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ibre Anspruchslosigkeit grossen That und der Anpreisung nicht nur des Retters, sondern auch des ihn feiernden Liedes. Ausser diesen ästhetischen Gründen schien auch die noch wichtigere pädagogische Erwägung des sittlichen Eindrucks die Ausscheidung der angegriffenen Stellen unerlässlich zu machen; Str. 14 musste freilich stehen bleiben, obwohl die darin enthaltene Anpreisung des Grafen das sittliche Gefühl irre leiten könnte. - Zu Grunde liegt eine wahre Begebenheit, die sich kurz vor der Abfassung des Gedichtes (Juni 1776) zu Verona bei einer Ueberschwemmung der Etsch zugetragen hatte. Hervorzuhebende Züge: die vortrefflich geschilderte Furchtbarkeit des Eisganges (man beachte die in Str. 2. asyndetisch aufgeführten 5 Erscheinungen), das Dringende der Gefahr (Str. 9, wo das Polysyndeton gut angewandt erscheint), die lange vergeblich gespannte Erwartung eines Retters, die über allen Lohn erhabene Gesinnung desselben. Bei letzterem Punkte ergeben sich folgende Resultate der Betrachtung: die Reinheit der Beweggründe macht den sittlichen Werth der That aus; die Anspruchslosigkeit entspricht der immer seltner werdenden unverfälschten graden Sinnesart des Volkes; der Brave, in dem Bewusstsein, nur seine Schuldigkeit gethan zu haben, entzieht sich schnell der Dankbarkeit und Bewunderung und dieser wahrhaft grosse Zug erst krönt seine Handlung.— Aufg: Vergleichende Charakteristik des Grafen und des Bauern." Hatte der Verfasser beabsichtigt, nur dasjenige Material mitzutheilen, das sich im Unterrichte unmittelbar verwerthen lässt, so hätten diese Anmerkungen gewiss ein andres Aussehen erhalten; aber mit dem Referent werden, davon ist er im Voraus überzeugt, weitaus die meisten Lehrer, die mit dem deutschen Unterrichte betraut sind, ihm grade für die Mittheilungen, welche nur ihnen Anregungen zu eignem Forschen und Denken geben, sich für besonders verpflichtet halten; denn Niemand wird denjenigen für einen zum deutschen Unterricht besonders berufenen und tüchtigen Lehrer halten wollen, der nur nothdurftig über das Ideen- und Wissensmaterial gebietet, das er unmittelbar vor und mit seinen Zöglingen zu verwerthen im Stande ist.

Magdeburg.

Dr. W. Jensch.

Programmenschau.

Ueber die Erweiterung der Wurzelsilbe deutscher Wörter durch die Nasale m und n. Vom Gymnasiallehrer Dr. Rudolphi. Programm des Gymnasiums zu Erfurt. 1864.

Die Abhandlung beschäftigt sich mit den Wörtern, welche im Auslaut der Wurzelsilbe vor einer Muta oder der Spirans s die Liquidae m und n haben, und weist nach, dass in sehr vielen derselben diese Liquiden eingeschoben sind. J. Grimm gibt zwar in manchen Fällen diesen Nasal als eingeschoben zu, wie in bindan, standan, gaggan, ahnlich wie im latein. rumpo, scindo etc, aber im Ganzen hält er den Satz fest, dass in Wurzeln, welche auf zwei Consonanten auslaufen, der letzte derselbe zur Ableitung gehöre, so selbst in tump, hrine, gane, glanz. Allerdings ist nun oft die auslautende Muta Suffix, vgl. timbar, funcho (funa), swindan (swinan), kind (keinan), hund (canis), Jemand (ioman), Mond (mane), lind (lenis). Aber die Einschiebung von Nasalen in das Wortinnere ist in den german. Sprachen eben so wenig selten, wie in den urverwandten Sprachen. Am auffallendsten ist die Einschiebung in der Conjugation, ähnlich wie sie in den alten classischen Sprachen den Präsensstamm bildet vgl. jungo, Levyvvu sternuo. So das goth. standa, brigga (brang ahd.) gaggen (gangan), durch n und suffixales j verstärkt thagkjan und thugkjan und fahan (fiane), hahan (hiane). An den Auslaut der Wurzel hängen n alle gothischen Intransitiva mit dem Suffix na, so das ags. frignan. In den meisten Verben der ersten Conjugation ist der Nasal unwurzelhaft, in manchen ursprünglich temporaler Einschub, vgl. bindan (Bast), gilangan (nz-), goth. stiggan (stechen, Stengel, Stange, Stachel), string (strang, strih, Strich, strigilis) vringan (goth. vrikan), vindan (wetan), ahd. dringu (goth. thrichan), blank (bleich), glanz (glizan, gleissen, glitzern), ahd. scrindan (goth. skreitan), liggvan (ahd. hinwan), ahd. springan (spargo), finthan (peto), krimpfe (kreppen). Wie in der Conjugation, hat sich der Nasal in allen übrigen Redetheilen entwickelt. So im schwachen Verbum: klimpern (klappern), mhd. brangen (brehen, glanzen), schmunzeln (mhd smutzen), im Substantiv: imbi (apis), Dampf (ahd. depan), kampf (keifen?), Stumpf (Stoppel), Samstag (dássarov), Angel (acus), hrine (zoixos), mangari (Makler), Strunk (strûch), Kranz (kreiz), Spranz (sprizan), Wand (goth. vaddjus), wât (Leinwand), sundan (Süd); so im Adjectiv: tump (toup), sanft (sacht) u. a.; im Pronomen, Zahlwort: fünf (engl. fife), hundert (xatov), in Partikeln und (et), sus (sonst). Wie das m und n sich entwickelt, so zeigt die deutsche Sprache auch die Erscheinung des Ausfalls der Liquidae, vgl. vertheidigen, Coblenz, Muster (monstrum), Kasten (constare), Costnitz, ähnlich wie die romanischen Sprachen.

