Ich habe weder Schriftliches noch Worte, Noch Würd' und Vortrag, noch die Macht der Rede, Nur gradezu, und sag' euch, was ihr wisst. Statt meiner reden. Aber wär' ich Brutus, Die Steine Roms zum Aufstand würd' empören. Noch hört mich, meine Bürger, hört mich an! Bürger. Still da! Hört Mark Anton! den edlen Mark Anton ! Antonius. Nun Freunde, wisst ihr selbst auch, was ihr thut? Wodurch verdiente Cäsar eure Liebe? Ach nein ihr wisst nicht.-Hört es denn! Vergessen Habt ihr das Testament, wovon ich sprach. Bürger. Wohl wahr! Das Testament! Bleibt, hört das Testament ! Antonius. Hier ist das Testament mit Cäsars Siegel. Darin vermacht er jedem Bürger Roms, Auf jeden Kopf euch fünf und siebzig Drachmen. Zweiter Bürger. O edler Cäsar!-Kommt, rächt seinen Tod! Auch lässt er alle seine Lustgehege, Das war ein Cäsar: wann kommt seines Gleichen? Erster Bürger. Nimmer! nimmer !-Kommt! hinweg! hinweg! Nun wirk' es fort. Unheil, du bist im Zuge : Nimm, welchen Lauf du willst !— 10 20 30 FRIEDRICH SCHLEGEL. [Scherer D. 635, E. II. 251.1 Geboren 1772 zu Hannover, zuerst für den Kaufmannsstand bestimmt, studierte dann in Göttingen und Leipzig Philologie, lebte dann abwechselnd in Dresden, Berlin und Jena. 1800-1802 Privatdocent in Jena, 1802-1804 in Paris, wo er hauptsächlich indischen Studien oblag; trat dann in Cöln zur katholischen Kirche über; 1808 nahm er seinen Wohnsitz in Wien, wo er als Hofsecretär bei der Staatskanzlei angestellt wurde, 1815-1818 Legationsrath beim Bundestag in Frankfurt am Main. Starb 1829 in Dresden, wo er sich aufhielt, um Vorlesungen zu halten. Friedrich Schlegel war vorzugs- 10 weise der Theoretiker der älteren Romantik. Von seinen Dichtungen ist am charakteristischen sein Roman 'Lucinde' 1799. Seine Schrift 'Ueber die Sprache und Weisheit der Inder', die den indischen Studien in Deutschland Bahn brach, erschien 1808; seine Vorlesungen über Geschichte der alten und neuen Literatur' 1815. Eine vermehrte Auflage seinen Sämmtlichen Werke' erschien in 15 Bänden (Wien 1846); seine prosaischen Jugendschriften gab Minor heraus, 2 Bde. (Wien 1882). Trauer, doch in linden Wellen, Die uns locken, durch die Wogen. Drang des Lebens aus der Hülle, Windes Rauschen, Gottes Flügel, Schwingt sich des Gedankens Macht, Den Gesang der Geister brausen. 2. AUS DEN KRITISCHEN FRAGMENTEN. 10 20. Eine classische Schrift muss nie ganz verstanden werden können. Aber die, welche gebildet sind und sich bilden, müsten immer 20 mehr draus lernen wollen. 23. In jedem guten Gedicht muss alles Absicht, und alles Instinkt seyn. Dadurch wird es idealisch. 63. Nicht die Kunst und die Werke machen den Künstler, sondern der Sinn und die Begeisterung und der Trieb. 73. Was in gewöhnlichen guten oder vortrefflichen Uebersetzungen verlohren geht, ist grade das Beste. 30 74. Es ist ummöglich, jemanden ein Aergerniss zu geben, wenn ers nicht nehmen will. 81. Es hat etwas Kleinliches, gegen Individuen zu polemisiren, wie der Handel en detail. Will er die Polemik nicht en gros treiben, so muss der Künstler wenigstens solche Individuen wählen, die klassisch sind, und von ewig dauerndem Werth. Ist auch das nicht möglich, etwa im traurigen Fall der Nothwehr: so müssen die Individuen, Kraft der polemischen Fikzion, so viel als möglich zu Reprä- 10 sentanten der objektiven Dummheit und der objektiven Narrheit idealisirt werden: denn auch diese sind, wie alles Objektive, unendlich interessant, wie der höhern Polemik würdige Gegenstände seyn müssen. 117. Poesie kann nur durch Poesie kritisirt werden. Ein Kunsturtheil, welches nich selbst ein Kunstwerk ist, entweder im Stoff, als Darstellung des nothwendigen Eindruks in seinem Werden, oder durch eine schöne Form, und einen im Geist der alten römischen Satire liberalen Ton, hat gar kein Bürgerrecht im Reiche 20 der Kunst. 3. AUS DEN FRAGMENTEN. 31. Prüderie ist Prätension auf Unschuld, ohne Unschuld. Die Frauen müssen wohl prüde bleiben, so lange Männer sentimental, dumm und schlecht genug sind, ewige Unschuld und Mangel an Bildung von ihnen zu fodern. Denn Unschuld ist das Einzige, was Bildungslosigkeit adeln kann. 88. Es giebt Menschen, deren ganze Thätigkeit darin besteht, 30 'immer Nein zu sagen. Es wäre nichts kleines, immer recht Nein sagen zu können, aber wer weiter nichts kann, kann es gewiss nicht recht. Der Geschmack dieser Neganten ist eine tüchtige |