Page images
PDF
EPUB

in mich aufnehmen und auf jenen Sah beziehen. Und als ob ich diese Stüßen nicht ebenfalls wieder dem Gedächtniß einzuprägen hätte oder wie wenn ihnen als solchen eine besondere Erinnerungsleichtigkeit vor anderen Dingen einwohnte! Hat man jenen einfachen Sah nicht schon inne, so hilft überdem eine Anhäufung anderer Vorstellungen um ihn herum nicht nur nichts, sondern kann im Gegentheil durch das Anklingen noch anderer Vorstellungen geradeswegs davon abführen. Es ist keine Nothwendigkeit vorhanden, durch diese Vorstellung ge= rade diese andere zu vermitteln, vielmehr bietet jede Vorstellung nach vielen Seiten hin einen Übergang dar. Bei dem Domitius soll man an domicitionem denken. Hier ist also nur die Lautähnlichkeit der Wörter das Analogische, während ihr Inhalt ein völlig heterogener ist. Bei den Schauspielern Asop und Eimber soll man ihres Spiels in der Iphigenie sich erinnern. Wie mühsam! Als wenn sie nicht noch andere Rollen gespielt haben werden, von denen für das Gedächtniß, einen leichten Sah zu behalten, gerade jene ausgesondert werden muß.

Es ist gewiß, daß wir bei der Reproduction von Vorstellungen auch die Localität, innerhalb welcher wir ste erzeugten; die Situation, worin wir uns dabei be= fanden; die besondere Form, in welcher der Inhalt einer Vorstellung sich uns zuerst als Bild, Ton, Schrift darstellt, behalten können, allein dies Alles ist nicht das Wesentliche, denn dies ist eben nur die Vorstellung

selber. Die von der Mnemonik vorgespiegelte Erleich= terung hält nun den Geist im Unwesentlichen fest, statt es verschwinden zu machen. Die Geschichte der Mnemonik (f. v. Aretin: systematische Anleitung zur Theorie und Praxis der Mnemonik nebst den Grundlinien zur Geschichte und Kritik dieser Wissenschaft. Sulzbach 1810) zeigt uns am besten, wie der Geist durch das stete Streben nach immer größerer Vereinfachung der mnemonischen Vehikel, die man in neuerer Zeit mit einem barbarischen Wort Mediate ge= nannt hat, zur Sache selbst zu kommen sucht. Er zeigt darin eine naive Selbstwiderlegung. Auch die Regel, daß die Symbole mit dem Inhalt der Vorstellung möglichst verwandt sein sollen, besagt nichts als das Eingeständniß, daß der Inhalt als solcher behalten werden müsse. Der Name des Aristoteles kann für die Mnemonik nicht als Auctorität gebraucht werden, weil er in der Psychologie III, 3, der Mnemoniker erwähnt und weil er ein Buch uvquóvinov ge= schrieben haben soll; denn in seiner Rhetorik, in welcher man eine nähere Auskunft hierüber erwarten dürfte, zählt er unter den Talenten, die der Redner besigen müsse, zwar auch das Gedächtniß auf, empfiehlt aber keine künstliche Mittel dafür. Eben so schweigt er darüber in den Topiken, die sich nur mit der rhetorischen Dialektik beschäftigen. Sie sind nicht, was man sich nach manchen Beschreibungen darunter vorstellen könnte, eine Sammlung von Gemeinplägen, (das Aristotelische

Evdokov drückt etwas Höheres aus), sondern eine rhetorische Logik, welcher unter den Arbeiten der Neueren am nächsten kommt: Hoffmann's Philosophie der Rede. Stuttgart 1841. Auch der zweite Abschnitt von Rinne's theoretischer deutscher Styllehre, Stuttgart 1840, der von der Composition der Aufsäge handelt, gehört hieher.

