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Geist athmet darin. Alles ist so rein, so edel in seiner Schilderung. Auch die feinste Bescheidenheit ist Ossian eigen. Wie leicht schwebt er am Schlusse des Gedichts über eigene Thaten hin, die er uns nur in den Folgen merken lässt, nicht schildert! Es freut mich, dass Sie diesem schönen Dichter getreu bleiben und sich auf die beste Art, die möglich ist, durch Uebersetzungen, mit seinem Geiste familiarisiren. Endlich werden Sie noch ein ganz Ossianisches Mädchen!" Und in der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichtung sagt er an einer andern Stelle: „Össians Menschenwelt war dürftig und einförmig; das Leblose um ihn her war gross, kolossalisch mächtig, drang sich also auf und behauptete selbst über den Menschen seine Rechte. In den Gesängen dieses Dichters tritt daher die leblose Natur (im Gegensatz gegen den Menschen) noch weit mehr als Gegenstand der Empfindung hervor. Indessen klagt auch schon Ossian über den Verfall der Menschen, und so klein auch bei seinem Volke der Kreis der Kultur und ihrer Verderbnisse war, so war die Erfahrung davon doch gerade lebhaft und eindringlich genug, um den gefühlvollen Sänger zu dem Leblosen zurückzuscheuchen, und über seine Gesänge jenen elegischen Ton auszugiessen, der sie für uns so rührend und anziehend macht."

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In der Rede: Gehört allzuviel Güte, Leutseligkeit und grosse Freigebigkeit im engsten Verstand zur Tugend (1779) citirt er eine Stelle aus Ŏssian in Hexametern (Hoffmeister, Supplemente IV, p. 39). Dass besonders auch die Göthesche Uebersetzung der Lieder von Selma im Werther" ihm geläufig war, ersehen wir aus einer Redensart in einem Briefe an Petersen (Schillers Briefe etc. Berlin, Hempel. I, p. 150): „Homers Stimme ist verhallt in Selma." Es scheint, der literarische Club auf der Militär- Academie war Ossian - fest, so wie der Göthe'sche Club in Strassburg sich bestrebte, Shakespeare - fest zu werden. Es wäre wunderbar, wenn Schillers Jugendpoesie, zu denen er die Ideen doch grösstentheils aus seiner Lecture nehmen musste, da das Leben ihm wenig bot, keine Spuren dieses Einflusses aufwiesen. Ich habe bis jetzt folgende Parallelstellen gefunden. In den Liedern von Selma, die Göthe in seinen „Werther" einrückte (6 Bdd. III, p. 35) singt Alpin: „Die Hügel werden dich vergessen, deine Bogen in der Halle liegen ungespannt." In Hectors Abschied singt Andromache: „Einsam liegt dein Eisen in der Halle." Von entschiedenem Einfluss war dieser Klaggesang Alpins auf die Leichenphantasie." Alpin fährt nach obiger Stelle fort: Du warst schnell, o Morar, wie ein Reh auf dem Hügel." In der Leichenphantasie" heisst es:

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Munter sprang er im Gewühle der Menschen

"

Wie auf Gebirgen ein jugendlich Reh.

Alpin: Wer auf seinem Stabe ist das? wer ist es, dessen Haupt weiss ist vor Alter, dessen Augen roth sind von Thränen? Es ist dein Vater, o Morar! "

Schiller: Zitternd an der Krücke

Wer mit düsterm, rückgesunknem Blicke,
Ausgegossen in ein heulend Ach,

Schwer geneckt vom eisernen Geschicke,

Schwankt dem stumm getrag'nen Sarge nach?
Floss es „Vater von des Junglings Lippe?

Auf die folgende Parallelstelle hat bereits Düntzer (Schillers lyrische Gedichte der ersten Periode, p. 16) aufmerksam gemacht. Im Werther heisst es (6 Bdd. III, p. 37): „Ich folgte der Leiche der Freundin und stand an dem Grabe, wie sie den Sarg hinunterliessen und die Seile schnurrend unter ihm weg und wieder herauf schnellten, dann die erste Schaufel hinunter schollerte und die ängstliche Lade einen dumpfen Ton wiedergab, und dumpfer und immer dumpfer, und endlich bedeckt war!" In der Leichenphantasie:

Horch! der Sarg versinkt mit dumpfigem Geschwanke,
Wimmernd schnurrt das Todtenseil empor!

Dumpfig schollert's über'm Sarg zum Hügel,

O um Erdballs Schätze nur noch einen Blick!
Starr und ewig schliesst des Grabes Riegel,

Dumpfer dumpfer schollerts über'm Sarg zum Hugel,

Nimmer gibt das Grab zurück.

