Das Thierreich.
Das Thierreich überhaupt.
Zweck sein selbst ist jegliches Thier; vollkommen ent
Aus dem Schooß der Natur und zeugt vollkommene Kinder.
Alle Glieder bilden sich aus nach ew'gen Gesetzen Und die seltenste Form bewahrt im Geheimen das Urbild.
Warum, Mutter Natur, o du Alliebende,
Muß Zerstörung das Rad deiner Getriebe sein? Warum hast deine Kinder
Du zu ewigem Krieg bestimmt?
Statt, daß du sie vereint all' in die Arme nimmst, In des Mitgeschöpfs Glück jedes das seine sucht, Gibst du jedem nur Nahrung
Durch des Anderen Untergang.
Dennoch ward kein Geschlecht, das du zum Sein bestimmt, Deines Haushalts, Natur, auch nicht ein einzig Stück, Wie viel Feinde es zähle,
Von der Erde hinweggetilgt.
Stille wägt deine Wag' Abgang und Zuwachs ab
Und ihr Schaalenpaar schwebt truglos im Gleichgewicht. Steter Kampf stetes Morden,
Füllt die Schöpfung mit Leben an.
Staun ich dann, daß der Herr dieses zum ew’gen Streit Auserkornen Runds gleichfalls den Frieden haßt? Im Gewühl der Gesellschaft
Alles kämpfet und Alles ringt?
Widerstand übt die Kraft, feuert die Kühnheit an, Hebt den Kunstfleiß und weckt Klugheit und Vorsicht auf. Steter Friede erschlafft,
Ew'ge Ruhe ist halber Tod.
Und gewißlich einst löst
ja schon entzückt's mein Ohr!
All' dies Kampfgeschrei löst sich in Harmonie; Dort vom sternigen Himmel
Glänzen Welten des Friedens uns!
Wie sollte das Reich der Thiere bestehn? Es müßte wahrhaftig zu Grunde gehn, Wenn nicht der Leu mit der Mähne Stets ihnen zeigte die Zähne.
Wie sollte das Reich der Vögel bestehn?
Es müßte wahrhaftig zum Geier gehn, Wenn nicht der Aar mit den Krallen Immer schwebt' über Allen.
Die Thiere fräßen nach Lust im Hag, Die Vögel sängen den ganzen Tag; Es wäre vor freien Heerden Nicht mehr zu bleiben auf Erden.
Wenn Heu der Leu wie der Ochse frißt, Und seinen Adel der Adler vergißt, Dann ist mit dem jüngsten Tage Geendet der Menschen Klage.
And bald war mir geoffenbart, Daß sich in jedem Lebensreiche Die Angst und Noth der Wesen gleiche Und unsrer Blindheit Täuschung nur Verhehlt die Leiden der Natur.
Ein Nothgewehr in der Verzweiflung Angst; Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt Der Meute sein gefürchtetes Geweih; Die Gemse reißt den Jäger in den Abgrund. Der Pflugstier selbst, der sanfte Hausgenoß Des Menschen, der die ungeheure Kraft Des Halses duldsam unter's Joch gebogen, Springt auf, gereizt, weßt sein gewaltig Horn Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.
Die Freiheit ist im Kampf mit der Nothwendigkeit
Geendet nicht; doch schon entschieden ist der Streit. Denn nie wird die Natur mehr stäkrer als sie war, Doch stärker ward der Mensch und wird es immerdar. Noch braucht wie sonst der Aar Klau, Schnabel, Flügel- schlag,
Doch Waffen tauscht der Mensch und wechselt, wie er mag. Noch ist des Löwen Kraft im Rachen Tag' und Schweif, Doch neue Wissenschaft wird stets im Menschen reif. Und so bleibt die Natur, wie Adler selbst und Leue Die alte, doch der Mensch der immer jung und neue. Und immer mehr und mehr wird er Sieg abgewinnen Der Widersacherin, die ihm nicht kann entrinnen.
Das Vieh geht blindlings auf der Trift, Die heilsamen Kräuter weiden;
Aber der Mensch lernt Heil und Gift Nur durch Erfahrung unterscheiden.
Das Thier weiß, was es will; der Herr des Thieres nur Betritt mit schwankem Fuß die Pfade, die er wandelt. Warum? Es ist der Mensch, der in dem Menschen
Im Thiere waltet die Natur.
Wohin du, Käfer, in dem Staub?
Du wirst dem Hunger ja zum Raub. Wohin, hoch in der Luft, ihr Staaren? Könnt ihr denn euer Ziel gewahren? Wohin, Ameise, Wandersmann? Wer zeigt dir deine Straße an? Wie, Thierchen, Biene, Vögelein Baut ihr denn eure Häuselein? Man sieht euch laufen, fliegen, jagen Oft schon nach wen'gen Lebenstagen. Wo ist denn eure Schule, sagt! In der ihr solche Studien macht? Wo, wenn der Horizont auch fehlt, Man nie die falsche Straße wählt, Wo man zum Architekten wird, Von Meßkunstregeln unbeirrt? Wo man auf läng're Zeit voraus Das Wetter fühlt und sorgt für's Haus.
Wo ist die große Turnerei Für Uebungen, so mancherlei? Wo ist, das Leben euch zu sparen, Der Lehrstuhl für so viel Gefahren ? Ach! nie begreifet die Vernunft Die Gaben, die der Thiere Zunft Seit ihrem ersten Schöpfungstag So unverändert üben mag.
Ihr Lehrer, Führer ist der Geist, Den man als ew'ge Liebe preist, Der, weil der schwachen Kreatur Von seinem Licht ein Bruchtheil nur Als Mitgift für das Leben ward, Sich als ihr Beistand offenbart. Dir, Mensch, gab er des Lichtes mehr, Dir macht er die Erhaltung schwer, Du, selbst ein kleiner Schöpfer, mußt Dir greifen in die eigne Brust, Sollst denken, lernen, ewig neu ; Instinkt ist Zwang und du bist frei.
Säugethiere im freien Stand. Lin Königsmantel, dicht und schön, Umwallt des Löwen Brust, die Mähn'; Eine Königskrone, wunderbar, Sträubt sich der Stirne stroffes Haar. Er hebt das Haupt empor und brüllt, Sein Brüllen tönt so hohl, so wild, Die Wüstenei durchrollt es dumpf, Die Fluth vernimmt's in Möris Sumpf. Dem Panther starrt das Rosenfell, Erzitternd flüchtet die Gazell,
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