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Nur Freiheits-Schwert ist Schwert für das Vaterland!

Wer Freiheits-Schwert hebt, flammt durch das Schlachtgewühl, Wie Blitz des Nachtsturms!-Stürz' von deinem

Throne, Tyrann, dem Verderber Gottes!

O Namen! Namen, festlich wie Siegsgesang!
Tell! Herrmann! Klopstock! Brutus! Timoleon!
O ihr, wem freie Seele Gott gab,

Flammend in's eherne Herz gegraben!

2.

WARNUNG.

Klage nicht einer, dem des Weibes Liebe

In dem häuslichen Schatten freundlich lächelt,

Ob auch Wog' auf Woge des Jammers Fluthen
Ueber ihn strömten !

Ach, er versinkt nicht! Wie der Frühe Thränen
Vor der steigenden Sonne schnell versiegen,

So versiegen Fluthen des Jammers vor dem
Lächeln der Liebe.

Glückliche, fühlet, welches Glück euch Gott gab!
O, begrüsset den Tag mit Freudenthränen,

Wenn sein junges purpurnes Licht des Weibes
Schlummer verkläret.

Glückliche, fühlet, welches Glück euch Gott gab!
Freudeweinend begrüsst den stillen Abend,

Eh' ihr sanft im wankenden Schein der Lampe
Neben ihr schlummert.

Schauet mich an! denn glücklicher war keiner!
Was ein Bettler sich träumt, ein Kaiser missbraucht,
War wie schlechte, fliegende Spreu bei meiner
Fülle zu achten!

Denn Du warst mein, Du Süsse! mein, Du Traute!
Du Holdselige, mein, mit Taubenaugen!

Mein das liebevollste der liebevollen
Weiblichen Herzen!

ΙΟ

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Sinnend und freundlich, aus der Liebe Kunkel
Spann sie glänzende Faden meiner Wonne ;

Und die Tage glitten im Strom des Lebens,

Wellchen auf Wellchen.

Wellchen auf Wellchen trieb den kleinen Nachen,
Wo selbander mit mir die Holde schwebte;
Blickt' ich seitwärts, siehe, so zeigten helle
Wellchen ihr Antlitz.

Seliger war nicht Einer!-doch vermass sich
Manches Wunsches der Thor, und spannte Segel
Manchem Lüftchen täuschender Hoffnung, spähte
Rechtshin und linkshin.

Siehe, da holte Gott in schnellem Wetter
Seine Agnes von ihm!-Nun steht er einsam

Auf der Scheiter', starret umher, und rufet

Worte der Warnung:

Glückliche, fühlet, welches Glück euch Gott gab!

Preisend öffnet den Blick, und schliesst ihn preisend!

Schliesst das Narrenpförtchen des eitlen Herzens

Jeglichem Wunsche!—

Vater der Liebe, den die Thräne sühnet,

Lass mich weinen, so lang mein Auge schauet!
Wenn's im Tode brechend erlischt, so führe
Agnes zu Dir mich !

3.

AN DIE NATUR.

Süsse, heilige Natur,

Lass mich geh'n auf deiner Spur,
Leite mich an deiner Hand,
Wie ein Kind am Gängelband!

Wenn ich dann ermüdet bin,

Sink' ich dir am Busen hin,

1 dem gescheiterten Schiff, Wrack.

ΙΟ

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30

Athme süsse Himmelslust,
Hangend an der Mutterbrust.

Ach! wie wohl ist mir bei dir!
Will dich lieben für und für;
Lass mich geh'n auf deiner Spur,
Süsse, heilige Natur!

CHR. VON STOLBERG.

4.

DER TOD.

An meinen Bruder.

Tönet Dir, tönt Dir ohne Täuschung, lieblich
Wie der Nachtigall Lied, des Todes Name,

Und wird Dir sein rauschender naher Fittig
Schwanenflug tönen?

Blumen umkränzen, wie sie Dir nur blühen,
Deine wallenden Locken, und den Becher,

Den mit Götterwein die Natur Dir immer
Schäumender anfüllt:

Blumen des Bachs, der Wiese, pflückt die Freundschaft
Dir, den stolzeren Lorbeer Dir die Muse,

Bald auch wird (schon röthelt ihr Rosenknöspchen!)

Liebe Dich kränzen.

