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Er wächst nicht überall im deutschen Reiche;
Und viele Berge, hört,

Sind, wie die weiland Creter, faule Bäuche,
Und nicht der Stelle werth.

Thüringens Berge zum Exempel bringen
Gewächs sieht aus wie Wein;

Ist's aber nicht. Man kann dabei nicht singen,
Dabei nicht fröhlich sein.

Im Erzgebirge dürft Ihr auch nicht suchen,
Wenn Ihr Wein finden wollt.

Das bringt nur Silbererz und Koboltkuchen,
Und etwas Lausegold.

Der Blocksberg ist der lange Herr Philister,
Er macht nur Wind wie der ;

Drum tanzen auch der Kuckuck und sein Küster
Auf ihm die Kreuz und Quer.

Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben;
Gesegnet sei der Rhein!

Da wachsen sie am Ufer hin, und geben

Uns diesen Labewein.

So trinkt ihn denn, und lasst uns alle Wege
Uns freun und fröhlich sein!

Und wüssten wir wo jemand traurig läge,

Wir gäben ihm den Wein.

2.

EINE CORRESPONDENZ ZWISCHEN MIR UND MEINEM VETTER, ANGEHEND DIE ORTHODOXIE UND RELIGIONSVER

BESSERUNGEN.

Hochgelahrter,

Hochzuehrender Herr Vetter!

Ich habe seit einiger Zeit so viel von biblischer und vernünftiger Religion, von orthodoxen und philosophischen Theologen &c. ge

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hört, dass mir alles im Kopf rund um geht, und ich nicht mehr weiss, wer Recht und Unrecht hat. Die Religion aus der Vernunft verbessern, kömmt mir freilich eben so vor, als wenn ich die Sonne nach meiner alten hölzernen Hausuhr stellen wollte; aber auf der andern Seite dünkt mir auch die Philosophie 'n gut Ding, und vieles wahr, was den Orthodoxen vorgeworfen wird. Der Herr Vetter thut mir einen wahren Gefallen, wenn Er mir die Sach' aus einander setzt. Sonderlich ob die Philosophie ein Besen sei, den Unrath aus dem Tempel auszukehren; und ob ich meinen Hut tiefer vor einem orthodoxen oder philosophischen Herrn Pastor 10 abnehmen muss. Der ich die Ehre habe mit besonderem Estim zu verharren,

Meines Hochgelahrten,

Hochzuehrenden Herrn Vetters

gehorsamer Diener und Vetter
ASMUS.

Lieber Vetter,

ANTWORT.

Die Philosophie ist gut, und die Leute haben Unrecht, die ihr so gar Hohn sprechen; aber Offenbarung verhält sich nicht zu Philo- 20 sophie wie viel und wenig, sondern wie Himmel und Erde, Oben und Unten! Ich kann's Ihm nicht besser begreiflich machen, als mit der Seekarte, die Er von dem Teich hinter seines sel. Vaters Garten gemacht hatte. Er pflegte gern auf dem Teich zu schiffen, Vetter, und hatte sich deswegen auf seine eigne Hand eine Karte von allen Tiefen und Untiefen des Teichs gemacht, und darnach schiffte er nun herum, und 's gieng recht gut. Wenn nun aber ein Wirbelwind, oder die Königin von Otahite, oder eine Wasserhose Ihn mit seinem Kahn und mit seiner Karte aufgenommen und mitten auf dem Ocean wieder niedergesetzt hätte, Vetter, und Er 30 wollte hier nun auch nach seiner Karte schiffen, das gienge nicht. Der Fehler ist nicht an der Karte, für den Teich war sie gut; aber der Teich ist nicht der Ocean, sieht Er. Hier müsste Er sich eine andre Karte machen, die aber freilich ziemlich in Blanco bleiben würde, weil die Sandbänke hier sehr tief liegen. Und, Vetter, schifft

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hier nur immer grade zu; aufn Meerwunder mögt Ihr stossen, auf den Grund stosst Ihr nicht.

Hieraus mögt Ihr nun selbst urtheilen, wie weit die Philosophie ein Besen sei, die Spinnweben aus dem Tempel auszufegen. Sie kann auf gewisse Weise 'n solcher Besen sein, ja; mögt sie auch einen Hasenfuss nennen, den Staub von den heiligen Statuen damit abzukehren. Wer aber damit an den Statuen selbst bildhauen und schnitzen will, seht, der verlangt mehr von dem Hasenfuss als er kann, und das ist höchst lächerlich und ärgerlich anzusehen. Paulus, der vieles in der Welt versucht hatte, der auch 'n Sadducäer und 10 Fort Esprit gewesen und hernach eines andern war belehrt worden, bei allem seinen Enthusiasmus für das neue System, doch aber in seinem Brief an die Römer die Dialektik noch so gut treibt und versteht als einer: dieser alte erfahrne Mann sagt, und bringt darauf seine alten Tage in viel Arbeit und Fährlichkeit zu, und lässt sich fünfmal vierzig Streiche weniger Eins darauf geben, das der Friede Gottes höher sei denn alle Vernunft !' Und so 'n Gelbschnabel will raisonniren.