Da dieses Gedicht dem dahingeschiedenen Bruder (August Wilhelm von Hoven) eines Freundes in Ossian galt, so waren solche Reminiscenzen um so besser angebracht. Auch der „seufzende Nachtgeist der ersten und letzten Strophe ist Ossianisch. In der „Elegie auf den Tod eines Jünglings ist der 2 Mal vorkommende Ausdruck „das enge Haus" zur Bezeichnung des Grabes gleichfalls Eigenthum des Macphersonschen Barden und Str. 4: Tief (ist) der Schlummer der Begrabenen Reminiscenz aus Alpins Gesang im Werther: Tief ist der Schlaf der Todten (vgl. den Klaggesang des Chors in der ,Braut von Messina": , denn der Schlummer der Todten ist schwer").

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Endlich scheint mir aus den letzten Worten, die Werther nach der Unterbrechung vorliest (sie sind aus dem Anfange des Ossianschen Gedichtes, Berrathon“ und identisch mit den in einem Briefe vom 12. October 1771, aus dem Gedächtnisse citirten) die Idee zu dem Schillerschen Gedicht Morgenphantasie" entstanden zu sein, welches er später, unpassend, wie mir scheint, der Flüchtling" betitelt hat. Man vergleiche: „Warum weckst du mich, Frühlingsluft? Du buhlst und sprichst: Ich bethaue mit Tropfen des Himmels! aber die Zeit meines Welkens ist nahe, nahe der Sturm, der meine Blätter herabstört! Morgen wird der Wanderer kommen, der mich sah in meiner Schönheit; ringsum wird sein Auge im Felde mich suchen, und wird mich nicht finden" und die letzte Strophe des „Flüchtlings“ : Steig' empor, o Morgenroth, und röthe

Mit purpurnem Kusse Hain und Feld!
Säus'le nieder, Abendroth, und flöte

Sanft in Schlummer die erstorbne Welt;

Morgen ach! du röthest

Eine Todtenflur,

Ach, und du, o Abendroth! umflötest

Meinen langen Schlummer nur.

Dr. Boxberger.

Noch einige Bemerkungen über eine vermuthlich aus dem Par

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ticip abgeleitete Adjectivalform im Italienischen."

In Bezug auf diese Form hat Herr N. Ch. Quintescu in Bd. 37 S. 197 dieses Archivs nachgewiesen, dass sie durchaus nicht, wie man bisher an nahm, ein verkürztes Particip, sondern vielmehr ein entweder bereits im Latein vorhandenes, oder aus einem Particip abgeleitetes, den aus dem Latein übernommenen hierhergehörigen Adjectiven nachgebildetes Adjectiv ist. Dies Resultat scheint im Allgemeinen richtig zu sein, nur genügen de Gründe, die Herr Qu. für seine Behauptung anführt, noch nicht ganz oder sind sogar überflüssig. Für die unmittelbar aus dem Latein stammenden Formen bedurfte es z. B. gar keiner weiteren Explication, denn dass lacero. libero, manifesto, sano u. s. w. nicht aus lacerato, liberato, manifestato, sanato u. s. w. verkürzt sind, sondern direct von lacer, liber, manifestus, 2nus u s. w. herkommen, war längst bekannt. Dass ferner bei dem Hilf zeitwort essere bald das Particip (z. B. io era destato, wo era destato m

sammen das Prädicat bildet), bald das Adjectiv (z. B. io era desto, wo era Copula, desto prädicative Bestimmung ist) stehen kann, ist so ganz natürlich und einfach, dass Herr Qu. ebenfalls gar nicht nöthig gehabt hätte, so viele Worte darüber zu verlieren. Was aber die „nachgebildeten" Formen (wie acconcio, adorno, avvezzo, carico u. s. w.) betrifft, so hat Herr Qu. andrerseits mehrere Fälle unberücksichtigt gelassen, die auf den ersten Blick weniger klar erscheinen dürften. Dahin gehören zunächst Sätze, wie io ho sporca la tovaglia, io ho carichi gli schioppi, io ho avvezzo il mio cane a saltare, wo früher meistens erklärt wurde, io ho sporca, carichi, avvezzo stände für io ho sporcata, caricati, avvezzato. Aber sollte man sporca, carichi, avvezzo nicht ganz gut als Adjective und demnach avere weniger als Hilfszeitwort, sondern als sich seiner ursprünglichen Bedeutung nähernd auffassen können? also: io ho la tovaglia wie? sporca; io ho gli schioppi wie? carichi; io ho il mio cane wie? avvezzo a saltare. Uebrigens hat schon Valentini so erklärt. In Verbindungen ferner, wie tocco da divina ispirazione, könnte tocco leicht ebenfalls für ein Particip gehalten werden: doch lässt sich ja auch hier noch das Adjectiv vertheidigen, wie z. B. Ovid durchaus nicht nöthig hatte, tellus sauciata vomeribus für tellus saucia vulneribus zu sagen.

