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grund, reflectirende Selbst, wird hier zu einem bloßen Moment, so gut, als das, was, unter der Form des postulirten Anstoßes des Nicht- Ichs, seine Entgegensezung ausmacht. Der Begriff der Vernunft ist an und für sich über alle Dualität von Sein und Denken, Object und Subject, Realen und Idealen hinaus. Aber innerhalb des Idealismus erscheint er vorerst als der Begriff des Selbstbewußtseins von sich als dem, welches Vernunft hat. Das vernünftige Selbst be= wußtsein weiß sich in Allem und Alles in sich als vernünftig. Die Vernunft ist hier zwar nicht mehr blos ein Vermögen des Unbedingten, eine Kraft zu schließen eine Fähigkeit, sich das Ideal vorstellen, eine Function des Selbstbewußtseins, sondern sie soll hier schon die absolute Form alles Seins und Denkens ausmachen. Insofern jedoch dieser Begriff noch als eine Stufe des Bewußtseins genommen wird, ist er noch nicht von der subjectiven Form frei. Der Begriff der Vernunft bleibt daher noch mit einem Widerspruch behaftet. Er soll das Absolute sein, allein er ist es nur relativ. Alles ist an sich vernünstig, so postulirt das Selbstbe= wußtsein, weil es den Begriff der, Vernunft als die Identität des Subjectiven und Objectiven erkennt. && selbst für sich weiß sich als diese Identität und sezt ste in dem, was ihm Gegenstand wird, ebenfalls voraus, so, daß es die Freude hat, seinen Begriff in Allem wieder, Alles als seinen Begriff zu finden.

Unstreitig ist der Begriff der Vernunft als der

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absoluten Identität des Subjects und Objects, als der allgemeinen Nothwendigkeit für beide, als des nicht nichtzudenkenden Seins, ein Fortschritt gegen den Begriff des Selbstbewußtseins und gegen die Auflösung der Metaphysik und Logik in dem Proceß der Actualität des Ichs. Das vernünftige Selbstbewußtsein bestimmt das Subjective wie das Objective a priori, aus dem reinen. Denken, nämlich aus dem gegen den Unterschied des Subjectiven und Objectiven indifferenten. Es wird in diesem apriorischen Geschäft zu dem, was man Construiren genannt hat. So weit ist nun Alles ganz gut. Sobald aber aus dieser Allgemeinheit weiter gegangen und der Begriff der Vernunft doch nicht als freier Begriff gefaßt werden soll, zeigt sich die Unzulänglichkeit dieses Standpunctes. Er müßte nämlich, consequenter Weise, alles Sein und Denken eben so in die Formen der Vernunft als ihren Inhalt auflösen, wie der Standpunct des Selbstbewußtseins dies in seiner Consequenz thut. Er müßte keine andere Realität, als nur die des Vernunftbegriffs und keine andere Vermittelung des Erkennens, als nur die des apriorischen Construirens anerkennen. Natur und Geist müßten zu bloßen Darstellungen der Vernunft gemacht und in sofern zu blos symbolischen Refleren derselben, zu parallelen Realprojectionen des absoluten Begriffs herabgesezt werden.

Allein selbst wenn dies, wie mehrfach, bis in die neueste Zeit hin, geschehen ist, wirklich versucht wird, so kann doch dieser Vernunftidealismus sich der Logik nicht