Dass das Christenthum alle Höhen erniedrigen, alle eigne Gestalt und Schöne, nicht wie die Tugend mässigen und ins Gleis 20 bringen, sondern wie die Verwesung gar dahinnehmen soll, auf dass ein Neues daraus werde: das will freilich der Vernunft nicht ein; das soll es aber auch nicht, wenn's nur wahr ist. Wenn dem Abraham befohlen ward aus seinem Vaterlande und von seiner Freundschaft und aus seines Vaters Hause auszugehen in ein Land, das ihm erst gezeigt werden sollte; meinst Du nicht, dass sich sein natürlich Gefühl dagegen gesträubt habe, und dass die Vernunft allerhand gegründete Bedenklichkeiten und stattliche Zweifel dagegen hätte vorzubringen gehabt? Abraham aber glaubte aufs Wort, und zog aus. Und es ist und war kein anderer Weg; denn aus Haran konnte 30 er das gelobte Land nicht sehen, und Niebuhr's Reisebeschreibung war damals noch nicht heraus. Hätte sich Abraham mit seiner Vernunft in Wortwechsel abgegeben, so wäre er sicherlich in seinem Vaterlande und bei seiner Freundschaft geblieben, und hätte sich's wohl sein lassen. Das gelobte Land hätte nichts dabei verloren, aber er wäre nicht hineingekommen. Seht, Vetter, so ist's, und so steht's in der Bibel.

Da also die heiligen Statuen durch die Vernunft nicht wieder hergestellt werden können; so ist's patriotisch, in einem hohen Sinn des Worts, die alte Form unverletzt zu erhalten, und sich für ein Tüttel des Gesetzes todt schlagen zu lassen. Und wenn das ein orthodoxer Herr Pastor heisst; so könnt Ihr für so einen den Hut nicht tief genug abnehmen. Sie heissen aber noch sonst was orthodox.

Nun lebt wohl, lieber Vetter, und wünscht Frieden, lasst Euch übrigens aber den Streit und das Feldgeschrei kein Haar nicht krümmen, und braucht die Religion klüger als sie.-Da steht mir 10 Potiphar's Weib vor Augen! Du kennst doch die Potiphar? Diese sanguinische und rheumatische Person packte den Mantel, und Joseph flohe davon. Ueber das Point saillant, über den Geist der Religion kann nicht gestritten werden, weil den, nach der Schrift, niemand kennt als der ihn empfähet, und denn nicht mehr Zeit zu zweifeln und zu streiten ist.

In Summa, Vetter, die Wahrheit ist ein Riese der am Wege liegt und schläft; die vorüber gehen, sehn seine Riesengestalt wohl, aber ihn können sie nicht sehen, und legen den Finger ihrer Eitelkeit vergebens an die Nase ihrer Vernunft. Wenn er den Schleier 20 wegthut wirst Du sein Antlitz sehen. Bis dahin muss unser Trost sein, dass er unter dem Schleier ist, und gehe Du ehrerbietig und mit Zittern vorüber, und klügle nicht, lieber Vetter &c.

JOHANN GEORG JACOBI.

[Scherer D. 513, E. 127.]

Geboren 1740 zu Düsseldorf, studierte in Göttingen und in Helmstadt Theologie, starb als Professor der schönen Wissenschaften zu Freiburg 1814. Er gab 1774-1776 die poetische Zeitschrift Iris heraus, zu der auch Goethe Beiträge lieferte, und manche seiner hier erschienenen Gedichte wurden Goethe untergeschoben. Seine Sämmtlichen Werke' erschienen in 8 Bänden 30 (Zürich 1807-22). Ungedruckte Briefe von und an J. G. J.' gab Martin heraus (Strassburg 1874).

IM SOMMER.

Wie Feld und Au

So blinkend im Thau!

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Geboren 1742 in Darmstadt, studierte Naturwissenschaften in Göttingen, bildete sich auf Reisen, namentlich in England. Seit 1770 Professor in Göttingen, wo er 1799 starb. Ausgezeichneter satirischer Schriftsteller. Bekannt sind seine Erklärungen der Hogarthschen Kupferstiche. Eine 20 Sammlung seiner Aufsätze erschien nach seinem Tode unter dem Titel 'Vermischte Schriften', 9 Bde. (Göttingen 1800-1805).

NACHRICHTEN UND BEMERKUNGEN DES VERFASSERS ÜBER

SICH SELBST'.

1. Character einer mir bekannten Person.

Ihr Körper ist so beschaffen, dass ihn auch ein schlechter Zeichner im Dunkeln besser zeichnen würde, und stände es in ihrem Vermögen, ihn zu ändern, so würde sie manchen Theilen weniger Relief geben. Mit seiner Gesundheit ist dieser Mensch, ohnerachtet

1 Diese Ueberschriften rühren nicht von Lichtenberg, sondern von den Herausgebern seiner Werke her.

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