Der Einschub des m und n ist erklärlich durch ihre grosse Beweglichkeit. Er erfolgt durch lautliche Vorgänge in der Wurzel selbst oder durch Ein

dringen von aussen her; bei der ersten Weise bildet der Nasal sich durch das vokalische Element der Wurzel, wie noch jetzt vielfach in oberdeutschen Mundarten, oder durch die auslautende Muta, indem nämlich um den Wurzelkörper zu verstärken, die auslautende Muta geminirt ward, aus der Gemination aber der Nasal entstanden ist, vgl, tuggo (Zunge), stoppele (stumbal), klapperen (klimpern), trappen (trampeln), ruzzon (grunzen); bei der zweiten Weise stand der Nasal ursprünglich hinter der Muta und rückte durch Assimilation in die Wurzelsilbe vor; gr. ónyvvu und frango, anyvvu und pango, ahd. ango und goth. ahana. Aber die Nasalirung hat auch Bedeutung für den Begriff der Wörter, sie steigert ihn, vgl. mhd. brehenen und prangen, ahd. ruzzan und grunzen, oder modificirt ihn vgl. goth. friks und frank, schrapfen und schrumpfen; sie will auch wohl unverständlich gewor dene Wörter verständlich oder leichter aussprechbar machen, vgl. Vormund, Zinstag (Ziestag), Leinwand (wât), besonders Fremdwörter, vgl. Bambuschen (ungar. paputz), Kampfer (pers. Kafur), schampieren (échapper).

Ueber das Beowulfslied. Von Dr. M. Schultze. Programm der städtischen Realschule zu Elbing.

1864.

Die Localität des Gedichts, sagt der Verfasser, ist die jutische Halbinsel. Süddänen und Norddänen erscheinen unter Hrôdhyâr zu einem Volke verschmolzen; die Geáten sind die Jüten. Es folgt die Inhaltsübersicht.Das Lied ist in seiner ursprünglichen Gestalt ein heidnisches gewesen, wie die vielen Anklänge an die alten Göttermythen beweisen. Beowulfs Bestattung erinnert an Baldurs Leichenfeier. Die Blutrache gilt noch als heiliges Gesetz. Wahrscheinlich ist es Thôr. der unter Beowulfs Maske die grössten Heldenthaten verrichtet. In Zrendel und seiner Mutter erkennen wir die giftigen aus den Sümpfen aufsteigenden Dünste. Beowulfs Kampf mit den Riesen des Sumpfes ist eine der Heldensage angepasste Darstellung der jährlich wiederkehrenden Sommerkämpfe Thôrs gegen die den Menschen feindlichen Joten. Die Rüstung Beowulfs wird dem berühmten Schmied Wiland zugeschrieben. Das Beowulfslied erwähnt des Helden Sigmund Kampf mit dem Drachen, Sigfried erscheint noch nicht; die Unverwundbarkeit Sigmunds oder Sigfrieds wird noch nicht erwähnt. Andere Züge im Liede weisen auf auch sonst erzählte Kriegszüge der Dänen gegen die Friesen und Franken hin.

Die Thiernamen im Reineke Vos. Von A. Lübben. Programm des Gymnasiums zu Oldenburg. 1863.