gänzlich entschlagen. Thatsächlich zwar thut er es, weil er die gewöhnliche Logik als eine Trivialität verachtet, da er auf seinem Standpunct über die Entgegensegnng von Stoff und Form, von Sinnlichkeit und Reflerion weit hinaus ist und auch die Beschränktheit des Selbstbewußtseins durchbrochen hat. Sobald er aber gezwungen wird, den Begriff der Nothwendigkeit des Denkens zu bestim= men, so sehen wir ihn dasselbe doch nur als „die Kunstseite der Philosophie bestimmen, oder „was man allgemeine Dialektik nennen kann. Ohne dialektische Kunst ist keine wissenschaftliche Philosophie. Schon ihre Absicht, Alles als Eins darzustellen und in Formen, die ursprünglich dem Refler angehören, dennoch das Urwissen auszudrücken, ist Beweis davon. Es ist dieses Verhältniß der Speculation zur Reflerion worauf alle Dialektik beruht." (Schelling, Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums, 3te Aufl. S. 122.) Von der formalen Logik urtheilt dagegen dieser Standpunct (ebend. S. 128): "Sie ist demnach eine ganz empirische Doctrin, welche die Ge= seze des gemeinen Verstandes als absolute aufstellt, z. B. daß von zwei contradictorisch entgegengesezten Begriffen jedem Wesen nur Einer zukomme, was in der Sphäre der Endlichkeit seine vollkommene Richtigkeit hat, nicht aber in der Speculation, die nur in der Gleichseßung Entgegengesezter ihren Anfang hat."

Doch wie steht es um die Ausführung jener Dialektik? Können wir auch für den Vernunftapriorismus

eine wirkliche Logik anführen? Denn daß weder des Thomasius Introductio in philosophiam rationalem, Lipsiae 1691, nach Meiers Vernunftlehre, Halle 1752, diesem Standpunct entsprechen, braucht kaum gesagt zu werden, weil damals noch nicht der später gemachte Unterschied von Verstand und Vernunft eristirte und der Ausdruck Vernunft damals auf diesen und ähnlichen Titeln in der That nur das Denken überhaupt bezeichnen sollte. Allerdings bestzen wir eine solche Dialektik, welche Jonas 1839 aus Schleiermachers Nachlaß herausge= geben hat. Diese Dialektik zerlegt sich in zwei Theile, von denen der eine, der transcendentale genannt, den Begriff des Wissens, der andere der technische oder formale genannt, die Begriffsbildung, das Urtheil und die Methode darstellt. In dieser Differenz sind die beiden von Schelling an der Dialektik unterschiedenen Seiten der Specuculation und der Reflerion, gesondert behandelt. Schleiermacher sagt:

§. 16.

Also Logik, formale Philosophie, ohne Metaphystk, transcendentale Philosophie, ist keine Wissenschaft; und Metaphysik ohne Logik kann keine Gestalt gewinnen, als eine willkürliche und phantastische.“ Die Dialektik definirt er als die Wissenschaft von der Kunst der wissenschaftlichen Darstellung, wornach sie ihm 1) Organon des Wissens d. i. der Siz aller Formeln seiner Construction und 2) Supplement alles realen Wis

sens ist, welches man nicht auf dem scientifischen Wege selbst erlangt hat. Schleiermacher redet eine eigenthümliche Sprache, kommt aber in der Sache auf die Begriffe der Schelling'schen sogenannten Vernunft hinaus, indem er die Identität des Objectiven und Subjectiven vorausseßt, jedoch mit der Abschwächung, daß die Identität bei ihm nicht kategorisch die absolute ist, worin Schelling's Größe liegt, sondern daß er sie zur bloßen Beziehung des Denkens und des Seins macht und das Denken nicht zur freien Selbstständigkeit seiner Totalität emancipirt, sondern immer als Thätigkeit eines lebendigen Individuums in seiner nur subjectiven Actuofität festhält. A. a. D.

S. 87.

"Dasjenige Denken ist ein Wissen, welches a) vorgestellt wird mit der Nothwendigkeit, daß es von allen Denkensfähigen auf dieselbe Weise producirt werde; und welches b) vorgestellt wird als einem Sein, dem darin gedachten, entsprechend."

§. 92.

Wenn und sofern jedes Denken ein gemeinschaft= liches Product der Vernunft und der Organisation des Denkenden ist, ist das Wissen dasjenige Denken, welches Product der Vernunft und der Organisation in ihrem allgemeinen Typus ist."

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