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Esther.

Hier ist kein Ausgang. Reiche Prunkgemächer
Verdoppeln sich in endlos langer Reihe,

Und üb'rall Diener, deren stummes Neigen
Nachahmt die Einsamkeit und all' ihr Schweigen.
Hier ist kein Ausgang, Herr!

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Dünkt dir das schlimm? Und wie nun, wenn's dein Loos,
In eben diesen Zimmern künftig etwa-

Esther

(auf die Mittelthüre zeigend und darauf hingehend).

Hier ist die Thür, durch die ich kam, ich seh's.

König

(sich vor die Thüre stellend).

Nicht eher, bis du Rede mir gestanden!

Wie nun, wenn ich dir sagte: bleib', Hadassa,
Versuch', ob du mich findest, wie ich dich.

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Wohl, du sagst ein Wort,

Das wie ein Zauberstab die Pforten öffnet,

Hier ist kein Zwang.

(Von der Thüre wegtretend.)

10

20

Zu gehen steht dir frei.

Allein du gehst nicht-bleibst.—Glaub' nur, Hadassa,
Du sehnst dich jetzt von hier, doch kaum entfernt,
Wirst du zurück dich sehnen, ja ich weiss.

Die Neigung, die entspringt aus gleichem Trachten,
Ergreift nicht Eins und lässt das Andre frei;
Die Nähe ist ein Nahesein von beiden,

Und was du zufügst, kommt dir auch zu leiden.

(Auf die Mittelthüre zeigend.)

Da draussen ist es laut, des Hofes Schwall.

Hier innen wohnt die Ruhe,

(Auf die Seitenthüre.)

und man denkt,

Man überlegt mit Sammlung und Genuss.

Auch fehlt's an Zeugen nicht der Schicklichkeit.—

(Er klopft in die Hände, Sklaven treten aus der Thüre, und stellen sich zu beiden Seiten. Einer trägt einen goldenen Kranz.)

Sieh nur, man hat sie eingelernt! Sie tragen
Den goldnen Reif, bestimmt für die Gewählte,
Und wissen nicht, dass fruchtlos meine Wahl.
(Den Hauptschmuck nehmend.)

Wie wär's, wenn du versuchtest, wie er steht.

(Da sie abhaltende Bewegung macht, indem er den Kranz wieder abgibt.) Ich wusst' es ja, mir ist kein Glück beschert

Und einsam wall' ich zu des Todes Pforten.

(Esther ergreift schnell den Kranz und setzt ihn aufs Haupt.)

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(Da sie den Kranz wieder abnehmen will.)

Halt! lass ab! berühr' ihn nicht.

Es soll noch nicht Entscheidung sein, noch nicht!
Führt sie hinein, gönnt Ruh zur Ueberlegung,
Ich selbst entferne mich nach jener Seite.
Und wenn nach einer kurzen Stunde Frist

Ich wieder komme und von Neuem frage:
Hadassa!

ΙΟ

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Es ist der Ton entschied.

Nun fort von ihr! Ich selber will sie führen. (Er hat sie umfasst.)

Und was du meinst, vertrau' es meinem Ohr.

(Sie gehen, die Andern folgen.)

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FERDINAND RAIMUND.

[Scherer D. 699. E. II. 314.]

Geboren 1790 zu Wien, lernte anfänglich das Conditorhandwerk, gieng 1808 zum Theater über, zuerst in Pressburg, dann an einigen andern ungarischen Bühnen, 1813 am Josephstädter Theater in Wien, 1817 am Leopoldstädtischen, das er 1828-30 als Direktor leitete. Seitdem gab er 10 Gastrollen in Wien und andern Städten Deutschlands oder lebte zurückgezogen auf seinem Landgut. In einem Anfall von Schwermuth nahm er sich 1836 das Leben. Er schlug gleich mit seinem ersten Volksstück, dem Barometermacher auf der Zauberinsel' 1823 durch. Unter seinen übrigen Stücken dieses Charakters ragen hervor: 'Der Diamant des Geisterkönigs', 'Das Mädchen aus der Feenwelt', 'Der Alpenkönig und der Menschenfeind' und Der Verschwender'. Seine Sämmtlichen Werke' wurden herausgegeben von Glossy und Sauer, 3 Bde., (Wien 1881).

DAS MÄDCHEN AUS DER FEENWELT ODER: DER BAUER ALS MILLIONÄR.

2. Aufzug, VI. Scene.

Die Jugend und Wurzel.

20

(Sechs Pagen und sechs Mädchen weiss gekleidet mit rosenrothen Leibchen, welche sammt den Hüten mit blühenden Rosen verziert sind, tanzen herein, und gruppiren sich, auf beiden Seiten der Thüre. Dann hüpft die Jugend herein, ein weiss kasimirnes kurzes Beinkleid, weiss atlass'ne Weste, mit sibernen Knöpfen, am Kragen mit Rosen garnirt. Rosenrothes Fräckchen, weiss atlass'nen runden Hut mit einem Rosenband. Das Beinkleid am Knie mit silbernen Knöpfen und rosenrothen Bändern gebunden. Sie spricht im hochdeutschen Dialecte, mit einem Anklange 30 des preussichen.)

