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Wo sich der Fährmann schaukelt, wo Reigen auch schlingt
Dionysos,

Wo die beflügelte Schaar helljauchzt und die Bien' an ihr
Werk geht:

O wie sollte nicht hell aufjubeln der Dichter im Lenz auch? Von demselben Dichter besitzen wir eine Menge der zartesten, lieblichsten, heitersten Gedichtchen, durch die der Sonnenblick der reinsten Freude und des süssesten Lebensgenusses zittert; daneben auch scharf zugespitzte Epigramme, schneidig wie ein eherner Pfeil, und endlich auch wehmüthig hingehauchte Elegien, worunter die seiner Heliodora geweihte ebenfalls weltberühmt geworden ist. Ich setze von letzterer wiederum meine eigene Uebersetzung her und möchte dadurch gern den Beweis liefern, dass auch das antike Metrum ächt weicher, den innersten Lebensnerv berührender Empfindungen sich fähig bezeige. Meleagers Elegie lautet:

Thränen

Nimm, o Heliodora, die rinnende Thrän' als Geschenk hin,
sie blieben allein Zeugen des süssen Vereins!
Ach! am schaurigen Grab mit qualzerrissenem Herzen
Spend' ich der Sehnsucht Nass, Zähren der heiligen Treu.
Schmerzvoll klag' ich um dich, schmerzvoll zum Schatten-
beherrscher,

Aber zum Acheron dringt nimmer der Liebenden Flehn!
Ach! wo blüht sie, die liebliche Blume? Es pflückte sie

Hades.

Hades mit finsterem Sinn hat sie dem Staube geeint. Erde, so fleh' ich zu dir, allnährende Mutter, mit Inbrunst: Drücke das zarte Gebild sanft an die liebende Brust!

Dem Hexameter und dem damit eng zusammenhängenden Pentameter, also dem heroischen und elegischen Versmasse, meinen wir somit das Recht zugesprochen zu haben, die Uebersetzung in denselben Rhythmen wiedergegeben zu sehen. Und dasselbe gilt vom griechischen Senar im Dialog der Tragödie, wo der Wechsel katalektischer und akatalektischer Verse, den sich die neueren Dichter verstatten, mir unthunlich erscheint. Wer wollte zweifeln, dass sich der Beginn der Phönissen des Euripides,

Ὦ τὴν ἐν ἄστροις οὐρανοῦ τέμνων ὁδόν etc.

in gleicher Versart getreulich wiedergeben liesse? Wagen wir den Versuch:

Der durch des Himmels Sterne du den Pfad dir bahnst,
Auf goldgefügten Sesseln thronend, Helios!

Der du auf muthbeseelten Rossen Feuer trägst,

Wie war für Theben unheilbringend einst dein Strahl,

Als Kadmos, ferne lassend der Phöniker Strand,

Den meerumwogten, einstmals dieses Land betrat u. s. w.

Und selbst die Chöre lassen sich in der Rhythmik des Originals zur Darstellung bringen. In denselben Phönissen lautet eine Chorstelle (Vers 730 ff.) beispielsweise:

Leidenverkündender Mars,

Was beseelet dich Blut nur und Mord, der du feindlich gesinnet
des Bromios Festen?

Nimmer entfaltend das lockige Haar zu der lieblichen Hore
Reigenschmückendem Kranz, singst du zum Hauche des Lotus
Lieder, wo Grazien ordnen die Chöre;

Sondern das Heer der Argiver zum Mord anfeuernd der

Theber,

Führst mit gewappneter Schaar du den klanglosen Reigen,
und nimmer

Schwebst du, vom Bacchus begeistert dahin, und geschmückt
mit dem Hirschvliess.
Aber mit schnaubendem Ross, vierjochigem Wagen der
Schlachten

Vorspann, stattlich gezieret, entstürmst du

Durch Ismenische Stromflut; Argos wider der Sparter
Abkunft Kampfmuth

Hauchest du ein, speerkundige Reisige

Gegen die Mauern, die steinernen, führend.

Wahrlich! furchtbar ist Eris, die Göttliche,

Unheil vieles ersann sie den Labda

kiden, den unglücklichen Herrschern.

Ich gebe hier nur die Strophe, weil die Mittheilung der Antistrophe und Epode, die sich ebenfalls in denselben Metern herstellen lässt, leicht die Geduld meiner geehrten Zuhörer ermüden könnte, zumal jene, die nicht für die antike Dichtung begeistert sind. Versagen aber darf ich mir nicht, dass ich, da ich oben auch von den schwierigen Pindarschen Odenmassen sprach, durch die That auch darthue, dass meine Ansicht, auch sie könnten durch die deutsche Rhythmik bezwungen werden, keine Phrase sei. Ich gebe denn hier z. B. den zwölften Olympischen Siegesgesang, welcher sich dem Ergoteles widmet, und ich theile zuvor das Metrum der Strophen und der Epode mit: Strophe und Antistrophe.

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Zeus, des Freiheitrettenden, Spross ich erfleh,

Dich, dem weithinherrschenden Himera Heilausspenderin, die
Auf der Meerflut hold des Fährmanns Leben schirmt,

Die des Erdballs blut'gen Schlachtkampf wechselnd erneut, 5 Und den Rathschluss leitet des Volks.

