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keine Kritik, sondern eine Medicina mentis, brauchbar hauptsächlich für Deutschlands kritische Philosophie. — Es genügt, aus dem Anfang des Schriftchens folgende Paragraphen herzusehen:

"

S. 1.

‚Wer rechnet, der denkt. Aber er denkt, ohne etwas Anderes, als sein Denken selbst, im Denken zu beschreiben. Erst beim Berechnen beschreibt er sein Denken in einem Gegenstand außer demselben.

S. 3.

Die absolute Möglichkeit des Rechnens beruht darauf, daß man Eines, als Eines und eben Dasselbe im Vielen unendlichmal wiederholen kann.

S. 4.

Die absolute Möglichkeit des Denkens beruht darauf, daß wir Eines und Ebendasselbe im Vielen (nicht Mannichfaltigen) unendlichmal wiederholen können. (A, als Einheit, in A, A, A u. s. w.)

$. 8.

A mit seiner unendlichen Wiederholbarkeit auch in C sehen zu können, nennen wir C durch A begreifen oder erkennen."

U. f. w.

Hegel hat im ersten Theil seiner Logik sich weit

läufiger über den Widerspruch ausgelassen, der zwischen der Lebendigkeit des Begriffs und zwischen der Beziehungslosigkeit des Eins statt findet, so daß der Geist, der das Denken in die Aeußerlichkeit der Zahl herabsegt, sein Geschäft zu einer Arbeit der Verrücktheit" macht. Die Bestimmung eines relativ Vielen durch eine Identität kommt allerdings im Rechnen, aber eben so im Lesen, Schreiben u. s. w. vor. S. 167: Das Rechnen hat vor andern Functionen des Denkens oder Bewußtseins einerseits das Abstracte seiner Materie oder Elementes voraus; aber auf der andern Seite steht es ihnen durch das Begrifflose des Eins nach, das zwar ein rein identisches und im Andern, nämlich im Vielen sich wiederholendes ist, aber darin sich wesentlich als beziehungslos halten, und seinem Andern selbst äußerlich bleiben, somit die wahrhafte, nämlich die begreifende Einheit des Denkens in ihm abwesend sein soll."

Was eigentlich den Kern der arithmetischen Logik ausmacht, das abstracte Beziehen abstracter Quanta, hat die neuere Zeit zu einem besonderen Moment der ge= sammten mathematischen Wissenschaft in der Combinationslehre oder Syntaktik herausgearbeitet, vorzüg= lich Leibniz in der Dissertation de Arte combinatoria cum appendice, 1666, in Erdmanns Ausgabe der operum philosophicorum I, 6-44; ferner für die Analysis Hindenburg; sodann L. I. Fischer mit Krause (1812) und Fries in seiner mathematischen Naturphilosophie, 1822, S. 70-76. Fries sagt von

ihr ganz richtig: "Sie beruhet einzig auf den Postulaten der willkürlichen Anordnung gegebener Elemente und ihrer willkürlichen Wiederholung ohne Ende fort." Die besondern Geschäfte der Syntaktik, die Permutation, Combination, Variation, Involution und Evolution greifen allerdings in die Technik der allgemeinen Arithmetik ein, aber die Complexionen der Elemente selbst beruhen auf keinen Ariomen.

Die mathematische Formation der Logik, sei sie nun die geometrische oder arithmetische, entnimmt die logischen Bestimmungen theils aus der Anschauung der Raumftgurationen, theils aus dem Verhältniß der Zahlen, besonders der einfachen. Was aber die Figuren und Zahlen, nicht als Figuren und Zahlen, sondern ihrer logischen Geltung nach bedeuten sollen, das muß gesagt werden. Vermag die Sprache aber die mathematische Anschauung auszulegen, so ist dies nur denkbar unter der Vorausseßung daß sie selbst das Logische in einer freieren Weise enthalte. - Das Vorurtheil, als ob Mathematik für die wissenschaftliche Bildung überhaupt das vorzüglichste, die Logik und Metaphysik übertreffende. Studium sei, ist widerlegt in einer Schrift des Schottischen Professor W. Hamilton, die in Deutscher Uebersetzung unter dem Titel: Ueber den Werth und Unwerth der Mathematik, 1836 erschienen ist. Da eine Stimme aus dem Lande der praktischen Britten, der Mechaniker par excellence, sich so äußert, werden es die Deutschen doch wohl glauben.

Drittes Capitel.

Die sprachliche Logik.

Wir müßten uns eigentlich ausdrücken: Die Sprache als Logik.

Denn der Gang, auf welchem wir zum Begriff der Sprache als des objectiven Logos gekommen, ist der, daß wir uns die Aufgabe stellten, zu erkennen, in welcher Form das Denken sich anschauet, bevor es sich in sich felbst erfaßt. Hier fanden wir zuerst, daß die Gegenfäglichkeit in der Einheit des realen Seins, das Ja und Nein, das Positive und Negative in den Dingen selbst unmittelbar auch als die nothwendige Bewegung des Denkens selbst genommen würde, so daß auf diesem Standpunct das Ontologische mit dem Logischen, das Sein mit dem Denken noch ganz unterschiedslos zusam= menfällt. Sodann aber sahen wir, daß für die nähere Bestimmung der Identität und ihrer Unterschiede die äußerliche Begrenzung genommen werde, weil sie von der in's Unendliche gehenden qualitativen Mannichfaltigkeit abstrahirt und gegen ste eine einfache, allumfassende Allgemeinheit zu behaupten scheint. Hierbei sahen wir, daß die räumliche Figuration, selbst wenn sie durch bloße Puncte sich verzeichnet, dem Begriff weniger angemessen sein kann, als die Zahl, daß aber diese von der Form bloßer Buchstaben als vollkommen reiner Größenzeichen, an denen alle weitere Bedeutung ausgetilgt ist, noch übertroffen wird. Wir fahen, daß die Henas, Dyas,

Trias und Tetras allerdings noch die Begriffe der Identität, des Unterschiedes, der Einheit, der Ganzheit in einer faßlichen Weise darzustellen vermögen, daß jedoch über diese Formen hinaus, die Mannigfaltigkeit der Beziehungen und die dialektische Beweglichkeit des Gedankens an der Todtheit der Zahl eine absolute Schranke findet, über welche sich das Denken nur scheinbar dadurch hinweghilft, daß es seine Bestimmungen in die Zahlen hineininterpretirt. Dann bedarf es nur der tieferen Besinnung, zu erkennen, daß die Sprache selbst dem Denken viel näher steht, als die mathematische Form.

Das wahrhaft der Wissenschaft zu Gute kommende Resultat des Versuchs, die Arithmetik zur Basis der Logif zu machen, fanden wir endlich in der Syntaktik oder Combinationslehre, wie sie schon Leibniz in seiner Dissertation de arte combinatoria als Jüngling mit reicher literarischer Kenntniß vortrug und ihr auch durch das ganze Leben hin ergeben blieb, so daß er in dem kleinen Aufsag: Historia et commentatio linguae characteristicae universalis, quae simul sit ars inveniendi et judicandi (in Erdmanns Ausgabe S. 162) nicht nur mit Wohlgefallen auf jene Abhandlung zurückblickte, sondern auch gleich Eingangs die berühmt gewordenen Worte sprach: „Vetus verbum est, Deum omnia pondere, mensura, numero fecisse. Sunt autem; quae ponderari non possunt, scilicet quae vim et potentiam nullam habent; sunt etiam, quae carent partibus ac proinde mensuram non recipiunt.

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