Page images
PDF
EPUB

2.

AUS: FRAUEN LIEBE UND LEBEN.

Seit ich ihn gesehen,

Glaub' ich blind zu sein;
Wo ich hin nur blicke,

Seh' ich ihn allein;
Wie im wachen Traume

Schwebt sein Bild mir vor,
Taucht aus tiefstem Dunkel

Heller nur empor.

Sonst ist licht- und farblos

Alles um mich her,

Nach der Schwestern Spiele

Nicht begehr ich mehr,
Möchte lieber weinen

Still im Kämmerlein;

Seit ich ihn gesehen,

Glaub' ich blind zu sein.

3.

DIE ALTE WASCHFRAU.

Du siehst geschäftig bei dem Linnen
Die Alte dort in weissem Haar,
Die rüstigste der Wäscherinnen
Im sechsundsiebenzigsten Jahr.

So hat sie stets mit sauerm Schweiss

Ihr Brod in Ehr und Zucht gegessen,

Und ausgefüllt mit treuem Fleiss
Den Kreis, den Gott ihr zugemessen.

Sie hat in ihren jungen Tagen
Geliebt, gehofft und sich vermählt;
Sie hat des Weibes Loos getragen,
Die Sorgen haben nicht gefehlt;
Sie hat den kranken Mann gepflegt;

Sie hat drei Kinder ihm geboren ;
Sie hat ihn in das Grab gelegt

Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.

[ocr errors][merged small][merged small]

Da galt's, die Kinder zu ernähren ;
Sie griff es an mit heiterm Muth,
Sie zog sie auf in Zucht und Ehren,
Der Fleiss, die Ordnung sind ihr Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt,
Entliess sie segnend ihre Lieben,
So stand sie nun allein und alt,
Ihr war ihr heitrer Muth geblieben.

Sie hat gespart und hat gesonnen
Und Flachs gekauft und Nachts gewacht,
Den Flachs zu feinem Garn gesponnen,
Das Garn dem Weber hingebracht;
Der hat's gewebt zu Leinewand.

Die Scheere brauchte sie, die Nadel,
Und nähte sich mit eigner Hand

Ihr Sterbehemde sonder Tadel.

Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es,
Verwahrt's im Schrein am Ehrenplatz;
Es ist ihr Erstes und ihr Letztes,

Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.

Sie legt es an, des Herren Wort
Am Sonntag früh sich einzuprägen ;
Dann legt sie's wohlgefällig fort,
Bis sie darin zur Ruh' sie legen.

Und ich, an meinem Abend, wollte,
Ich hätte, diesem Weibe gleich,
Erfüllt, was ich erfüllen sollte
In meinen Grenzen und Bereich ;

10

20

Ich wollt' ich hätte so gewusst,

Am Kelch des Lebens mich zu laben,

30

Und könnt' am Ende gleiche Lust

An meinem Sterbehemde haben.

JOSEPH VON EICHENDOrff.

[Scherer D. 655, E. II. 271.]

Geboren 1788 auf dem väterlichen Schlosse Lubowitz bei Ratibor, studierte in Halle und Heidelberg die Rechte, lebte dann auf Reisen, besonders in Paris und Wien, machte 1813-15 die Feldzüge zuerst als freiwilliger Jäger, dann als Offizier mit. Nach dem Kriege trat er in den Civildienst, war Regierungsrath zu Danzig und Königsberg, wurde 1831 nach Berlin ins Ministerium der geistlichen Angelegenheiten berufen. Er starb 1857. Die erste Sammlung seiner Gedichte erschien 1837. Ausser seinen Liedern verdienen namentliche Erwähnung sein Roman Ahnung und 10 Gegenwart' 1815, das dramatische Märchen Krieg den Philistern' 1824, und seine Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts' 1826. Seine 'Sämmtlichen poetischen Werke' erschienen in 4 Bänden (Berlin 1842, 3. Aufl. Leipzig 1883), seine Vermischten Schriften' in 5 Bänden (Paderborn 1866).

[ocr errors]
[ocr errors]
[blocks in formation]

2.

MONDNACHT.

Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküsst,

Dass sie im Blüthenschimmer
Von ihm nun träumen müsst'.

Die Luft ging durch die Felder, Die Aehren wogten sacht,

Es rauschten leis die Wälder,

So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,

Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

3.

DAS ZERBROCHENE RINGLEIN.

In einem kühlen Grunde

Da geht ein Mühlenrad,

Mein' Liebste ist verschwunden,

Die dort gewohnet hat.

Sie hat mir Treu versprochen,
Gab mir ein'n Ring dabei,
Sie hat die Treu gebrochen,
Mein Ringlein sprang entzwei.

Ich möcht' als Spielmann reisen

Weit in die Welt hinaus,

Und singen meine Weisen,

Und gehn von Haus zu Haus.

Ich möcht' als Reiter fliegen Wohl in die blut'ge Schlacht, Um stille Feuer liegen

Im Feld bei dunkler Nacht.

ΙΟ

20

30

Hör' ich das Mühlrad gehen :
Ich weiss nicht, was ich will—
Ich möcht' am liebsten sterben,
Da wär's auf einmal still.

4.

DER LETZTE Gruss.

Ich kam vom Walde hernieder,
Da stand noch das alte Haus,
Mein Liebchen, sie schaute wieder

Wie sonst zum Fenster hinaus.

Sie hat einen Andern genommen,

Ich war draussen in Schlacht und Sieg,
Nun ist alles anders gekommen,

Ich wollt, 's wär wieder erst Krieg.

Am Wege dort spielte ihr Kindlein,

Das glich ihr recht auf ein Haar,

Ich küsst's auf sein rothes Mündlein: 'Gott segne dich immerdar!'

Sie aber schaute erschrocken

Noch lange Zeit nach mir hin,

Und schüttelte sinnend die Locken

Und wusste nicht, wer ich bin.

Da droben hoch stand ich am Baume,
Da rauschten die Wälder so sacht,

Mein Waldhorn, das klang wie im Traume
Hinüber die ganze Nacht.

Und als die Vögelein sangen
Frühmorgens, sie weinte so sehr,
Ich aber war weit schon gegangen,
Nun sieht sie mich nimmermehr!

ΙΟ

20

30

« PreviousContinue »