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Und streuet aus die volle Saat,
Die nimmer doch Gedeihen bringt.
Denn nimmer sproßet ihr der Keim,
Nie treibt der Halm sich himmelan ;
Das warme Leben flieht, wo sie
Umher gestreut der Säemann.

Rückert.

Schnee.

Schneeflocken schweben, sinken,
Rieseln hernieder leis;
Befiederte Sternchen blinken
Auf Wies' und spiegelndem Eis;
Kaum gaukelt eins hernieder,
So decken die andern es dicht,
Kein Aug' erblickt es wieder
Schneeflocken zählen sich nicht.

Wenn du schüttelst deine Locken
Kalter Winter, bärt'ger Alter,
Und zerstreuest deine Flocken
Leicht beschwingt, wie weiße Falter,
Und sie tanzen, wirbeln, schweben
In so kraus verworrnem Leben
So muthwilligem Gedränge,
Daß sich Flock an Flocke hänge,
Alles lautlos, ohne Rauschen,

Gaudy.

Während doch, indem wir lauschen,
Du uns Alles weiß kannst machen
Und entstellest alle Sachen,
Knabenhaar in Silber wandelst,
Weiß des Raben Fittich sandelst,
Weiche Kissen legst auf Stein,
Bäume hüllst in Mäntel ein,
Wandrern unterm Fuße weg
Stiehlst den oft betretnen Weg,
Wer tritt da noch zweifelnd vor,
Dir, o Winter, fehl Humor.

Wie die kleinen Flöckchen
Bei des Windes Weh'n
Hell im weißen Röckchen
Durch einander drehn!
Wechseltänze schlingen

Sie auf luft'gem Plan;
In verworrnen Ringen
Krümmt sich ihre Bahn.
Hast vergebnes Mühen,
Rasches Flöckchen dort;
Spottend dein im Fliehen
Schwebt das Liebchen fort.
Andre, die ersiegen

Sich die holde Braut,
An einander schmiegen
Sie sich sanft und traut.

Aber alle kommen

Endlich hin zur Ruh';
Wann die Sonn' erglommen
Deckt ein Grab sie zu.

Wahres Bild des Lebens!
Der erringt sich Lust,
Jener hascht vergebens,
Bis ihm bricht die Brust.
Doch in einen Hafen
Laufen Alle ein;

In der Erde schlafen

Sie im engen Schrein.

A. Bube.

Wasser.

Waffer umfänget ruhig das All.

Waffer, es fließe nur!
Fließet es von Natur
Felsenab durch die Flur,
Zieht es auf seine Spur
Menschen und Vieh.
Fische, sie wimmeln da,
Vögel, sie himmeln da,
Ihr ist die Fluth,
Die unbeständige,
Stürmisch lebendige;
Daß der Verständige,
Manchmal sie bändige,
Finden wir gut.

Schiller.

Göthe.

Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es
Und wieder nieder

Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.

Göthe.

Ich kann oft Stundenlang am Strome stehen
Wenn ich entflohen aus der Menschen Bann;
Er plaudert hier wie ein erfahrner Mann,
Der in der Welt sich tüchtig umgesehen.
Da schildert er mir seiner Jugend Wehen,
Wie er den Weg durch Klippen erst gewann,
Ermattet dann im Sande schier verrann;
Und jedes Wort fühl ich zu Herzen gehen.
Wie wallt er doch so sicher seine Bahn;
Bei allem Plänkeln, Hin und Wiederstreifen
Vergißt er nie: „Ich muß zum Ocean!“
Du, Seele, nur willst in der Frre schweifen?
O tritt, ein Kind, doch zur Natur heran,
Und lern die Weisheit aus den Wassern greifen!
Herwegh.

Fort schlägst du mit lebenden Pulsen

O Wasser, in's ewige Meer.

Dich nähren die Wunder der Tiefe!
Du säugst mit Lebensathem
Die verlassensten, einsamsten Kinder
zu dir in das lichte Leben hinauf.

Tick.

Tropfen.

Wie ist ein Tropfen doch so klein,
Verglichen dem See da drüben!
Und dennoch wirfst du ihn hinein
So wird der Tropfen ganz allein
Die glatte Fläche trüben.

Wie ist der See so riesengroß,

Dem Tropfen hier verglichen!
Doch reiß nur einen Tropfen los
So zittert gleich der Fluthenschooß
Und fühlt, daß er entwichen.

Adolph Schults.

Quelle.

Die Quelle, die Felsen umschließen
Ich sähe sie gerne entsteh'n:
Sie wird nicht müde zu fließen,
Ich werde so müde zu geh'n.
Bald rinnt über Steine sie helle,
Bald dunkelt sie schattenumringt,
Fänd ich die verschwiegene Stelle
Wo sie dem Granit entspringt!
Da droht mich im Lauf zu stören
Die Felswand, schroff und nackt,
Das wilde Gestrüppe der Föhren,
Der wilde Katarakt.

Schon eil' ich zurück die Pfade,
Da klingt mir's hell in's Ohr;
Die Stimme der schönen Najade
Tönt unter der Welle empor:

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