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Also sieht ein wallender Seraph der blühenden Erde
Halbunkenntliches Antlitz an Frühlingsabenden liegen,
Wenn der Abendstern am einsamen Himmel heraufgeht,
Und, ihn anzuschaun, aus der dämmernden Laube den Weisen
Herwinkt. Endlich redte nach langer Betrachtung der Seraph:

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O du, dessen Allwissenheit sich durch die Himmel verbreitet, Der du mich hörest, obgleich dein Leib von Erde da schlummert, Deine Befehle richtet' ich alle mit eilender Sorg' aus! Als ich es that, eröffnete mir der erste der Menschen, Wie er, dein Antlitz zu sehn, erhabener Mittler, sich sehne. Jetzo will ich, so hats dein grosser Vater geboten ! Wieder von hier, die Versöhnung mit zu verherrlichen, eilen. Schweiget indess, o nahe Geschöpfe! die flüchtigsten Blicke Dieser eilenden Zeit, da euer Schöpfer noch hier ist, Müssen theurer euch seyn, als jene Jahrhunderte, die ihr Euren Menschen mit ämsiger, reger Sorge gedient habt. Schweig, Getöse der Luft, in dieser Oede der Gräber, Oder erhebe dich sanft mit stillem bebenden Säuseln. Und du, nahes Gewölk, o senke du tiefere Ruhe

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In die kühlenden Schatten aus deinen Schössen herunter.
Rausche nicht, Ceder, und schweig, o Hain, vor dem schlummernden
Schöpfer.

Also verlor sich mit sorgsamem Ton des Unsterblichen Stimme.
Und er eilete zu der Versammlung der heiligen Wächter,
Die, Vertraute der Gottheit und ihrer verborgneren Vorsicht,

In geheimer Stille mit ihm die Erde beherrschen.
Diesen sollt' er noch jetzo, eh er sich erhübe zur Sonne,
Jenes Verlangen der seligen Geister, die nahe Versöhnung,
Und den zweyten, den Sabbath des grossen Geopferten, kund thun.
Der du nach Gabriel jetzo den Kreis der Erlösung beherrschest,
Göttlicher Hüter der Mutter so vieler unsterblicher Kinder,
Die sie, wie ihre Begleiter, die schnellen Jahrhunderte, eilend
Und unerschöpflich an Fülle den höheren Gegenden sendet,
Dann zertrümmert die Hütte des ewigen Geistes hinabgräbt
Unter Hügel, auf denen der fliehende Wandrer nicht ausruht ;
O du dieser einst verherrlichten Erde Beschützer,

Seraph Eloa, verzeih es deinem künftigen Freunde,

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Wenn er deine Wohnung seit Edens Schöpfung verborgen,
Von der Sängerin Sions gelehrt, den Sterblichen zeiget.
Hat er in tiefe Gedanken sich je, voll einsamer Wollust,
Und in die hellen Kreise der stillen Entzückung verloren ;
Hat mit Gedanken der Geister sich sein Gedanke vereinigt,
Und die enthülltere Seele der Himmlischen Rede vernommen :
O so hör' ihn, Eloa, wenn er, wie die Jugend des Himmels,
Kühn und erhaben, nicht singt verschwundene Grösse des Menschen,
Sondern des Todes Geweihte; der Auferstehung Geweihte

Zu der Versammlung der Himmlischen führt, zu dem Rathe der 10
Wächter.

In dem stillen Bezirk des unbetrachteten Nordpols

Ruhet die Mitternacht einsiedlerisch, säumend; und Wolken
Fliessen von ihr, wie ein sinkendes Meer, unaufhörlich herunter.
So lag, unter der Finsterniss Gottes von Moses gerufen,
Einst der Strom Aegyptus, in vierzehn Ufer gedränget,
Und ihr, ewige Pyramiden, der Könige Gräber.

Niemals hat noch ein Auge, von kleineren Himmeln umgränzet,
Diese Gefilde gesehn, die in nächtlicher Stille ruhen
Unbewohnt, und wo von des Menschen Stimme kein Laut tönt,
Wo sie keinen Todten begruben, und keiner erstehn wird.
Aber, tiefen Gedanken geweiht, und ernster Betrachtung,
Machen sie Seraphim herrlich, indem auf ihren Gebirgen,
Gleich Orionen sie wandeln, und, in prophetische Stille
Sanft verloren, der Sterblichen künftige Seligkeit anschaun.
Mitten in diesem Gefild' erhebt sich die englische Pforte,
Die der Erde Beschützer zu ihrem Heiligthum einführt.

