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'In den Tagen der Hoffnung,

'Wenn du sangest, das Ende nie!'

Wie mein Glück ist mein Lied.-Willst du im Abendroth
Froh Dich baden? Hinweg ist's und die Erd' ist kalt,
Und der Vogel der Nacht schwirrt
Unbequem vor das Auge dir.

JOHANN PEter hebel.

[Scherer D. 645, E. II. 262.]

Geboren 1760 zu Basel als Sohn eines armen Webers. Er verlor seine Eltern früh und wurde durch Gönner unterstützt. 1778 studierte er in 10 Erlangen Theologie, 1780 unterrichtete er in einem Dorfe seiner Heimat, 1783 am Pädagogium zu Lörrach, 1791 am Karlsruher Gymnasium, wo er 1798 Professor wurde. Später Kirchenrath und evangelischer Prälat und als solcher Mitglied der ersten Kammer in Baden. Er starb 1826. Seine Alemannischen Gedichte' erschienen 1803; seine prosaischen Erzählungen zuerst im Rheinischen Hausfreund' 1808-11 und dann gesammelt als 'Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes' 1811. Seine Sämmtlichen Werke' wurden herausgegeben von Behaghel (Berlin und Stuttgart, ohne Jahr).

AUS DEM SCHATZKÄSTLEIN DES RHEINISCHEN HAUSFREUNDES. ALLGEMEINE BETRACHTUNG ÜBER DAS WELTGEBÄUDE. Dem geneigten Leser, wenn er zwischen seinen bekannten zo Bergen und Bäumen daheim sitzt bei den Seinigen, oder bei einem Schöpplein im Adler, so ist's ihm wohl, und er denkt just nicht weiter. Wenn aber früh die Sonne in ihrer stillen Herrlichkeit aufgeht, so weiss er nicht, wo sie herkommt, und wenn sie abends untergeht, weiss er nicht, wo sie hinzieht und wo sie die Nacht hindurch ihr Licht verbirgt und auf welchem geheimen Fusspfad sie die Berge ihres Aufgangs wieder findet. Oder wenn der Mond einmal bleich und mager, ein andermal rund und voll durch die Nacht spaziert, er weiss wieder nicht, wo das herrührt, und wenn er in den Himmel voll Sterne hinaufschaut, einer blinkt 30 schöner und freudiger als der andere, so meint er, sie seien alle wegen seiner da, und weiss doch nicht recht, was sie wollen. Guter Freund, das ist nicht löblich, dass man so etwas alle Tage sieht, und fragt nie, was es bedeutet. Der Himmel ist ein grosses

Buch über die göttliche Allmacht und Güte und stehen viel bewährte Mittel darin gegen den Aberglauben und gegen die Sünde, und die Sterne sind die goldenen Buchstaben in dem Buch. Aber es ist arabisch, man kann es nicht verstehen, wenn man keinen Dolmetscher hat. Wer aber einmal in diesem Buch lesen kann, in diesem Psalter, und liest darin, dem wird hernach die Zeit nimmer lang, wenn er schon bei Nacht allein auf der Strasse ist, und wenn ihn die Finfterniss verführen will, etwas Böses zu thun, er kann nimmer.

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's isch wohr, es het e Gsichtli gha, 's verluegti 10 si en Engel dra;

und 's seit mit so 'me freie Muth,

so lieb und süess: 'Haut's Messer gut?"

Und leider hani's ghört und gseh,
und sellemols 11 und nümme meh;
dört ischs an Hag und Hurst 12 verbey,
und witers über Stock und Stei.

Wer spöchtet 13 mer mi Hexli us,
wer zeigtmer siner Mutter Hus?
I lauf no, was i laufe cha,
wer weiss, se triffi's doch no a!

I lauf no alli Dörfer us,

i such und frog vo Hus zu Hus,
und würd mer nit mi Hexli chund,
se würdi ebe nümme gsund.

10

NOVALIS.

[Scherer D. 646, E. II. 263.]