Ein anderes Verhältniss jedoch tritt ein, sobald die in Rede stehenden Formen zur Bildung activer Zeiten gebraucht werden. Herr Qu. führt zwar an, ich habe ihn geweckt könne man ja nicht durch l'ho desto ausdrücken, sondern müsse l'ho destato sagen. Diese verbale Verbindung ist aber nur unmöglich für die direct aus dem Latein stammenden Formen, zu denen auch desto (mitt elat. deexcitus) gehört; hingegen gehen die „nachgebildeten“ Adjectivformen und das hat Herr Qu. übersehen zuweilen eine solche Verbindung mit dem activen Hilfszeitworte ein und werden dadurch vollständig verbal. Beispiele sind: l'ho dimentico für l'ho dimenticato, io t'ho dimostro für io t'ho dimostrato, mi sono avvezzo für mi sono avvezzato, sazio m'avrebbe ciò che m'è proposto für saziato m'avrebbe u. s. w. Gerade solche Fälle, wie die eben genannten, mögen die Grammatiker (unter diesen auch noch Diez) verleitet haben, eine doppelte regelmässige und verkürzte Form für das Particip anzunehmen; bei dem von Herrn Qu. angeführten walachischen desteptü neben desteptatü, capiü neben capiatü, bei dem französischen enclin neben incliné, bei dem deutschen wach neben erwacht, schlaff neben erschlafft *) konnte eine derartige Annahme allerdings keinem Menschen einfallen," denn desteptü, capiü enclin wach, schlaff finden sich nirgends mit aveà avoir haben zur Bildung einer zusammengesetzten Zeit des Activs verwendet, während oben dimentico, dimostro, avvezzo, sazio doch offenbar mit avere verbale Kraft annehmen. Auch in der Stelle: Avevamo ancora allora fra mano, trall'altre cose, un Corbaccio (ein Buch von Boccaccio), da me già riscontro con quello che u. s. w., kann die participiale Bedeutung des riscontro (für riscontrato) durchaus nicht geleugnet werden.

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Wir erhalten also folgendes Ergebniss:

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1) Diejenigen Adjective, die bereits im Lateinischen als solche vorhanden waren, bleiben es auch auf jeden Fall im Italienischen und können nie participialisch gebraucht werden.

2) Diejenigen Adjective, die aus Participien abgeleitet und den vorgefundenen Adjectiven nachgebildet sind, können ihre Ableitung aus dem Particip noch nicht ganz verleugnen und nehmen, wenn auch nicht häufig, noch participiellen und somit verbalen Werth an.

Wenn nun Diez (Gr. d. rom. Spr., 2. Aufl., II, 141) sagt, die übrigen

*) Herr Qu. nennt auch noch xúxlos neben xvxλwτós; das sollte doch wohl κυκλικός oder κυκλόεις heissen?

romanischen Sprachen wüssten wenig von dem, was er für abgekürzte Par ticipien, wir für nachgebildete Adjective ansehen; wenn er aus dem Provenzalischen nur adorn, clin, guast, sem (ital. adorno, chino, quasto, scemo), aus dem Altspanischen und Französischen nur enclin als analog aufführt: so hat nun schon Herr Qu. gezeigt, dass dergleichen Bildungen auch im Walachischen vorhanden sind. Aber weder Diez noch Qu. haben merkwürdigerweise an das Spanische und Portugiesische gedacht. Für das Spanische verweise ich hierzu auf die Grammatik von Dr. Precht; in Bezug auf das Portugiesische, für dessen gründlichere grammatische Bearbeitung überhaupt noch viel zu wenig geschehen ist, erlaube ich mir eine Zusammenstellung der hierher gehörigen Formen mit dem Bemerken zu geben, dass die,nachgebildeten Adjectiva in dieser Sprache höchst selten mit ter oder haver verbal, vielmehr meistens nur als wirkliche Adjective mit ser, estar, ficar oder andar auftreten, so dass sich also pago zu pagado etwa verhält wie das deutsche gewohnt zu gewöhnt.

