibt.“ Es kann nicht fehlen, daß ein geistvoller Mann bei einer absichtlichen Hineinbildung des Logischen in das Geometrische sowohl für jenes als für dieses nebenbei zu interessanten Aeußerungen gelangt, allein zulegt muß man sich eingestehen, daß, wo einmal ein Protonpseudos obwaltet, kein reines Resultat zu erzielen ist.

Krause und Rühle v. Lilienstern haben jedoch das

Bewußtsein über den Unterschied des Metaphysischen und Logischen. Die Raumfiguration ist ihnen in der That nur ein Bild des Gedankens. Hierdurch unterscheiden sie sich von den Pythagoräern, bei welchen die Zahl und Figur das Erste und Lezte waren, so, daß das Logische dagegen ohne alle Selbstständigkeit sich verhielt.

Unsere Literatur hat aber auch durch E. A. v. S ch aden, Erlangen 1841, ein: System der positiven Logik erhalten, in welchem das Logische als eine Eregese der Kegelschnitte auftritt. Dies seltsame Buch läßt eigentlich drei ganz verschiedene Elemente wüst durcheinander laufen; erstlich die Bestimmungen der gewöhnlichen, formalen Logik, oft in ganz altfränkscher Weise; zweitens eine mit biblischer Salbung ausgesprochene mystische Metaphysik; drittens die absonderliche Vorstellung, daß die Kegelgestalt das Grundschema alles Seins und Werdens, auch das der Logik sei. Die Begriffe werden daher auch in sphärische, elliptische, parabolische, hyperbolische und Curvenbegriffe eingetheilt. Der Verfasser hat seine Logik eine positive genannt, offenbar um sie der Hegel'schen in dem Sinn entgegenzusehen, wie S ch e l= ling dieselbe als eine negative bezeichnet hat. Hätte er aber die Hegel'sche Logosidee verstanden, so würde er nicht in seine Wunderlichkeiten hineingerathen sein, denn das Bedürfniß, über die formale Logik hinauszukommen, wäre dann bei ihm in einer wirklich wissenschaftlichen Form befriedigt, während er es, bei aller Tiefe des Dranges, nur zu einer phantastisch confusen Unform gebracht hat.

In der geometrischen Figuration ist das Arithmetische nur ein Moment. Gegen die figurative Mannigfaltigkeit im Raum erscheint dasselbe daher als ein Abstracteres, gegen das Logische selbst jedoch als ein Concreteres. In dieser Beziehung scheint das Eins, Zwei, Drei u. f. f., als Henas, Dyas, Trias vorgestellt, faßlicher zu sein, als der Begriff der Identität, des Unterschiedes, der Einheit u. s. f. Natürlich ist das Logische als die absolute Form überhaupt dem Arithmetischen eben so wohl immanent, als dem Geometri= schen, nicht aber ist das Logische durch das Arithmetische bedingt. Um den Begriff als Zahl zu fassen, um mit ihm zu rechnen, muß man ihn zuvor tödten, denn die Zahl ist die Bestimmung der äußerlichen und gleichgültigen Grenze.

Es tritt allerdings hier derselbe Unterschied, wie bei dem Geometrischen, ein, ob nämlich noch kein Bewußtsein über den Unterschied des Logischen als solchen vom Arithmetischen vorhanden, oder ob dies bereits der Fall ist.

Das Unbewußtsein über den Unterschied liegt dem Chinesischen Buch der Verwandlungen und der Zahlenlehre der alten Pythagorik zu Grunde; das Bewußtsein des Unterschiedes mit dem Bestreben, in dem Arithmetischen für das Logische den constitutiven Anhalt zu finden, den vielfachen Bemühungen der späteren Pytha= gorik und den Versuchen derjenigen modernen Philosophen, welche das Denken zu einem Rechnen machen

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