FRIEDRICH VON MATTHISSON. [Scherer D. 644, E. II. 260.] Geboren 1761 in Hohendodeleben bei Magdeburg, studierte in Halle, lebte in verschiedenen Stellungen an den Höfen zu Dessau, in Baden und Würtemberg; geadelt. Seit 1824 in Wörlitz bei Dessau, wo er 1831 starb. Seine Gedichte, durch die er sich sehr beliebt machte, erschienen zuerst gesammelt 1787, seine Schriften', Ausgabe letzter Hand, in 8 Bänden (Zürich 1825-29), sein 'Litterarischer Nachlass' in vier Bänden (Berlin 1832). 2. DISTICHEN (aus den Briefen aus Italien). BEIM ANBLICK DER ERSTEN ZYPRESSE. Du, deren schlanke Gestalt zum Aether so nymphenhaft aufschwebt, Nächtlicher Melancholie wardst du mit Unrecht geweiht ! Warum soll Urnen und Grüfte dein liebliches Haar nur umwallen, Und nur durch Todtengebein wurzeln dein mächtiger Fuss? Weil du Hesperiens Gärten mir hold vor die Seele gezaubert, Kränz', o Zypresse! dein Laub heute der Freude Pokal. AN EINE QUElle. Quelle des einsamen Thals, von schirmenden Wipfeln umsäuselt, Wenn auch kein Wandrer dich nennt, wenn auch kein Barde dich pries, Bleibst du dennoch vor allen Gewässern der Erde mir theuer, 10 Wo noch des scheidenden Jahrs Hora mit Blumen sich krönt, 20 O dass die silbernen Alpen erst wieder im Süden mir glänzten! VERGESSENHEIT IM GRAB. Dämmerung hüllt die Gestalt des Todten dem Auge des Freundes, FRIEDRICH HÖLDERLIN. [Scherer D. 645, E. II. 261.] Geboren 1770 zu Lauffen in Würtemberg, studierte 1788 in Tübingen Theologie. Nachdem er Hauslehrer bei Frau von Kalb zu Waltershausen gewesen war, lebte er einige Zeit in Jena, wo er mit Schiller verkehrte. 1796 trat er eine neue Hauslehrerstelle bei einem Bankier zu Frankfurt am Main an. Hier ergriff ihn eine heftige Leidenschaft zu der von ihm als Diotima' besungenen Mutter seiner Zöglinge. In Folge dessen entschloss er sich 1798 Frankfurt zu verlassen und führte seit dem ein ruheloses und mit sich selbst zerfallenes Leben. 1801 gieng er als 10 Hauslehrer nach Bordeaux, kehrte aber bereits 1802 geisteskrank ins mütterliche Haus zurück. Gebessert erhielt er eine Anstellung als Bibliothekar in Homburg. Doch schon 1806 kam sein Wahnsinn zu vollem Ausbruch. Eine Kur in der Irrenanstalt zu Tübingen war erfolglos und seitdem lebte er im Hause eines Tischlers zu Tübingen, wo er 1843 starb. Seine Gedichte' erschienen Stuttgart 1826; 'Sämmtliche Werke', 2 Bde, Stuttgart 1846, eine Auswahl 1874. Doch uns ist gegeben, Wie Wasser von Klippe Zu Klippe geworfen, Jahrlang ins Ungewisse hinab. 2. DIE NACHT. Fragment. Rings um ruhet die Stadt, still wird die erleuchtete Gasse, Und mit Fackeln geschmückt, rauschen die Wagen hinweg. Satt gehn heim, von Freuden des Tags zu ruhen, die Menschen, Und Gewinn und Verlust wäget ein sinniges Haupt Wohl zufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen, Und von Werken der Hand ruht der geschäftige Markt. Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vielleicht, dass Dort ein Liebender spielt, oder ein einsamer Mann Ferner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die Brunnen, Immerquillend und frisch, rauschen an duftendem Beet. Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Glocken, Und der Stunden gedenk rufet ein Wächter die Zahl. Jetzt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf, 3. DIE KÜRZE. 'Warum bist du so kurz? liebst du wie vormals denn 'Nun nicht mehr den Gesang? fand'st du als Jüngling doch 10 20 30 |