Daß Raimund Lullius im Mittelalter darauf verfiel, eine Kategorientafel zu entwerfen, mit deren Hülfe man gewissermaaßen neue Begriffe sollte machen können, charakterisirt einerseits den brütenden Mönchsgeist der Scholastik, der den Selbstmord des Denkens, seinen Mechanismus, mit der wahren Lebendigkeit des Begriffs verwechselte; anderseits aber verräth es das Bedürfniß nach neuem Inhalt, nach einer Erweiterung des Bewußtseins, denn Raimund wollte durch sein Verfahren verschiedene Subjecte und Prädicate in die mannigfaltigste Beziehung bringen, ihnen etwas noch Ungedachtes, noch Unerkanntes abzugewinnen. Subjecte, Prädicate, Relationen, Fragen sollten, durch Buchstaben oder Ziffern bezeichnet, in concentrische Cirkel eingeschrieben werden, und zwar so, daß die inneren beweglich wären, um durch ihre Drehung ihnen unter einander und zu den unbeweglichen Subjecten die mannigfachste Beziehung zu schaffen. Hierbei war Alles willkürlich und doch sollte es nothwendig sein. Die Anzahl und Bestimmtheit der elementaren Subjecte wie der Prädicate war so zufällig, als ihre Verbindung, welche immer nur einen ein

fachen Sah zum Resultat haben konnte. Ob der Sah wahr sei, mußte durch eine sonstige Bekanntschaft mit der Sache entschieden werden. Die ars magna lieferte, als Maschine der Combination, nur eine Unzahl von Sägen. Unter den Prädicaten wurden die absoluten von den relativen unterschieden. Nun gehörte z. B. zu den absoluten gloria; wenn nun dies Prädicat mit dem Subject animal zusammentraf, woher sollte da wohl über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit solcher Synthese ein Urtheil entnommen werden? Die Lullianische Kunst litt daher an zweierlei Mängeln: 1) daran, daß alle Bestimmheiten, mit denen operirt wurde, unmittelbare waren, denen jede Rechtfertigung fehlt, weshalb man sie gerade als Kategorien annähme; und 2) daß alle Vermittelung für die Beziehung derselben nur eine mechanische, mithin zufällige war, also das Denken hier ganz außerhalb der Begriffe blieb.

Die Täuschung, in solcher Weise der Wissenschaft einen Fortschritt erwirken zu können, mußte aber so lange dauern, als man das Denken nur formalistisch nahm. Unendlich vielen Scharfsinn verwendete Giordano Bruno darauf. Seine Verbesserungen der Lullianischen Kunst erschöpften gewissermaaßen alle Seiten der Phantaste, um sie anlockend zu machen. Lange Zeit waren seine Schriften über diesen Gegenstand zwar sehr be= rühmt, allein auch ihrer Seltenheit halber sehr unbekannt. Gegenwärtig sind sie von A. E. Gfrörer unter folgendem Titel gesammelt: Jordani Bruni Nolani

Scripta, quae Latine confecit, omnia, collegit etc. Stuttgardiae 1836. Nur zwei der hierin enthaltenen Werke betreffen nicht die Rhetorik und Mnemonik; es find die erste Schrift: Acrotismus, seu rationes articulorum physicorum und die sechste: Summa terminorum metaphysicorum. Die übrigen gehören sämmtlich hierher, nämlich . 113:

Artificium perorandi; ursprünglich 1587 zu Wittenberg dictirt, dann von Alstedt herausgegeben, Frankfurt 1612. Dies ist eine Rhetorik, welche sich zum Theil der Aristotelischen anschließt; in ihrer zweiten Abtheilung, im dritten Capitel, stellt Bruno ein Alphabet derjenigen Momente auf, welche in aller Rede vorzukommen pflegen z. B. A est esse vel non esse; B sentire, opinari, scire, intelligere, item ignorare, imaginari, dubitare; C consentire, dissentire u. f. w. Dies Alphabet hat er dann weiter in eine Menge Unterabtheilungen zerlegt, deren mechanische Beziehung auf einander das artificium ausmacht. Bruno hat zugleich der Topik einen großen Raum in dieser Redekunst angewiesen.

S. 179: Philothei Jordani Bruni Nolani Contus Circaeus ad eam memoriae praxin ordinatus, quam ipse judiciariam apellat. Parisiis 1582. Der Circäische Gesang ist nichts Anderes, als eine alphabetisch geordnete Mnemonik. Die mythologische Einkleidung ist symbolisch und strozt von Spielen der vergleichenden Imagination. Circe weiß an den Eigenschaften des

« PreviousContinue »