Sein eigentlicher Name war Friedrich von Hardenberg. Geboren 1772 auf dem Familiengut Wiederstedt in der Grafschaft Mansfeld. Studierte 20 1790 in Jena, wo er zu Schiller in Beziehungen trat, dann in Leipzig und Wittenberg. 1794 im Justizdienst zu Tennstädt in Thüringen. Hier verlobte er sich mit der dreizehnjährigen Sophie von Kühn und trat einer baldigeren Anstellung wegen zum Bergfach über. Durch den Tod seiner Braut 1797 verfiel er in eine mystische Richtung, die sich auch seinen Dichtungen aufprägte. 1798 verlobte er sich zum zweiten Male und starb schon 1801. Seine Schriften wurden herausgegeben von Fr. Schlegel und Tieck 2 Bde. (zuerst Berlin 1802), dritter Theil von Tieck und E. v. Bülow (Berlin 1846), Nachlese (2. Aufl. Gotha 1883); Briefwechsel mit Friedrich und August Wilhelm, Charlotte und Caroline Schlegel von Raich (Mainz 1880).

10 verguckte.

11 damals.

12 Strauch. 13 spähet.

30

I.

HYMNEN AN DIE NACHT.

3.

Einst da ich bittre Thränen vergoss, da in Schmerz aufgelöst meine Hoffnung zerrann, und ich einsam stand am dürren Hügel, der im engen, dunkeln Raum die Gestalt meines Lebens barg; einsam, wie noch kein Einsamer war, von unsäglicher Angst getrieben, kraftlos, nur ein Gedanke des Elends noch-wie ich da nach Hülfe umherschaute, vorwärts nicht konnte und rückwärts nicht, und am fliehenden verloschnen Leben mit unendlicher Sehn- 10 sucht hing-da kam aus blauen Fernen, von den Höhen meiner alten Seligkeit ein Dämmerungsschauer, und mit einemmale riss das Band der Geburt des Lichtes Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit, und meine Trauer mit ihr, zusammen floss die Wehmuth in eine neue, unergründliche Welt; du Nachtbegeisterung, Schlummer des Himmels kamst über mich : die Gegend hob sich sacht empor, über der Gegend schwebte mein entbundener, neugeborner Geist. Zur Staubwolke wurde der Hügel, durch die Wolke sah ich die verklärten Züge der Geliebten. In ihren Augen ruhte die Ewigkeit; ich fasste ihre Hände, und die Thränen wurden ein 20 funkelndes, unzerreissliches Band. Jahrtausende zogen abwärts in die Ferne, wie Ungewitter. An ihrem Halse weint' ich dem neuen Leben entzückende Thränen.-Es war der erste, einzige Traum, und erst seitdem fühl' ich ewigen, unwandelbaren Glauben an den Himmel der Nacht und sein Licht, die Geliebte.

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Wer in das Bild vergangner Zeiten
Wie tief in einen Abgrund sieht,

In welchen ihn von allen Seiten
Ein süsses Weh hinunter zieht ;-

Es ist, als lägen Wunderschätze
Da unten für ihn aufgehäuft,

Nach deren Schloss in wilder Hetze
Mit athemloser Brust er greift.

Die Zukunft liegt in öder Dürre
Entzetzlich lang und bang vor ihm,
Er schweift umher, allein und irre,
Und sucht sich selbst mit Ungestüm.

Ich fall' ihm weinend in die Arme : Auch mir war einst, wie dir zu Muth, Doch ich genas von meinem Harme, Und weiss nun, wo man ewig ruht.

Dich muss, wie mich, ein Wesen trösten,
Das innig liebte, litt und starb ;

Das selbst für die, die ihm am wehsten
Gethan, mit tausend Freuden starb.

Er starb, und dennoch alle Tage Vernimmst du seine Lieb' und ihn, Und kannst getrost in jeder Lage Ihn zärtlich in die Arme ziehn.

Mit ihm kommt neues Blut und Leben
In dein erstorbenes Gebein;

Und wenn du ihm dein Herz gegeben,
So ist auch seines ewig dein.

Was du verlorst, hat er gefunden; Du triffst bey ihm, was du geliebt: Und ewig bleibt mit dir verbunden, Was seine Hand dir wiedergiebt.

ΙΟ

20

30

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