Die anziehende Abhandlung beruht auf sehr fleissigen und sorgfältigen Untersuchungen. Reineke ist verkürzt aus Reinhart d. i. Reginard; ob dies sei sehr kräftig, oder = rathkräftig, listig, bleibt unentschieden. Die Füchsin ist Armeline, Hermeline d. i. Irminlind, wohl von lint, Schlange, irmin verstärkt. Reinhards Söhne sind Reinardin und Rosseel d. i. der Rothe. Des Fuchses Wohnung heisst Malepertus d. i. Uebelloch. Der Wolf heisst Isegrim, sicher von Isan, Eisen, Schwert, und wahrscheinlich von Grim, also eisengrimmig, wo denn i unorganisch lang geworden ist, nicht nach J. Grimm von grima eiserne Larve, Helm. Der Dachs heisst Grimbert, entweder helmglänzend, oder grimmglänzend. Die Wolfin heisst Giremôt, d. i. gierigen Sinnes, die Söhne heissen Idelbalch= nichts als Balg, und Nummersat. Der Hase heisst Lampe, ein alter Vor

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name st. Lambert, Landoberaht, landberühmt, der Landfluchtige oder der Laufjunge als Briefträger. Die Gans heisst Alheit d. i. Adelheit, womit ein schwatzhaftes eiteles Weib bezeichnet wird; auch die Dohle wird so (Alke) genannt, mit Alke ist besonders sprichwörtlich die Einfalt vom Lande gemeint, die geschäftig hin und herlaufende, aber alles verderbende Person. Die Ente heisst Tibbeke, womit man ein langnäsiges unsauberes Frauenzimmer zu bezeichnen pflegt. Der Kranich heisst Lütke, wohl nicht klein, sondern Lutke, Ludeke Dem. von Ludolf oder Ludwig. Der Heher heisst Markwart d. i. Hüter der Mark oder des Gemeindeeigenthums d. i. des Waldes, auch Markolf, vielleicht auch mit Anspielung auf den klugen Narren Morolf. Der Storch heisst Bartolt d. i. Barathwold, glänzender Herrscher; der Name ist aber zu jung, als dass man annehmen könnte, diese Bedeutung sei dem ersten Namengeber noch klar bewusst gewesen, der Name scheint aus der Menschenwelt ohne weitere Beziehung auf den Storch übertragen zu sein. Die Krähe heisst als Männchen Merkenouwe, als Weibchen Scharpenebbe, jenes Merke genau, wohl nach dem scharfen Schnabel, womit die Krähe Merkzeichen einbeissen kann; Scharpenebbe ist = Scharfschnabel. Der Rabe heisst Pluckebudel d. i. pflücke den Budel = Hab und Gut; sein Sohn Quackeler Schwätzer. Der Hahn heisst Hennink, sowohl das Hähnlein bedeutend, als = Johannes, Jan, Hanneke d. i. Mann überhaupt, in der Mitte der Weiber nämlich. Seine Söhne heissen Cantaert und Craiant d. i. Sänger und Schreier, die Tochter Krassivôt Kratzefuss. Der Esel heisst Boldewyne d. i. Balduin = der frohe Gesell. Der Kater heisst Hintze d. i. die hochdeutsche Abkürzung von Heinrich. Die Deutung des Namens Ryn, den der grosse Hund führt, ist ungewiss; Wackerlôs ist wohl Wacker drauf los." Die Ziege heisst Metke, demin. von Mehthildis, Mathilde, wohl nur nach ihrer meckernden Sprache. Der Affenvater heisst Martin, vielleicht weil Martin nach Ducange den eingefleischten Juristen bezeichnet, der immer Recht haben will; die Åffenmutter Rukenouwe, entweder riech genau oder ziehe, zupfe genau. Moneke, der Sohn, ist wohl Demin. von Mone, ahd. Muno d. i. wonniglich, schön. Biber heisst Bokert nach seiner Büchergelehrsamkeit, der bischöfliche Notar, wahrend der Affe der königliche Notar ist. Der Panther Vers 93. ist der ursprüngliche Name des Bibers, die Fortsetzer des Reineke bezeichnen aber damit das Kameel, das unter den heimischen Thieren sich wunderlich ausnimmt. Der Widder heisst Bellyn, vom franz. bêler, blöken; der Ziegenbock Hermen von Harm d. i. ein gutmüthiger Einfaltspinsel; besser hätten die beiden Böcke ihre Namen getauscht. Die Löwin, der Ochse, das Pferd, der Hirsch, das Reh, der Eber, das Kaninchen u. a. sind ohne Benennung im Reineke.