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Wie zu der Zeit, wenn der Winter belebt, ein heiliger Festtag Ueber beschneyten Gebirgen nach trüben Tagen hervorgeht; Wolken und Nacht entfliehen vor ihm, die beeisten Gefilde, Hohe durchsichtige Wälder entnebeln ihr Antlitz, und glänzen: 30 So ging Gabriel jetzt auf den mitternächtlichen Bergen, Und schon stand des Unsterblichen Fuss an der heiligen Pforte, Welche vor ihm, wie rauschender Cherubim Flügel, sich aufthat, Hinter ihm wieder mit Eile sich schloss. Nun wandelt der Seraph In der Erd' Abgründen. Da wälzten sich Oceane

Ringsum, langsamer Flut, zu menschenlosen Gestaden.

Alle Söhne der Oceane, gewaltige Ströme

Flossen, wie Ungewitter sich aus den Wüsten heraufziehn,
Tiefauftönend ihm nach. Er ging, und sein Heiligthum zeigte
Sich ihm schon in der Nähe. Die Pfort' erbauet von Wolken
Wich ihm aus, und zerfloss vor ihm, wie in himmlische Schimmer.
Unter dem Fusse des Eilenden zog sich flüchtige Dämmrung
Wallend weg. Nah hinter ihm an den dunkeln Gestaden
Blieb es in seinem Tritte zurück, wie wehende Flammen.
Und der Unsterbliche war zu der Engelversammlung gekommen.
Da, wo ferne von uns zu der Mitte die Erde sich senket,
Wölbt sich in ihr ein weiter Bezirk voll himmlischer Lüfte.
Dort schwebt leise bewegt, und bekrönt mit flüssigem Schimmer,
Eine sanftere Sonne. Von ihr fliesst Leben und Wärme
In die Adern der Erd' empor. Die obere Sonne
Bildet mit dieser vertrauten Gehülfin den blumigen Frühling,
Und den feurigen Sommer, vom sinkenden Halme belastet,
Und den Herbst auf Traubengebirgen. In ihren Bezirken
Ist sie niemals auf, und niemals untergegangen.

Um sie lächelt in röthlichen Wolken ein ewiger Morgen.
Unterweilen thut, der alle Himmel erfüllet,

ΙΟ

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Seine Gedanken den Engeln daselbst durch Zeichen in Wolken
Wunderbar kund; dann erscheinen vor ihnen die Folgen der Vorsicht.
Also entdeckt sich Gott, wenn nach wohlthätigen Wettern
Ueber besänftigten Wolken der Himmelsbogen hervorgeht,

Und dir, Erde, den Bund, und die Fruchtbarkeit Gottes verkündigt.
Gabriel liess jetzo auf dieser Sonne sich nieder,

Die, ungesehen von uns, die innere Fläche der Erde,

Und, was dort Lebendigkeit athmet, mit bleibendem Strahl labt.
Also unsers Mondes Gefährt. Wir sehn ihn nicht wallen;
Denn ihm entquillt nur dämmernder, bald versiegender Schimmer, 30
Auch verfinstert er nicht, so locker vereinte sein Stoff sich:
Aber die Menschen im Hesperus sehn, die im Jupiter sehn ihn.
Also der hohe Saturn. Der himmlischen Aehre Bewohner
Sehen des mondumwimmelten Sterns weitkreisenden Lauf nicht.
Um den Seraph versammelten sich die Beschützer der Völker,
Engel des Kriegs und des Todes, die im Labyrinthe des Schicksals
Bis zu der göttlichen Hand den führenden Faden begleiten;

Die in Verborgnem über die Thaten der Könige herrschen,
Wenn sie damit triumphirend, als ihrer Schöpfung, sich aufblähn.
Dann die Hüter der Tugendhaften, der wenigen Edlen,
Die in seiner Entfernung den denkenden Weisen begleiten,
Wenn er das Menschengewebe der Erdeseligkeit fliehet,
Und die Bücher der ewigen Zukunft betend eröffnet.
Auch sind sie oft insgeheim bey einer Versammlung zugegen,
Wo der feurige Christ die Herabkunft Gottes empfindet,
Wenn ein brüderlich Volk, durch das Blut des Bundes geheiligt,
Vor dem Versöhner der Menschen in Jubellieder sich ausgiesst. 10
Wenn die Seelen entschlafner Christen ihr todtes Antlitz,
Und den Schweiss, und die traurigen Züge des siegenden Todes,
Und die bezwungne Natur auf ihrem Leichnam erblicken;
So empfangen sie diese Gefährten mit tröstendem Anblick:
Lieber, wir wollen dereinst die Trümmern alle versammeln!
Eben diese Wohnung der Sterblichkeit, diese Gebeine,
Welche die Hand des gewaltigen Todes so traurig entstellt hat,
Soll mit dem Morgen des Richters zur neuen Schöpfung erwachen.
Kommt, zukünftige Bürger des Himmels, helleres Anschaun,
Siehe, der Erste der Ueberwinder erwartet euch, Seelen!