Jugend. Grüss' Dich der Himmel, Brüderchen! Du nimmst es doch nicht übel, dass ich Dir meine persönliche Aufwartung mache? Wurzel. Das ist ein prächtiger Mensch! Hundsjung und geissnärrisch. Hat mich noch nie geseh'n und gleich Brüderl.

Jugend. Ja, Bruder, ich komme in einer sonderbaren Angelegenheit !

Wurzel. Nun, Bruder, mit was kann ich Dir dienen? (Für sich) Der braucht gewiss ein Geld.

Jugend. Ja, nimm es nicht übel, Brüderchen, aber mit uns ist es aus! Ich bin hier, um Dir meine Freundschaft aufzukündigen. 10 Wurzel. Nun, das wär' nicht übel, Bruder; jetzt lernen wir uns erst kennen, Bruder, und sollen schon wieder böse auf einander seyn; Bruder, das wär' g'fehlt.

Jugend. Haha! Was fällt dir ein,Brüderchen? Fehlgeschossen! Das endigt ja eben unsere Freundschaft, weil wir schon gar zu lange mit einander bekannt sind. Wir sind ja schon zusammen auf die Welt gekommen, weisst Du denn das nicht mehr?

Wurzel. Ja, ja! Ich erinnere mich schon. Nachmittag war's und geregnet hat's auch.

Jugend. Wir sind auch mit einander in die Schule gegangen. 20 Weisst Du denn das auch nicht, wir sind ja auf einer Bank gesessen.

Wurzel. Ist richtig! Auf der Schandbank sind wir gesessen. (Für sich) Ich kenn' ihn gar nicht.

Jugend. Ja freilich ! Sie haben uns ja dadurch zwingen wollen, dass wir etwas lernen sollen.

Wurzel. Nun ja, was das für Sachen waren; aber wir haben nichts dergleichen gethan. O, wir waren ein Paar feine Kerls! (Für sich) Ich habe ihn mein Leben nicht gesehen noch.

Jugend. Und wie wir Beide zwanzig Jahre alt waren, haben wir die 30 ganze Gemeinde geprügelt. O, das war ja prächtig, Brüderchen! Wurzel. O, das war ein Hauptjux! (Für sich) Ich weiss kein Wort davon.

Jugend. Und getrunken haben wir, Bruder, das war mörderisch! Wurzel. O, das war schändlich, Bruder!

Jugend. Ja, und was wir Alles getrunken haben!

Wurzel. Nun, einmal haben wir, glaub' ich, gar einen Wein getrunken-das Verbrechen!

Jugend. Ja, und was für einen !

Wurzel. Einen Luttenberger.

Jugend. Und einen Grinzinger.

Wurzel (für sich). Ist Alles nicht wahr.

Jugend. Du hast mich ja in alle Wirthshäuser herumgeschleppt, wir waren ja alle Tage sternhagelvoll besoffen, kurz, wir waren ein Paar wahre Lumpen.

Wurzel (bei Seite). Er muss doch eine Spur von mir haben, 10 er kennt mich doch. (Laut) Bruder, wir wollen's noch seyn. Schlag ein, Bruderherz!

Jugend. Bruder nein! Jetzt ist es gar. Du musst jetzt solid werden; Du musst Dich um sieben Uhr zu Bette legen; darfst Dir keinen Rausch mehr trinken, kurz, was Du zu thun hast, das wirst Du von einem Andern hören, der Dir Alles pünktlich auseinander setzen wird.

Wurzel. Bruder, was wär' denn das?-Ich keinen Rausch-und das ist das Edelste an mir. Ich bin so gesund, dass ich mit einer Armee raufen könnt'.

Jugend. Ja, Brüderchen, jetzt, so lange ich noch bei Dir bin. (Stark) Doch bei dem ersten Schritt, den ich aus diesem Saal mache, wird Dich die Lust verlassen, auf eine so unedle Weise Dein Schicksal ferner zu versuchen.

20

Wurzel. Ich fange mich völlig zu fürchten an. Auf die Letzt kann mich der Kerl verhexen? Das wäre hantige1 Bruderschaft. Jugend. Also adieu, lieber Bruder. Verzeihe mir, was ich Dir Leides gethan habe, Du lieber, guter Kerl Du! Ich bin gewiss ein fideler Junge, habe es lange genug mit Dir ausgehalten, Du warst mein intimster Freund, aber Du bist gar ein liederliches Tuch, 30 darum lebe wohl, Brüderchen, sei nicht böse auf mich, und sage mir nichts Schlechtes nach.

DUETT.

Jugend. Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Musst mir ja nicht böse seyn !

1 bittere.

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