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Der Abgrund ohne Grund, die Weite sonder Schranken,
Die Rundung ohne Kreis, die Ferne sonder Ziel
Ist ein unendlich Grab der forschenden Gedanken.

Benith und Nadir.

Brockes.

Wo du auch wandelst im Raum, es knüpft kein Zenith und Nadir

An den Himmel dich an, dich an die Are der Welt.
Wie du auch handelst-in dir, es berühre den Himmel
der Wille,

Durch die Are der Welt gehe die Richtung der That!
Schiller.

Ewigkeit.

Als mit dem Unding noch das neue Wesen rung,
Und kaum noch reif die Welt sich aus dem Abgrund
schwung,

Eh' all' das Schwere noch den Weg zum Fall gelernet
Und auf die Nacht des alten Nichts

Sich goß der erste Strom des Lichts,

Warst du so weit als jezt von deinem Quell entfernet.
Und wann ein zweites Nichts wird diese Welt begraben,
Wann von dem ganzen All nichts bleibet als die Stelle,
Wann mancher Himmel noch, von andern Sternen helle,
Wird seinen Lauf vollendet haben,

Wirst du so jung als jeßt, von deinem Tod gleich weit,
Gleich ewig künftig sein, wie heut.

A. v. Haller.

Furchtbares Meer der ernsten Ewigkeit!
Uralter Quell von Welten und von Zeiten!
Unendlichs Grab von Welten und von Zeit!
Beständigs Reich der Gegenwärtigkeit !
Die Asche der Vergangenheit

Ist dir ein Keim von Künftigkeiten.

A. v. Haller.

In einem Augenblick, wenn still der Geist versunken In sich und Welt und Gott, nicht wein- noch schlummertrunken,

Nicht trunken, sondern klar, nicht schlummernd, sondern wach,

Als wie der Sonne Bild im unbewegten Bach. Wann Fern und Nah und Ist und War und Zeit und

Raum

Zergangen ist, als wie in stiller Flut der Schaum;
Wenn du des Lebensbaums entfaltet Blütenprangen
An deinem Busen fühlst von einer Knosp' umfangen;
Wenn Erd und Himmel dir in einen Duft verschwimmt,
Der Stern als Blume blüht, als Stern die Blume glimmt;
In solchem Augenblick, wo wie mit heil'gem Rauschen
Der Strom der Schöpfung geht durch deines Herzens
Lauschen,

Wo du nicht du mehr bist und nichts mehr ist, als du
Und Gott, in dem du bist, dem du dich athmest_zu;
In solchem Augenblick, der wie ein Blick der Augen,
Der Liebesaugen kommt, Besinnung wegzusaugen,
In solchem Augenblick, wer ihn, eh' er geschwunden,
Empfinden konnte, der hat Ewigkeit empfunden.
Und so, wer Ewigkeit empfunden hat einmal,
Hält ewig fest sie, wie der Demant seinen Stral.

Rückert.

Zeit.

Dreifach ist der Schritt der Zeit:

Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
Pfeilschnell ist das Jest entflogen,

Ewig still steht die Vergangenheit.

Über Weltentrümmern

Schläft bewegungslos die Zeit;

Neue Welten schimmern

Zeit gibt ihnen neu Geleit.

Doch auch Zeit muß sinken
In den Schoos des Nichts;
Du, mein Geist, wirst trinken
Ströme ew'gen Lichts.

Schiller.

v. Albertini.

Du Herrscherin auf urgranitnem Throne,
Gottgleiche, ewigalte, unsichtbare,

Noch unbegriffen und noch unbeschrieben,
Sprich, graue Rune, wie viel reihst du Jahre,
Jahrtausende, wie viel um deine Krone?
All' deine Kinder, wo sind sie geblieben?

Zeit, rede, kannst du lieben?

Du kannst nicht lieben; wenn du dieses thätest,
Dann wärst du Gott, du Mutter aller Thaten;
Sein Amt heißt schaffen, deines heißt vernichten.
Gott ließ die Aehren reifen, die du mähtest;
Aus Gottes Händen rollen Weltensaaten,
Aus deinen rollen Weltgeschichten.

Bechstein.

Es ist ein Strom mit schwarzen Riesenwellen,
Der aus den Wolken mächtig niederschießt,
Es kennet niemand seines Ursprungs Quellen,
Das Meer, dahin er brausend sich ergießt.

Dumpf brüllt sein Wasser, wie des Donners Krachen,
Das sich am tausendjähr’gen Felsen bricht;
Auf seinem Nacken trägt er keinen Nachen,
Der beste Segler segelt auf ihm nicht.
Und seine todesschwangern, wilden Wogen
Sie waschen Berg und Thäler langsam los,
Zu stolzen Städten kommt er hingezogen
Und trägt sie fort in seinem tiefen Schooß.
Ihm wehren nicht der Dämme feste Wände,
Der ganzen Menschheit kündigt er den Streit,
Zerstörend, was erschufen Menschenhände,
Und dieser Strom es ist der Strom der Zeit.
F. Löwe.

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Leb' in der Gegenwart! Zu leer ist und zu weit
Der Zukunft Haus, zu groß das der Vergangenheit.
In beiden weißt du nicht den Hausrath einzurichten
Der ungeschehnen und geschehenen Geschichten.
Doch daß die Gegenwart nicht eng dir sei und klein,
Zieh die Vergangenheit und Zukunft mit herein.
Die mögen dir erfüllen und erweitern

Die Wohnung und mit Glanz die dunkle schön erheitern.

Rüdert.

Die Zukunft steht als Sphinx in düstern Fernen
Und schlingt hinab so Menschen wie Geschlechter,
Eh' ihre Räthsel sie zu lösen lernen.
A. W. Schlegel.

Bermauert ist dem Sterblichen die Zukunft

Und kein Gebet durchbohrt den ehrnen Himmel.

Schiller.

Die Zukunft kommt von selbst, beeile nicht die Fahrt! Sogleich Vergangenheit ist jede Gegenwart.

Anablässig, unaufhaltsam

Allgewaltig naht die Zeit.

Thorenwerk, ihr wilde Knaben,

Rückert.

An dem Baum der Zeit zu rütteln,
Seine Last ihm abzustreifen,

Wann er erst mit Blüthen prangt!
Laßt ihn seine Früchte reifen,
Und den Wind die Aeste schütteln;
Selber bringt er euch die Gaben,
Die ihr ungestüm verlangt.

Chamisso.

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