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Auch die Seelen, die zarten, nur sprossenden Leibern entflohen, Sammelten sich um den Seraph herum. Sie flohen noch sprachlos, Mit der Kindheit zärtlichem Weinen. Ihr schüchternes Auge Hatte kaum staunend erblickt der Erde kleine Gefilde; Darum durften sie sich auf der Welten furchtbaren Schauplatz, Noch ungebildet, so bald hervorzutreten nicht wagen. Ihre Beschützer geleiten sie zu sich, und lehren sie reizend, Unter beseelender Harfen Klang', in lieblichen Liedern :

Wie, und woher sie entstanden; wie gross die menschliche Seele Von dem vollkommensten Geiste gemacht sey; wie jugendlich 30 heiter

Sonnen und Monde nach ihrer Geburt zu dem Schöpfer gekommen.
Euch erwarten vollendete Väter! Herrliches Anschaun
Eures Erbarmers erwartet euch dort am ewigen Throne!
Also lehren sie diese der Weisheit würdigen Schüler,
Jener erhabneren Weisheit, nach deren flüchtigem Schatten,
Durch ihr Glänzen geblendet, die irren Sterblichen eilen.

Jetzo hatten sie alle die schimmernden Lauben verlassen,
Und sich zu ihren Vertrauten, der Erde Hütern, versammelt.
Gabriel that jetzo der ganzen Geisterversammlung

Alles das kund, was Gott ihm befahl vom Messias zu sagen.
Diese blieb, wie entzückt, um den hohen göttlichen Lehrer,
Senkte froh die Gedanken in tiefe Betrachtungen nieder.

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Aber ein liebenswürdiges Paar, zwo befreundete Seelen,
Benjamin und Jedidda umarmten einander, und sprachen:
Ist das nicht, o Jedidda, der holde vertrauliche Lehrer?
Ists nicht Jesus, von welchem der Seraph es alles erzählte?
Ach ich weiss es noch wohl, wie er uns inbrünstig umarmte,
Wie er uns an die klopfende Brust mit Zärtlichkeit drückte.
Eine getreue Zähre der Huld, die seh' ich noch immer,
Netzte sein Antlitz, ich küsste sie auf, die seh' ich noch immer!
Benjamin, und da sagt' er zu unsern umstehenden Müttern:
Werdet wie Kinder, sonst könnt ihr das Reich des Vaters nicht erben.
Ja, so sagt' er, Jedidda. Und der ist unser Erlöser;

Durch den sind wir so selig! Umarme deinen Geliebten !
Also besprachen sie sich mit Zärtlichkeit unter einander.

Der Feyer

Gabriel aber erhub sich zur neuen Bothschaft.
Festlicher Glanz floss über den Fuss des Unsterblichen nieder.
Also sehen der Erde Tag die Bewohner des Mondes,
Ihren Nächten zu leuchten, in stiller thauender Wolke,
Auf die Gipfel ihrer Gebirge herunterwallen.

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Also geschmückt stand Gabriel auf, und, unter dem Nachruf
Jauchzender Engel und Seelen, betrat er den freyeren Luftkreis.
Rauschend, wie Pfeile vom silbernen Bogen, zum Siege beflügelt,
Flieget er neben Gestirnen vorbey, und eilt zu der Sonne.
Und schon sinket er schwebend auf ihren Tempel herunter.
Auf der Zinne des Tempels fand er die Seelen der Väter,
Die unverwandt den suchenden Blick mit den Strahlen vereinten,
Welche den weckenden Tag in die Thäler Kanaans sandten.
Unter den Vätern war einer von hohen denkendem Ansehn,
Adam, der Sohn der erwachenden Erd', und der Bildungen Gottes.
Gabriel, er, und der Sonne Beherrscher erwarteten sehnend,
Unter Gesprächen vom Heil der Menschen, des Oelbergs Anblick.

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