Aber, o wähnst Du, dass der Liebe Rose,

Selbst der süssesten Liebe, wenn nun endlich,

Athemlos, mit schmachtendem, feuchten Auge,
Bebenden Lippen,

Die sich zu matten, halbgeküssten Küssen

Kaum zu schliessen vermögen, ach an Deinem
Trunknen Busen, sie, die Du liebest, die Dich

Liebet, dahin sinkt;

Wähnst Du, sie dufte, diese Rose, stärker

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Als das Rankengewebe, das, mit tausend

Armen, uns, und kräuselnden Sprossen, fester
Stets uns umschlinget?

Aufgang der Sonne flammet Dir des Todes
Fackel? Sie, die der Ranken keiner schonen
Und austrocknen würde die Borne meines

Lechzenden Lebens?

Dass, den Du wünschest, ich nicht fürchte, weisst Du!
Kanntest lange den Durst in meinem Herzen,

Heldentod einst in der gerechten Feldschlacht
Blutig zu sterben !

Siehe, schon schwebt er!-Ha! ich kenne deines
Fittigs Todesgesang! Mich schreckt nicht, Droher,
Deine Rechte! Trennung von meinen Lieben,

Droher, die schreckt mich!

Leben, o leben will ich! schwebt gleich manches
Trübe Wölkchen heran, ihr Schwestern, Freunde,
Leben! Mein braunlockiges Weib, mein Bruder,
Leben, o leben!

Aber wenn--doch der Menschheit Loos verbeut es!
Wenn zugleich dem vertrauten Häuflein winkte
Er, der Ruhegeber; ich säh' ihn, lächelnd:
'Bruder, er schreckt nicht!'

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JOHANN HEINRICH VOSS.

[Scherer D. 507, E. II. 121.]

Geboren 1751 zu Sommersdorf in Mecklenburg als Sohn eines Pächters, musste sich früh seinen Unterhalt durch Privatstunden erwerben und konnte durch Unterstützung seiner Freunde in Göttingen unter Heyne Philologie studieren. Später fand er Anstellung im Schulfach, widmete aber seine meiste Zeit literarischen Arbeiten. Er starb in Heidelberg 1826. 30 Von seinen Idyllen ist die bedeutendste 'Luise', ein ländliches Gedicht in drei Gesängen (zum ersten Male 1795 herausgegeben). Sein grösstes Verdienst liegt in seinen Übersetzungen der Alten, besonders Homers. Die

Odyssee kam 1781, die Ilias mit der umgearbeiteten Odyssee 1793 heraus. Seine Sämmtlichen poetischen Werke' wurden herausgegeben von A. Voss (Leipzig, 1835), seine Briefe von demselben, 4 Bde. (Halberstadt, 1829-33); Neudruck der Odysee von M. Bernays (Stuttgart, 1881).

I.

DER SIEBZIGSTE GEBURTSTAG.

Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens,
Sass der redliche Tamm in dem Lehnstuhl, welcher mit Schniz-
werk,

Und braunnarbigem Jucht voll schwellender Haare, geziert war: 10
Tamm, seit vierzig Jahren in Stolp, dem gesegneten Freidorf,
Organist, Schulmeister zugleich, und ehrsamer Küster;
Der fast allen im Dorf, bis auf wenige Greise der Vorzeit,
Einst Taufwasser gereicht, und Sitte gelehrt und Erkenntnis,
Dann zur Trauung gespielt, und hinweg schon manchen gesungen.
Oft nun faltend die Händ', und oft mit lauterem Murmeln,
Las er die tröstenden Sprüch' und Ermahnungen. Aber allmählich
Starrte sein Blick, und er sank in erquickenden Mittagsschlummer.
Festlich prangte der Greis in gestreifter kalmankener Jacke;
Und bei entglittener Brill' und silberfarbenem Haupthaar
Lag auf dem Buche die Müze von violettenem Sammet,
Mit Fuchspelze verbrämt, und geschmückt mit goldener Troddel.
Denn er feierte heute den siebzigsten frohen Geburtstag,
Froh des erlebeten Heils. Sein einziger Sohn Zacharias,
Welcher als Kind auf dem Schemel geprediget, und, von dem
Pfarrer

Ausersehn für die Kirche, mit Noth vollendet die Laufbahn,
Durch die lateinische Schul', und die theuere Akademie durch:
Der war jetzt einhellig erwähleter Pfarrer in Merliz,

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Und seit kurzem vermählt mit der wirthlichen Tochter des Vorfahrs. 30
Fernher hatte der Sohn zur Verherlichung seines Geburtstags
Edlen Toback mit der Fracht und stärkende Weine gesendet,
Auch in dem Briefe gelobt, er selbst und die freundliche Gattin:
Hemmeten nicht Hohlweg' und verschneiete Gründe die Durchfahrt,

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