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Der

Paul Schade (Melissus). Leben und Schriften von Dr. Otto Taubert. Programm des Gymnasiums zu Torgau. 1864. Die Arbeit zeugt von sehr eindringlichen Studien über Paul Melissus. Wieweit sie mit der 1859 erschienenen Inauguraldissertation des Verfassers ubereinstimme, weiss Referent nicht. Paul Schade, geh. 20. December 1559 zu Melrichstadt, hat den Namen Melissus von seiner Mutter Ottilie Melissa rich zugelegt. Seine musikalischen Talente traten früh hervor. In Wittenberg, wo er in Paul Ebers Hause lebte, gab er 1565 eine fünfstimmige Motette heraus, vielleicht das einzige Exemplar ist auf der königl. Bibliothek zu Berlin. Bald darauf dichtete er zwei weltliche Lieder, treffliche Liebeslieder, von Zinkgref später veröffentlicht, so wie zwei Hochzeitsgedichte im Geschmack der neuern Zeit, von denen eines das erste deutsche Sonett ist, or 1574 gedichtet. 1565 ging er über Leipzig und Würzburg nach Wien. 1566 erschien sein zweites musikalisches Werk, die cantiones musicae. In

WO

Wien machte er intime Bekanntschaft mit Orlandus Lassus. 1567 reiste er nach Paris. Unter Gefahren im Religionskrieg kam er nach Burgund, er die Bekanntschaft des grossen Musikers Goudieul machte, dann nach Genf, wo er zur reformirten Kirche übertrat. Dort schrieb er die introductio in linguam Germanicam und das dictionarium Germanicum. Auf den Vorschlag des Kurfürsten Friedrich III., die Psalmen nach Gondimel's Melodien ins Deutsche zu übersetzen, begab er sich nach Heidelberg. 1572 erschienen die ersten 50 Psalmen nach der Marot-Bezaschen Bearbeitung, eine treue Nachbildung derselben; sie sind gedichtet in schwäbischallemanischer Sprache Die Terzinen des 37. Psalms sind epochemachend geworden für die Einbürgerung der romanischen Formen; in der Orthographie hat sich Melissus manche Sonderbarkeiten erlaubt. Die Folge war eine heftige Polemik. Die Lobwassersche Bearbeitung des ganzen Psalters verdrängte des Melissus Arbeit; aber trotzdem nahm er sie späterhin noch einmal wieder auf. Doch gab er die Beschäftigung mit der deutschen Literatur auf und warf sich der lateinischen Dichtung in die Arme, in der er der erste Lyriker wurde. Um 1572 gründete er mit Freunden einen Mässigkeitsverein, der 1573 sein erstes Album erscheinen liess; die Gedichte preisen die Mässigkeit. 1574 erschienen seine lateinischen Dichtungen. Von 1577 bis Herbst 1580 durchstreifte er Italien, und in Kaden wurde er zum Comes Palatinus und Eques auratus ernannt; in lateinischen Epigrammen feierte er nachher die italienischen Städte. Wir finden ihn dann in Augsburg und längere Zeit in Nürnberg. 1584 war er zum zweiten Male in Frankreich. Die zweite Auflage seiner lateinischen Dichtungen überreichte er persönlich der von ihm hochgefeierten Königin Elisabeth von England 1585 in Richmont. 1586 folgte er einem neuen Rufe nach Heidelberg als kurfürstlicher Bibliothekar; aus dieser Zeit stammt sein Loblied auf Deutschland. 1593 schloss er eine glückliche Ehe; seine persönlichen Verhältnisse schimmern durch in der nächsten Sammlung seiner Dichtungen von 1595. Am 3. Februar 1602 starb er. 1625 erschien eine grössere Ausgabe seiner Werke.

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Die antike und die französisch-classische Tragödie. Die Nachahmung beider von Gottsched und seinen Schülern. Von Dr. Ed. Gervais. Programm des Gymnasiums zu Hohenstein. 1864.

Die Abhandlung enthält drei Abschnitte eines grössern Werkes: die antike Tragödie und das moderne Drama; französischer Zuschnitt der antiken Tragödie; die Nachahmung der Franzosen auf der Leipziger Bühne im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts. Der Verfasser gibt im Anschluss an die deutschen Kunstkritiker, besonders an die Urtheile Göthe's, Schillers und Schlegels eine hinreichende Einsicht in den Unterschied des antiken und modernen Dramas. In seinem Urtheile über die classische Tragödie der Franzosen steht er auf der Seite Lessings und weist besonders Corneille's und Voltaire's Verkehrtheiten nach. Gottsched sucht er einigermassen gegen den übertriebenen Spott, der über ihn ausgegossen ist, rechtfertigen, ohne den Grundfehler, von dem seine Thätigkeit ausging, zu verdecken.

zu

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