1) Unmittelbar aus lateinischen Adjectiven oder Participien sind gebildet: aceito (acceptus) neben aceitado von aceitar annehmen,

cheio (plenus, wie lat. pl sich durchgängig im Anlaut zu port. ch wandelt) neben enchido von enchar anfüllen,

desperto (deexperrectus) neben despertado von despertar aufwecken, expulso (expulsus) neben expulsado von expulsar vertreiben, fixo (fixus) neben fixado von fixar befestigen,

livre (liber) neben livrado von livrar befreien,

manifesto (manifestus) neben manifestado von manifestar offenbaren, salvo (salvus) neben salvado von salvar retten,

são (sanus) neben sanado von sanar heilen,

secco (siccus) neben seccado von seccar trocknen,

sujeito (subjectus) neben sujeitado von sujeitar unterwerfen, troncho (truncus) neben tronchado von tronchar verstümmeln.

2) Nachbildungen sind:

entregue neben entregado von entregar einhändigen,

enxugo neben enxugado von enxugar abtrocknen,

gasto neben gastado von gastar ausgeben,

isento neben isentado von isentar befreien,

murcho neben murchado von murchar welken,

pago neben pagado von pagar bezahlen, solto neben soltado von soltar loslassen,

sujo neben sujado von sujar beschmutzen.

Die Doppelformen im Particip der Verba nach der zweiten und dritten Conjugation im Italienischen, Spanischen und Portugiesischen sind anderer Art als die hier besprochenen und können also ausgeschlossen werden. Krotoschin. F. C. Schwalbach.

Notiz.

Die in dem vorletzten Hefte des Archivs abgedruckte Beurtheilung der von Schmitz-Auerbach'schen Abhandlung ist von Herrn Dr. A. Moller schon vor dem Erscheinen der Hermes'schen Kritik an die Redaction eingesandt und ohne den Wunsch des Verfassers noch mitgetheilt worden.

Bibliographischer Anzeiger.

Allgemeines.

H. Pröhle, Der deutsche Unterricht in seinem Verhältnisse zur Nationalliteratur. (Berlin, Moeser).

Grammatik.

A. Helfferich, das Wurzelwort. (Berlin, Springer)

Lexicographie.

15 Sgr.

212 Sgr.

Mahn, Etymologische Untersuchungen über geographische Namen. 7. Lieferung. (Berlin, Dümmler.)

1 Thlr. 5 Sgr. H. Mareta, Proben eines Wörterbuches der österreichischen Volkssprache. 2. Versuch. (Wien, Gerold.)

12 Sgr.

C. Ploetz, Französisch-deutsches und deutsch - französisches Handwörterbuch. (Berlin, Herbig.) 2. Thle.

Literatur.

13 Thlr.

K. Bartsch, Beiträge zur Geschichte und Kritik der Kudrun. (Wien, Gerold.)

20 Sgr. (Frank15 Sgr.

A. J. Vilmar, Zur Literatur Johann Fischarts. Kleine Beiträge.
furt a. M. Voelcker.)
Ph. Wackernagel, Edelsteine deutscher Dichtung und Weisheit im 13.
Jahrhundert. 3. Auflage. (Frankfurt, Heyder & Zimmer.)
Hobein, über Klaus Groth und seine Dichtungen. (Hamburg, Perthes.
Besser.)

1's Thlr.

12 Sgr.

L. Gude, Erläuterungen deutscher Dichtungen. Nebst Themen zu schriftlichen Aufsätzen. (Leipzig, Brandstetter.) Bernh. Abeken, Goethe in den Jahren 1771 nover, Rümpler.)

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1778. 2. Auflage. (Han

3 Thlr. 112 Thlr.

F. Ohnesorge, Ludwig Uhland. Biographisch-literarische Skizze. (Dresden, Schneider.)

3 Sgr.

H. Düntzer, Goethe und Karl August. Studien zu Goethe's Leben. (Leipzig, Dyk) 2 Thle.

5 Thlr.

E. Feuchtersleben, Geist deutscher Classiker. 1 Liefrg. (Wien, Hartensleben).

71/2 Sgr

2 Thlr.

L. Edtmüller, Herbstabende und Winternächte. Gespräche über deutsche. Dichtungen und Dichter. (Stuttgart, Cotta.) Pascal's Gedanken, Fragmente und Briefe. Deutsch von C. F. Schwarz. 2 Theile. (Leipzig, O. Wigand.) Histoire littéraire de la France. Par les religieux Bénédictins de la congrégation de St. Maur. Nouvelle éd. publ. sous la direction de M. Paulin Paris I. Part. (Paris, Palmé.)

15 Sgr.

Contemporains de Shakespeare. Beaumont et Fletcher Traduits par Ernest Lafond. (Paris, Hetzel.)

J. L. Plathe, König Richard. (Shakspeare in seiner Wirklichkeit) (Leipzig, Dyk.)

42 Thir.

Dante's göttliche Komödie und ihre deutschen Uebersetzungen von R. Koehler. (Weimar, Böhlau.)

5/6 Thlr

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