Doch der Menschheit

Hoffnung wälzt bald ab sich, bald aufwärts und umkreiset des
Trugs wildschäumend Meer, ach, eitles Wahns!

Keiner noch der Erdebewohnenden hat

Antistrophe.

Gottherab aufkeimender Thaten ein truglos Zeichen gesehn,
Denn der Sinn erblindet für zukünft'ges Werk.

10 Ach! es fällt manch Loos der Menschheit wider den Wahn, Ihrer Freud' entgegen; und oft, wenn in Unheil

Jäh sie stürzt

o dann erspriesst schnell wechselnd mit Stürmen des Daseins höchstes, unnennbares Glück.

Epode.

Spross des Philanor! so wär' einst dir auch preislos
Hin er gewelket am Heimathsheerd der Ruhm des schnellen

Laufs,

15 Wie er preislos welket dem Streiter des Hauses, dem Hahn: Wenn männerentzweiender Aufruhr einst nicht Knossos, dein Geburtsland,

Dir entraubte. Ruhm in Olympia jetzt

Winkt dir, winkt' auf Isthmos einst, Ergoteles! dir,

Winkt' in Pytho, dass du bald auf Heimgefild' hehren Festglanz leih'st der Quellflut.

Und ich reihe daran den vierzehnten Olympischen Siegsgesang, gewidmet von Pindar dem Asopichus, dem Orchomenier. Das Versmass ist:

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Die Ode besteht nämlich nur aus zwei Strophen, welche lauten:

Euch an Cephisischem Strom

Strophe a'.

Erfleh' ich, euch auf stattlicher Rosse Nährerinn-Flur,
Fürstinnen euch im Orchomenischen Ruhmland,

Die ihr o Chariten, schirmtet, lang' des Minyervolks gepries'

nen Sitz,

5 Höret mein Flehn! Denn nur durch euch aufkeimet den Sterblichen

Jegliches ersehnte Glück, Segen und Heil:

--

Mächtige, Reich' und Geehrte preisen mit Dank euch!
Selbst nicht Reigen feiern, Mahle die Götter nicht,

Welche die ehrwürd'gen Zeustöchter ihnen nimmer mitfeiernd
erhöh'n;

10 Sie sind der Sel'gen Stolz; neben Apollo, dem Pythischen,
Dess Bogen Goldglanz hehr entstrahlt,
Thronen sie, rastlos preisend Zeus, des Olympiers ewgen
Gottruhm.

O hör', Aglaïa, mich,

Strophe '.

Du Liederfreundinn, hör' mich, Euphrosyne, ihr Zeusent15 spross'ne! und du auch hör' mich, Zithervertraute!

Die du auf günstigem Glück hinschweben siehest den Chor
der Hymnen jetzt,

Aethergeschwingt, Thalia! denn zu feiern Asopichus
Kam ich, mit erhab'ner Kunst lydischen Sangs.
Dankt nicht der Minyer Stadt Olympias Siegsruhm

20 Dir, o Göttin? Eil', o Echo, Persephonens

Hallen, den nachtdunklen, zu! kündend dem Erzeuger herz

freuendes Wort.

Wann Kleodamus du dort erschaust, melde vom Sohn ihm

Dass kühn in Pisas Schooss er sein

dann:

Jugendlich Haar umkränzet sich mit des hehrsten Kampfes

Fittig.

Handschriftliche Nachträge Schmellers
zu den „Mundarten Bayerns."*)

Von Dr. A. Birlinger.

Einleitung.
(S. 1-81.)

Was Schmeller zum 1. Capitel (S. 1-8) nachtrug, besteht in Notizen besonders aus Lehmanns Magazin des Auslandes, Jenaer Lit. Zeitung, Constitutionnel du 8 août 1823. Zu S. 4 oben ist die Stelle Ausland 1844 S. 213 von den Kaffern angemerkt. S. 5 Nr. 8 steht die Stelle Laur. Alberti, T. Gramm. 1573: „,sicut germani communiter et large in duas gentes hodie dividuntur superiores et infe

*) Auf dem vordern Falzblatte verzeichnete Schmeller die Blätter und Zeitschriften, welche seine Grammatik teils anzeigten, teils besprachen.

1) Allgem. Halle'sche Lit. Ztg. von 1828. Ergänzungsblätter S. 353 ff. 2) Münchener Allgem. Lit. Ztg. 1822 No. 11 (Recension).

3) Göttinger Gelehrte Anzeigen 1823. No. 12 pag. 114 (Recension). 4) Jenaer Lit. Ztg. 1824 No. 207 (Recension).

Bemerkt und berührt:

5) Schmidls (Wiener) Lit. Anzeiger 1822. 86. 6) Grimms Gramm. 2. Ausgabe. Vorrede XII. 7) Flora vom 14. Nov. 1822. Und daraus

8) Dresdener Abendzeitung 3. Dez. 1822.

9) Heidelberger Jahrbücher 1823 S. 571. (Mone.)

10) Rapp, Physiologie der Sprache 1836. pag. VI.

11) Philologische Belustigungen aus der Brieftasche eines oberdeutschen Schulmeisters. 1824. (Aurbacher.)

12) Leipziger Lit. Zeitung 1824 S. 558.

13) Férussac's Bulletin universel von 1824. Jouillet. Philologie p. 16.

Proben:

Eos. 1819. Kunst- und Literaturblatt No. IV. V. VI.

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